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Päpstlicher Vertreter bei UN in Genf warnt vor Verwechslung zwischen Rechten und Wünschen

Erzbischof Ettore Balestrero, Ständiger Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UNO Genf

Um Veränderungen, die bei uns allen anfangen, ging es im Dezember letzten Jahres bei einer hochrangigen Veranstaltung über die Universalität der Menschenrechte und die universelle Verantwortung zur Fürsorge. Die Veranstaltung fand im Rahmen des 75. Jahrestages zum Gedenken an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte statt. Der Heilige Stuhl in Genf hatte diese Veranstaltung ausgerichtet und nutzte die Gelegenheit, das Apostolische Schreiben von Papst Franziskus zur Klimakrise, „Laudate Deum“, vorzustellen.

Das kürzlich von Papst Franziskus verfasste „Ermahnungsschreiben“ ist Thema dieses Berichts und der nächsten Berichte unserer wöchentlichen Programmreihe, die jetzt den Titel „Bericht aus Genf“ trägt. Wir werden in regelmäßigen Abständen wieder direkt von dort berichten und mit katholischen Organisationen sprechen, die dort tätig sind. Heute sprechen wir mit Erzbischof Ettore Balestrero, dem Ständigen Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UN in Genf.

Bevor wir über die hochrangige Veranstaltung bei den Vereinten Nationen in Genf sprechen, die Sie, der Heilige Stuhl, letztes Jahr im Dezember organisiert haben, vielleicht ein kurzer Überblick zu diesem jüngsten Werk des Papstes, das der italienische katholische Medienjournalist Andrea Gagliarducci als eines der politischsten Dokumente des Pontifikats von Papst Franziskus bezeichnet hat.

Nun, bei der hochrangigen Veranstaltung, die wir im Dezember letzten Jahres in der UNO organisiert haben, ging es genau darum, auch dieses Dokument vorzustellen. Dieses Dokument ist in gewisser Weise eine Weiterentwicklung von „Laudato Si’“, also der Enzyklika, die Papst Franziskus acht Jahre zuvor geschrieben hatte. Es ist aber nicht nur eine Weiterentwicklung. Ich würde hinzufügen, dass es auch eine aktualisierte Neuinterpretation der Klimakrise ist. Der Papst hat keine Angst zu sagen, dass die Welt am Rande eines Zusammenbruchs steht. Und da spielt die Klimakrise eine wichtige Rolle in Bezug auf diese Gefahr. Der Papst scheut sich nicht, jene zu nennen, die diese Fakten verhöhnen und nicht an die Klimakrise glauben. Und es sind einige. Sie führen angeblich wissenschaftliche Daten an. Zum Beispiel sagen sie, dass der Planet schon immer Zeiten der Abkühlung und Zeiten der Erwärmung gehabt hat. Doch der Papst sagt, das dies zwar durchaus wahr ist, aber der Punkt ist, dass das, was wir jetzt erleben, eine sehr ungewöhnliche Beschleunigung der Erwärmung ist.

Dann sagt er auch, dass es Menschen gibt, die behaupten, dass es periodisch wiederkehrende Zeiten von extremer Kälte gegeben hat. Und auch das ist wahr. Aber wenn das gesagt wird, dann muss man auch erwähnen, dass die Ursache dafür, ein globales Ungleichgewicht ist, und dass das globale Ungleichgewicht deshalb die Erwärmung des Planeten verursacht. Das Ergebnis ist also, wie der Papst in seinem Dokument darlegt, dass die Auswirkungen des Klimawandels das Leben von Millionen von Menschen zunehmend beeinträchtigt. Wir spüren das schon jetzt und werden leider die Auswirkungen noch mehr in den Bereichen Gesundheit, Arbeit, Beschäftigung, Zugang zu Ressourcen und Wohnen spüren. Es ist also ein globales Problem und es steht in engem Zusammenhang mit der Würde des menschlichen Lebens. Es ist also nicht nur ein ökologisches Problem. Wir befassen uns damit nicht einfach, weil wir auf die Ökologie fixiert sind oder weil wir grün sind, sondern wir befassen uns damit, weil die Auswirkungen des Klimawandels von der Menschheit getragen werden, und insbesondere von den am meisten gefährdeten Menschen, sei es in ihrer Heimat oder überall auf der Welt.

