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Katholischer Publizist übt Kritik an moderner Kirche, wird orthodox – und überzeugt nicht

Orthodoxe Kirche (Symbolbild)

„Zurück zu den Quellen. Meine Pilgerfahrt nach Osten ins Herz der Orthodoxie“ – so lautet der Titel des vorliegenden Buches von Alessandro Gnocchi, einem italienischen Publizisten.

Gnocchi war zusammen mit Mario Palmaro (gestorben im Jahr 2014) ein unermüdlicher Verteidiger der katholischen Tradition und der katholischen Lehre. Beide gehörten seit Beginn des Pontifikates von Papst Franziskus zu seinen schärfsten Kritikern. Erinnert sei nur an den bereits am 9. Oktober 2013 in der Tageszeitung Il Foglio erschienenen Artikel „Questo Papa non ci piace“ (Dieser Papst gefällt uns nicht). Mit scharfsinnigen Wortmeldungen und Analysen schafften es die beiden katholischen Traditionalisten sogar in deutschsprachige Medien. Als Palmaro im Jahr 2014 starb, verstummte auch die Stimme von Alessandro Gnocchi. Viele Jahre hat man kaum etwas von ihm gehört.

Der Grund für dieses lange Schweigen wurde im Jahr 2019 offenbar, als bekannt wurde, er sei der russisch-orthodoxen Kirche beigetreten. Dazwischen liegen jene Jahre, die er als „Pilgerfahrt nach Osten ins Herz der Orthodoxie“ bezeichnet.

Im vergangenen Jahr ist sein autobiographisches Buch in dem italienischen Verlag „Monasterium“ veröffentlicht worden. Er berichtet und begründet darin, warum er orthodox geworden ist. Inzwischen steht das Buch, verlegt von „Edition Hagia Sophia“, auch in deutscher Sprache zur Verfügung.

Wer das Buch liest, wird feststellen, dass es sich der Autor nicht einfach oder gar leicht gemacht hat. Er hätte schweigen können, doch wollte er selbst seinen Schritt von der katholischen Kirche hin zur russischen Orthodoxie begründen und seinen Lesern verständlich machen. Er schreibt: „Ich bin dreimal auf die Knie gefallen, bevor ich diese Bekenntnisse begann, und rief die Barmherzigkeit des Sohnes Gottes auf diesen zitternden Sünder herab, der es wagt, vor Seiner Gegenwart zu stehen.“

Warum wurde Alessandro Gnocchi orthodox?

Der italienische Journalist Sandro Magister ist als Vatikanist einer der großen Kenner jener Themen und Ereignisse, die den Medien im Allgemeinen verborgen bleiben. Am 16. März 2022 schrieb er über den Zustand im Vatikan, dem Zentrum und „Machtapparat“ der katholischen Kirche: „Die Kommentatoren aller Schulen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, […] sind sich einig, dass dieses Pontifikat in vielerlei Hinsicht ein Desaster, eine Katastrophe ist.“

Tatsächlich war eine solche Auffassung für Gnocchi letztendlich der Anlass, die katholische Kirche zu verlassen. Doch die bereits Jahrzehnte zuvor einsetzende Erosion des Glaubens ist der tiefere Grund. Er schreibt rückblickend: „Jahre, Jahrzehnte des Traditionalismus ohne Tradition, einer Ekklesiologie ohne Kirche, einer Spiritualität ohne Geist waren im Begriff sich aufzulösen.“ Gnocchi war enttäuscht und sah angesichts dieser Situation keine Zukunft mehr für die katholische Kirche, insbesondere nicht wegen ihres inneren Zustandes.

Doch genügt es, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, um orthodox zu werden?

