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Nach dem Plan der Liebe Gottes leben

Blick auf den Petersdom im Vatikan

Mit großer Dankbarkeit schauen gläubige Katholiken heute auf die Jahre zurück, in denen Kardinal Luis Ladaria SJ mit Umsicht, profunder theologischer Kenntnis und leiser Souveränität die vormalige Kongregation und das jetzige Dikasterium für die Glaubenslehre leitete. Ein wertvolles, in Deutschland kaum rezipiertes Schreiben wurde – mit Zustimmung von Papst Franziskus – unter dem Titel „Placuit Deo“ am 22. Februar 2018, dem Fest Kathedra Petri, veröffentlicht. Klar und deutlich wird die Zentralität Jesu Christi betont, um einige Aspekte des christlichen Heils zu erläutern, die auch für die kirchliche Morallehre von hoher Relevanz sind.

Kardinal Ladaria betont: „Die Lehre über das Heil in Christus muss immer wieder neu vertieft werden. Den Blick fest auf den Herrn Jesus gerichtet, wendet sich die Kirche in mütterlicher Liebe an alle Menschen, um ihnen den ganzen Bundesplan des Vaters zu verkünden.“ Insbesondere werden die Signaturen der Zeit und kulturelle Erscheinungsformen eingehend betrachtet, die nicht allesamt neu sind, aber in der Gegenwart wieder machtvoll hervortreten.

Verheerend für die katholische Morallehre ist der bestimmende Gedanke, der das Ich und seine Wünsche absolut setzt, ein auf das „autonome Subjekt konzentrierter Individualismus“, in dem Jesus Christus relativiert wird: „In dieser Sichtweise entspricht die Gestalt Christi eher einem Vorbild, das durch Worte und Taten zu guten Werken anspornt, als demjenigen, der die menschliche Verfasstheit wandelt und durch den Geist in ein neues mit dem Vater und untereinander versöhntes Dasein hineinnimmt (vgl. 2 Kor 5,19; Eph 2,18). Auf der anderen Seite breitet sich die Sichtweise eines rein innerlichen Heils aus, die vielleicht eine starke persönliche Überzeugung oder ein intensives Gefühl der Vereinigung mit Gott weckt, ohne aber unsere Beziehungen mit den anderen und mit der geschaffenen Welt anzunehmen, zu heilen und zu erneuern. In dieser Perspektive wird es schwierig, den Sinn der Menschwerdung des Wortes zu erfassen, durch die der Herr – für uns Menschen und zu unserem Heil – ein Glied der Menschheitsfamilie geworden ist und unser Fleisch sowie unsere Geschichte angenommen hat.“

Dies begünstigt die von Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., so bezeichnete „Diktatur des Relativismus“, die sich heute in der Fokussierung auf das Ich und seine Gelüste zeigt – und sich nicht zuletzt in dem beharrlichen Bestreben widerspiegelt, die verbindlich gültige Lehre der Kirche vermeintlichen Erfordernissen der Zeit anzupassen. Diverse Formen eines verstörenden Eigensinns zeigen sich nicht zuletzt in der Apologie umfassender sexueller Freizügigkeit, eines zügellosen Hedonismus und in den Forderungen, dass die Kirche die „Ehe für alle“ anerkennen müsse. Hierzu gezählt werden können auch die Gendertheorie, beliebige Identitätsfantasien und der Transhumanismus.

Ladaria spricht von der Wiederkehr des Pelagianismus und des Gnostizismus: „In unseren Tagen gedeiht ein Neu-Pelagianismus, gemäß dem das radikal autonome Individuum vorgibt, sich selbst zu erlösen, ohne anzuerkennen, dass es im Tiefsten seines Seins von Gott und von den anderen abhängig ist. Das Heil wird deshalb von den Kräften des Einzelnen oder von rein menschlichen Strukturen erwartet, die aber nicht imstande sind, die Neuheit des Geistes Gottes aufzunehmen. Eine Art von Neu-Gnostizismus propagiert ihrerseits ein rein innerliches, im Subjektivismus eingeschlossenes Heil, das darin bestünde, dass sich der Verstand ‚über das Fleisch Christi hinaus zu den Geheimnissen der unbekannten Gottheit erhebt‘. So wird der Anspruch erhoben, die Person vom Leib und von der materiellen Welt zu befreien, in denen man nicht mehr die Spuren der Vorsehung des Schöpfers erkennt, sondern nur eine Wirklichkeit ohne Sinn, die der eigentlichen Identität der Person fremd wäre und gemäß dem Gutdünken des Menschen manipuliert werden könnte.“