Und deshalb sagt der Papst, dass es mit der Würde der menschlichen Person zu tun. Deshalb braucht es einen kulturellen Wandel. Aber um einen kulturellen Wandel zu erreichen, brauchen wir eine persönliche Umkehr. Das ist also nicht einfach eine ökologische Rede, sondern das ist auch eine christliche Rede.

Und deshalb hat er auch als Titel für diesen Beitrag den lateinischen Titel Laudato Deum gewählt, was soviel bedeutet wie „Lobt Gott“, denn, so sagt er, wenn der Mensch beansprucht, den Platz Gottes einzunehmen, dann wird er zu seinem eigenen schlimmsten Feind. Und der Mensch beansprucht den Platz Gottes immer dann, wenn er sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Und er ignoriert die Auswirkungen seines Handelns und die Folgen seiner Entscheidungen, die sich auf das Leben seiner Mitmenschen und insbesondere auf das Leben der Schwächeren und derjenigen, die in den schwierigsten Gebieten leben, auswirken.

Dies ist also eine sehr kurze Zusammenfassung, was der Papst beschreibt. Wenn Sie möchten, können wir im Laufe unseres Gesprächs vielleicht noch einige andere Aspekte vertiefen, die meiner Meinung nach sehr wichtig und nützlich sind, berücksichtigt zu werden.

Sie sagten auch, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Eckpfeiler des Lebens und der Arbeit der Vereinten Nationen ist, und dass wir alle aufgerufen sind, in echter Beziehung zu Gott zu leben. Es gibt also offensichtlich eine Verbindung zwischen Gott und der Verwaltung, Umsetzung und Anwendung der Menschenrechte. Kann dies überhaupt durch eine überwiegend nicht religiös ausgerichtete Organisation wie die Vereinten Nationen erreicht werden?

Nun, das ist eine sehr interessante und sehr komplexe Frage. Es gibt einen Zusammenhang, und so sollte es auch im Prinzip sein. Meine Antwort lautet ganz einfach: Ja, es gibt eine Kluft in der Verbindung. In der Praxis müssen wir sagen, dass es sehr, sehr schwierig ist, eine Verbindung zwischen der Allgemeinen Erklärung und der Arbeit der UNO bei der Umsetzung der Menschenrechte und Gott herzustellen.

Warum ist das so? Ich erkläre es Ihnen ganz kurz: Das Problem ist, dass wir dieselben Worte benutzen, aber sehr unterschiedliche Konzepte meinen. Das ist der Hauptteil des Problems. Und warum benutzen wir dieselben Worte? Weil wir von Menschenwürde sprechen, wir sprechen von Menschenrechten, die sich aus der Menschenwürde ableiten. Aber was ist die Basis? Was sind diese Menschenrechte? Wenn es sich um das Konzept handelt, auf das sich die Mitgliedsstaaten der UNO allgemein geeinigt haben, dann gibt es keine Verbindung zu Gott.

Denn in diesem Fall werden Rechte allgemein als Wünsche angesehen oder es geht um alles, was einem Wunsch entspricht. Und so wird es zu einem Recht, zu einer Anmaßung: Ich gebe vor, so zu sein, dann habe ich das Recht, dies und das zu tun oder so und so zu sein.

Es gibt also eine Verwechslung zwischen dem Recht und den Anmaßungen und Wünschen. Es wird angenommen, dass die Grundlage der Rechte einfach der Konsens ist. Das heißt, wir haben uns darauf geeinigt, dass dies gut sein soll. Und das ist in einem Abkommen festgehalten, in einem internationalen Vertrag, in einer internationalen Erklärung. Es wird als etwas Gutes betrachtet, einfach weil es festgeschrieben ist, und weil wir uns darauf geeinigt haben, dass das gut sein soll.

Das ist aber nicht unbedingt der Fall. Wir können uns auch auf etwas einigen, was sehr schlecht ist, wie die Ausrottung der Juden. Das ist und bleibt ein schrecklicher Völkermord. Und es bleibt ein Völkermord, nicht nur 50 Jahre später, wenn wir das in einer Erklärung anerkennen, sondern es war schon vor 50 Jahren der Fall, als es geschehen ist.

