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Wie können wir Jesus lieben, wenn wir ihn wenig kennen?

Statue des guten Hirten aus den Domitilla-Katakomen

[Lesungen HIER]

Wir haben eben im Evangelium gehört: Jesus sagt: Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich. Ich erlaube mir die Frage: Kennen wir Jesus? Kennen wir ihn wirklich? Wie gut kennen wir ihn? Ja – ich frage mich selbst: Kenne ich Jesus wirklich und wie gut kenne ich ihn? Die Antwort auf diese Frage ist grundlegend. Denn wie können wir an einen glauben, den wir kaum kennen? Oder richtiger: Wie können wir unser Leben festmachen an einem, den wir kaum oder nur sehr oberflächlich kennen? Wie können wir ihn lieben, wenn wir ihn wenig kennen?

Und nun mache ich einen Sprung zu Paulus, von dem wir in der Lesung gehört haben. Ich behaupte mal: Paulus kannte Jesus auch vor seiner Bekehrung sehr gut. Paulus hatte erkannt, was für ein Umstürzler Jesus war. Paulus hatte erkannt, dass Jesus die Welt aus den Angeln heben wollte und konnte. Und deswegen tobte Paulus gegen ihn. Paulus hatte erkannt, dass Jesus eine Kulturreform anstieß. Paulus hatte erkannt, dass Jesus nicht mehr daraufsetzte, dass der Mensch vor Gott Verdienste erwerben musste, dass er sich den Himmel verdienen sollte. Paulus hatte erkannt, dass Jesus das Verhältnis des Menschen zu Gott auf den Kopf stellte. Paulus hatte erkannt: Gott will den Menschen in seine Arme schließen und dadurch sollte der Mensch ein neuer Mensch werden. Ob Paulus das Jesuswort kannte: Ich gebe mein Leben für die Meinen. Jesus hatte die Seinen Schafe genannt und sich selbst den guten Hirten.

Uns modernen Menschen ist das Wort Schafe ein wenig unangenehm. Wir können ruhig sagen: Jesus will uns in seine Arme nehmen. Ich glaube, nach der Taufe ist das entscheidende für Christen: Christus kennen lernen. Das ist eine lebenslange Aufgabe. Paulus hatte erkannt, dass der Mann am Kreuz es wirklich ernst meinte. Und er hatte erkannt, dass Jesus unglaubliche Autorität beanspruchte. Er kannte wohl die Worte, die wir auch oft gehört haben: Moses hat euch gesagt, du sollst nicht töten. Ich aber sage euch : Liebe deinen Nächsten, ja, liebe deinen Feind, halte ihm auch die andere Wange hin. Jesus hatte die Normen des Alten Testamentes überboten. Haben wir das auch wirklich erkannt?

Zurück zu dem Wort Jesu: Ich bin der gute Hirte. Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich. Das Wort „Guter Hirte“ ist vielleicht für uns ein verharmlosendes Wort. Aber Jesus sagt dann weiter: Der gute Hirte flieht nicht vor den Wölfen, wenn sie kommen, ja er gibt sein Leben, um seine Schafe zu schützen.

Und nun erinnere ich an die Szene Jesu im Ölgarten, am Abend vor seinem Tod. Da standen die wirklichen Wölfe vor dem Gartenzaun und lauerten auf Jesus. Einer der Wölfe war Judas. Und Jesus hätte vielleicht noch fliehen können. Aber er ist geblieben. Er betet: Vater, nicht mein Wille geschehe, sondern der deine. Er hat als Freund seine Freunde nicht sitzen lassen, was wohl möglich gewesen wäre.

Jesus möchte, dass wir auf ihn vertrauen. Er lässt uns nicht im Stich. Er fordert zwar von den Seinen einigen Mut, aber er geht mutig voran. Und dieser Mut Jesu hat dann auch den Paulus gleichsam aus dem Sattel gehoben. Paulus kannte die – erlauben Sie mir, es so zu sagen – Umsturzpläne Christi. Christus wollte die Welt aus dem Sattel heben und ihr eine neue Ordnung geben. Aber diese Erkenntnis machte Paulus dann auch zu einem neuen Menschen. Und so fanatisch, wie er gegen Christus gewesen war, so überzeugt war er dann auch für Christus.

Aber nicht nur Paulus war so überzeugt. Auch die Jünger müssen so überzeugt gewesen sein, denn kurz nachdem sie vom Heiligen Geist ergriffen worden waren, brach dann die Verfolgung gegen sie aus. Die Verfolgung zeigt, dass Jesus und seine Botschaft einen Umsturz wollten, dass Jesus wirklich eine neue Welt wollte und angestoßen hatte. Und wir stehen auch heute mittendrin in der Auseinandersetzung zwischen dem Christus, der aus den Menschen neue Menschen machen will und dem Feind der menschlichen Natur. In manchen Kriegen und manchen parlamentarischen Gesetzen dieser Tage scheint der Feind der menschlichen Natur am Werk zu sein. Halten wir uns fest an Jesus. Er hält uns vom Kreuz aus mit ausgebreiteten Armen.

Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.

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