Eine neue „Leibverachtung“ sei entstanden, beherrscht von dem Glauben, dass der Mensch als „isoliertes Individuum“ sich „nur mit eigenen Kräften selbstverwirklichen könnte“. Man denke etwa an gegenwärtig virulente Förderung der Geschlechtsumwandlung. Die Frage nach der Identität nimmt Kardinal Ladaria auf, bettet sie aber in den Horizont des Glaubens ein: „Im Blick auf diese Sehnsucht lehrt uns der Glaube an Christus, der jeden Anspruch auf Selbstverwirklichung zurückweist, dass sie ganz nur dann in Erfüllung gehen kann, wenn Gott selbst dies möglich macht und uns an sich zieht. Das wahre Heil des Menschen besteht nicht in Dingen, die er von sich aus erlangen könnte, wie etwa in Besitz oder materiellem Wohlstand, in Wissenschaft oder Technik, Macht oder Einfluss auf andere, gutem Ruf oder Selbstgefälligkeit. Nichts Geschaffenes kann den Menschen ganz erfüllen, weil Gott uns zur Gemeinschaft mit ihm bestimmt hat und unser Herz ruhelos ist bis es ruht in ihm. ‚In Wahrheit gibt es nur eine letzte Berufung des Menschen, die göttliche.‘“

Durch die Sünde habe der Mensch die „Quelle der Liebe“ verlassen und verliere sich – fern von Gott – in „Scheinformen der Liebe, die ihn immer mehr in sich selbst verschließen“: „Diese Trennung von Gott – von dem, der die Quelle der Gemeinschaft und des Lebens ist – zerstört die Harmonie unter den Menschen sowie zwischen den Menschen und der Welt und führt zur Herrschaft der Zerrissenheit und des Todes (vgl. Röm 5,12). Das Heil, das der Glaube uns verkündet, betrifft deshalb nicht nur unser Inneres, sondern unser ganzes Menschsein. Die ganze Person, Leib und Seele, ist nämlich durch die Liebe Gottes nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen, und sie ist berufen, in Gemeinschaft mit ihm zu leben.“ Erinnert wird an die „sakramentale Heilsordnung“, die allen diesen häretischen Strömungen entgegenstehe, die ein „bloß innerliches Heil“ versprechen.

Kardinal Ladaria weist auf das Naturrecht hin: „In den menschlichen Leib, der von Gott geformt wurde, ist eine Sprache eingeschrieben, welche den Menschen einlädt, die Gaben des Schöpfers zu erkennen und in Gemeinschaft mit den Brüdern und Schwestern zu leben. Durch seine Menschwerdung und sein Ostergeheimnis hat der Retter diese ursprüngliche Sprache wiederhergestellt, erneuert und uns in der leibhaften Ordnung der Sakramente vermittelt. Dank der Sakramente können die Christen in Treue zum Fleisch Christi und folglich in Treue zur konkreten Ordnung der von ihm geschenkten Beziehungen leben. Diese Ordnung von Beziehungen erfordert in besonderer Weise die Sorge um alle Menschen in ihren Leiden, vor allem durch die leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit.“

Zu diesen Sakramenten gehört das Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau, das natürlich auch weder relativiert noch nivelliert werden darf. Wer die kirchliche Morallehre nach eigenem Gutdünken oder vermeintlich absolut richtigen wissenschaftlichen Meinungen verändern oder – in der Diktion unserer Tage – gemäß dem Zeitgeist „weiterentwickeln“ möchte, entfernt sich von Gott und vom Schatz des Glaubens der Kirche. Gläubige Katholiken schulden der Welt von heute die Verkündigung des Evangeliums und ein Leben gemäß der verbindlich gültigen Lehre der Kirche. Ehepaare und Familien können so zu Vorbildern im Glauben werden.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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