Der grundlegende Unterschied besteht also darin, dass wir, wenn wir von Menschenrechten sprechen, diese Verbindung zu Gott herstellen, weil wir der Meinung sind, dass es Naturgesetze gibt, die die Wurzeln der Menschenrechte sind.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Und was ist dieses Naturrecht? Das Naturrecht setzt die Idee voraus, dass die menschliche Natur für den Menschen ein Träger einer ethischen Botschaft ist, und dass die menschliche Natur eine implizite moralische Norm ist, die die menschliche Vernunft tatsächlich verwirklicht. Dies ist also die Grundlage des menschlichen Lebens. Und das ist es, was wir als den festen Grund der Menschenrechte betrachten. Und dieses Fundament ist ausdrücklich und konkret der Grund, der die Verbindung zwischen den Menschenrechten und Gott herstellt.

Wenn wir aber diese Basis wegnehmen, die das Fundament des ganzen Gebäudes ist, dann stürzt das Gebäude ein. Dann ist das Gebäude nicht mehr auf dieser menschlichen Natur aufgebaut und gegründet, die eine implizite Norm und eine ethische Norm ist, die wir respektieren müssen. Sondern es wird einfach zum Ergebnis eines Konsenses, der sich mit der Zeit ändern kann und der sehr schwach und nicht solide ist. Und so kann dies am Ende die Niederlage der Schwachen und den Sieg des Stärkeren mit dessen Stolz und Arroganz über die Schwächsten hervorrufen.

Tatiana Valovaya, die Generaldirektorin des Büros der Vereinten Nationen in Genf, erwähnte die Vereinten Nationen 2.0, auch bekannt als UN 2.0. Wie die Generaldirektorin anerkannte, und wie wir wissen, ist Papst Franziskus ein starker Befürworter der UN-Reform. Haben wir nicht alle sehr fragwürdige Erfahrungen mit so genannten „Reformen“ gemacht? Ich erinnere an Martin Luther oder auch an die heutigen Reformbewegungen in der katholischen Kirche in Deutschland. Reformen verbessern die Dinge nicht zwangsläufig. Brauchen die Vereinten Nationen nicht statt einer Reform eine direkte Rückkehr zu ihrer ursprünglichen Charta, wie sie vor 75 Jahren geschrieben wurde?

Nun, ich denke, die beiden Dinge müssen zusammengehören. Eine echte Reform, wie sie die Kirche kennt, sollte zu den Wurzeln zurückkehren, zurück zum Evangelium, und nicht das Evangelium verändern oder das Evangelium verschleiern.

Eine echte Reform, die zu den ursprünglichen Vereinten Nationen zurückführt, ist also notwendig.

Eine Reform des Prozesses der Entscheidungsfindung ist notwendig, um ihn zu legitimieren, um die Entscheidungen besser zu legitimieren und um einen demokratischeren Prozess zu haben. Und der Grund dafür ist sehr einfach, denn das System, das wir jetzt haben, basiert im Wesentlichen auf den Fünf Großmächten. Das sind die Länder, die einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat haben. Diese Länder sind im Grunde diejenigen, die den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben. Und natürlich wollten sie kein System einrichten, kein globales System, das ihren Sieg und ihre Position hätte gefährden können.

Also wollten sie sich ihre Macht sichern, das Vetorecht bei allen Entscheidungen, die ihren Interessen zuwiderlaufen könnten. Aber das blockiert das System jetzt noch mehr, weil die Welt nach fast 70 Jahren viel stärker polarisiert ist, weil sich die politische und internationale Situation sehr stark entwickelt hat.

Und so ist alles blockiert, und wir befinden uns in einer Welt, in der es, wenn ich mich nicht irre, derzeit 59 laufende Kriege gibt. Und in all diesen Kriegen haben wir sehr oft einige dieser Fünf Großmächte, die Bündnis führen und sich gegenüber stehen. Nicht immer ist das direkt der Fall, aber manchmal stehen sie sich durchaus direkt gegenüber. Das bedeutet, dass sie ein Veto einlegen gegen jede Entscheidung, die die humanitäre Situation, die Menschenrechtssituation vor Ort, verbessern würde. So kann es also nicht weitergehen. Das muss geändert werden, und es ist notwendig, den Entscheidungsfindungsprozess zu reformieren, damit die Entscheidung größer und differenzierter ausfällt. Und es ist notwendig, die Entscheidungen, die getroffen werden, besser zu legitimieren, denn das System, das vor mehreren Jahrzehnten eingeführt wurde, ist weder ausreichend noch scheint es effektiv zu sein.

Der Papst schlägt also vor, dass diese Reform mehr Raum für den Dialog, für Gespräche, für Schlichtung, für Konfliktlösungen bieten sollte. Letztendlich würde ich sagen, geht es um eine Art verstärkte Demokratisierung im globalen Kontext, damit diese verschiedenen Situationen zum Ausdruck kommen und einbezogen werden können.

