26 März, 2023 / 7:30 AM
Liebe Schwestern und Brüder,
das heutige Evangelium konfrontiert uns mit der Frage: Ist die Auferweckung eines Toten wirklich möglich? Hat Jesus Lazarus wirklich von den Toten auferweckt? Kann man das glauben?
Vielleicht finden Sie diese Frage schon eine Beleidigung Gottes. Aber ich fürchte, dass viele moderne Menschen mit der Auferweckung von den Toten ihre Schwierigkeiten haben. Wir wollen ihr nicht ausweichen.
In dem Text, den wir gehört haben, treten ja auch noch viele Fragen auf: Warum ist Jesus nicht gleich zu Maria und Marta gegangen? Warum hat er Lazarus sterben lassen? Ja – wir können die Fragen ausweiten: Wenn Jesus Tote auferwecken konnte, warum hat er es dann nicht öfter getan? Wie kann es sein, dass er nur den Toten erweckte, in dessen Haus er oft gewesen war? Hatte Jesus Vorlieben? Und warum?
Man darf Fragen haben, und wir werden mit vielen Fragen leben und sterben müssen. Jesus bleibt ein Mysterium. Ich glaube: Wir können mit diesem Mysterium leben, wenn wir unser ganzes Leben mit dem Herrn verbringen. Nur wenn wir auf Distanz bleiben, werden wir uns unfruchtbar über ihn ärgern.
In der Theologie von Josef Ratzinger, Papst Benedikt, habe ich einen guten Hinweis gefunden, um mit der Frage nach der Möglichkeit von Totenerweckungen umzugehen. Josef Ratzinger schreibt in seinem Buch „Jesus von Nazareth“: Auch moderne Menschen glauben ziemlich leicht, dass Gott moralische Wunder wirken kann. Er kann in Menschen eine innerliche Wende hervorrufen. Es kommt vor, dass Menschen im Denken an Gott und im Glauben an Gott von jetzt auf nachher innerlich umgewandelt werden. Es gibt solche Bekehrungen, solche innere Umkehr. Ein modernes Beispiel ist die Umkehr des deutschen Journalisten Fritz Gerlich. Das geschah vor rund 90 Jahren. Er hatte als aufgeklärter Journalist in München von der Resl von Konnersreuth gehört, die angeblich lebte, ohne zu essen und zu trinken, die Visionen hatte und die Wundmale Christi an ihren Händen und Füßen. Er fand das alles einen frommen Schwindel, fuhr nach Konnersreuth in der Oberpfalz, besuchte sie, informierte sich ein paar Tage lang gründlich – und kam nach ein paar Tagen als umgewandelter und gläubiger Mensch zurück. Bis dahin war er oberflächlich evangelisch gewesen. Nun konvertierte er bald zur katholischen Kirche, wurde ein scharfer Kämpfer gegen den Nationalsozialismus und wurde daher von den Schärgen Hitlers schon im Jahr 1934 umgebracht. Es war eine plötzliche innere Wandlung. Wir glauben wohl eher oder gar leicht an solche Vorgänge.
Und Josef Ratzinger schreibt nun: Wir glauben an die Allmacht Gottes im moralischen Bereich. Wenn wir aber nun annehmen, dass Gott solche Wunder im physischen Bereich nicht tun kann, dann leugnen wir seine Allmacht. Wenn wir wirklich an seine Allmacht glauben, dann können wir Totenerweckung nicht leugnen. Entweder wir glauben an die Allmacht Gottes oder nicht. Wenn wir Totenerweckung für unmöglich halten, dann glauben wir auch nicht an die Allmacht Gottes.
Vielleicht müssen wir oft hinknien und beten: Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben. Es ist befreiend, wenn wir einfach vor Gott in die Knie gehen und ihn bitten, an seine Allmacht und Güte glauben zu können. Denken ist gut, Anbeten ist besser. Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben. Hilfreich ist auf jeden Fall der Aufschrei zu Gott, gerade auch wenn es uns schlecht geht. Der Aufschrei zu Gott ist die erste Hilfe. Der Herr schaut in unsere Herzen. Das sollen wir auf jeden Fall glauben. Amen.
Pater Eberhard von Gemmingen SJ war von 1982 bis 2009 Redaktionsleiter der deutschen Sektion von Radio Vatikan.
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