Das ist es, was sich der Papst erhofft, und das ist die Reform, die, so würde ich sagen, im Sinne des authentischen Geistes des UN-Systems funktionieren würde, das als oberstes Ziel die Gewährleistung von Frieden, Sicherheit und Stabilität hat. Und wenn wir es nicht reformieren, werden wir den Zweck, für den das System geschaffen wurde, nicht erreichen.

Die Sekretärin des Dikasteriums des Heiligen Stuhls für die Förderung der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung sagte zur Universalität der Menschenrechtserklärung, dass der Gedanke, es gäbe noch etwas Universelles, heute ziemlich naiv erscheinen mag. Aber sie wies auch darauf hin, dass Papst Franziskus in „Laudate Deum“ einen konkreten Vorschlag zum Überdenken des Multilateralismus macht. Schlägt der Papst in „Laudate Deum“ vor, zum Unilateralismus zurückzukehren, also eine Politik oder Aktion zu beschließen, ohne eine andere Gruppe oder ein anderes Land einzubeziehen?

Der Papst schlägt nicht vor, zum Unilateralismus überzugehen, sondern im Multilateralismus zu bleiben, ihn aber umzugestalten. Es geht darum, ihn demokratischer zu machen, um allen Beteiligten mehr Respekt entgegenzubringen. Das ist die Grundlage. Das ist aber auch das Kernproblem. Die Welt lässt sich nicht aufhalten, nur weil es Interessenkonflikte zwischen den Fünf Großmächten mit Vetorecht gibt. Das muss man bedenken, wenn man wirklich konsequent sein und das Leben der Menschen wirklich zur Grundlage machen will.

Wir leben in einer Welt mit 59 Kriegen. Wir leben in einer Welt, in der es 114 Millionen Vertriebene gibt. Wir leben in einer Welt, in der zwei Drittel der Menschheit in Armut leben. Über diese Punkte müssen wir also nachdenken, konsequent sein und die Menschenwürde wirklich zur Grundlage des Systems machen, aber auch bedenken, dass das menschliche Leben ohne die Unterstützung anderer Geschöpfe undenkbar und unhaltbar ist. Wir müssen also in der Lage sein, nicht nur unser eigenes, einseitiges Wohl eines einzelnen Landes zu berücksichtigen, sondern das Gemeinwohl aller Länder und die Zukunft aller Kinder unseres Planeten. Das soll mehr als die kurzfristigen Interessen bestimmter Länder oder Unternehmen gelten, denn auch Unternehmen haben ihre eigenen, kurzfristigen Interessen.

Es ist im Allgemeinen ein Nullsummenspiel. Meine Interessen stehen also im Gegensatz zu anderen Interessen. Aber all dies wird letztlich den Kindern der gesamten Menschheit nicht zugute kommen und sie benachteiligen, selbst die Kinder der Gewinner, denn sie werden von den Folgen der von den Eltern getroffenen Entscheidung betroffen sein.

Die wirksamsten Lösungen können also nicht allein durch individuelle Entscheidungen gefunden werden. Aber es ist notwendig, eine gemeinsame Basis zu finden und internationale Entscheidungen zu treffen, die alle Interessengruppen berücksichtigen. Und dazu sind, wie der Papst sagt, tiefgreifende kulturelle Veränderungen notwendig, aber auch persönliche Bekehrungen. Das sind persönliche Veränderungen, denn die Entscheidungsträger müssen ihr Herz ändern und nicht nur auf ihre eigenen, kurzfristigen Interessen schauen, sondern auf das Interesse der Menschheit achten, wenn sie wirklich meinen, wie sie immer sagen, dass sie der Menschheit dienen.

Original-Interview aufgenommen in Genf von Laetitia Rodrigues und Alex Mur | Textbearbeitung: Mario Galgano | Redaktion, Moderation und Schnitt: Christian Peschken für Pax Press Agency im Auftrag von EWTN, EWTN News und CNA Deutsch.

Hinweis: Dieser Beitrag – sein Inhalt sowie die darin geäußerten Ansichten – ist kein Beitrag der Redaktion von CNA Deutsch. Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln zudem nur die Ansichten der jeweiligen Autoren wider. Die Redaktion von CNA Deutsch macht sich diese nicht zu eigen.

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