Ein ebenso heftiger Kritiker wie Gnocchi am Zustand der katholischen Kirche ist der Frankfurter Schriftsteller Martin Mosebach. Auch er gehört zu jenen, die dem traditionellen Katholizismus zuzurechnen sind. Er setzt sich bis heute für die traditionelle lateinische Liturgie ein. Mosebach hat seine eigene Faszination für die orthodoxe Kirche zum Ausdruck gebracht. „Die Orthodoxie hat etwas Grandioses bewahrt“, sagte er 2018 und stellte fest, dass in der orthodoxen Liturgie „eine viel größere Freiheit und Ungezwungenheit“ herrsche, welche die Feierlichkeit nicht mindere, sondern steigere. Gerade die „liturgische Krise der lateinischen Kirche“, mit dem zeitweisen faktischen Verbot der überlieferten Liturgie, habe ihn „der orthodoxen Kirche näher gebracht“. Doch „eine Konversion zur orthodoxen Kirche“ kann sich Mosebach niemals vorstellen: „Das ist mir eine Unmöglichkeit.“

Liturgie und geistliches Leben

Was die Liturgie betrifft, haben die verschiedenen orthodoxen Kirchen ihre alten Liturgien bis heute bewahrt. Sie haben der Versuchung weitgehend widerstanden, Kompromisse mit dem Zeitgeist einzugehen, obwohl die jeweiligen Muttersprachen in viele Gottesdienste Eingang gefunden haben.

Gnocchi beschreibt die in der Orthodoxie vorherrschende zentrale Rolle des Mönchtums und damit der Askese und der Mystik. Diese sind nicht theologisch gebildeten Spezialisten vorbehalten, sondern sind in das Leben der ganzen Kirche integriert. Ebenso liege – anders als in der römischen Kirche – der Schwerpunkt der orthodoxen Religion nicht zuerst beim Patriarchen von Moskau oder Konstantinopel, sondern es seien die Klöster, auf die die Gläubigen blicken. Gnocchi betont die Rolle derjenigen Mönche, welche die Gnade für diese Aufgabe erhalten hätten, als Berater und spirituelle Leiter für die Laien da zu sein. Durch sie werde das Mönchtum in die Welt der orthodoxen Gläubigen integriert.

Im Gegensatz zum Westen, der heute die Quellen seiner Theologie im Allgemeinen auf das Zweite Vatikanische Konzil und spätere päpstliche Verlautbarungen reduziere, greife die orthodoxe Welt auf die östlichen Kirchenväter, die Wüstenväter, die Mystiker der Spätantike und des Mittelalters zurück. Diese Quellen seien alle noch immer im orthodoxen Glauben präsent.

Gnocchi hebt die traditionelle Kunst der Ostkirche hervor. In der östlichen Theologie gehe ihre Rolle weit über eine bloße Darstellung oder eine Erinnerung an eine heilige Person oder ein heiliges Ereignis hinaus. Die ostkirchlichen Ikonen schafften vielmehr eine echte Präsenz einer Person, eines Heiligen – und zwar in der Welt von heute. Von daher scheint es dem Autor verständlich zu sein, dass ein Ikonenkünstler idealerweise ein heiliger Mann ist, ein Mönch.

Alessandro Gnocchi ist auf seiner Pilgerreise vielen orthodoxen Mönchen begegnet und hält viel von ihnen. Er weist darauf hin, dass der östliche Priester und Mönch trotz all seiner Schwächen und Fehler immer noch ein Mann Gottes ist: Er ist geistlicher Führer und wirkt durch die Liturgie, durch die Sakramente und mit seinem geistlichen Rat.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Hier wird ein großer Kontrast zu den Priestern der katholischen Kirche deutlich. Erscheinen sie uns nicht häufig säkularisiert, bürokratisch, selbstsüchtig und eigennützig? Der Unterschied zur katholischen Kirche der Gremien und Sitzungen könnte tatsächlich kaum größer sein.

Orthodoxie ist keine Alternative für Katholiken

Ist die Orthodoxie für Katholiken wirklich eine attraktive Alternative? Gnocchis Ausführungen vermitteln dazu keine überzeugenden Argumente. Hinzu kommt, dass gelegentlich Sprache und Stil extravagant erscheinen und als besserwisserisch aufgefasst werden könnten. Er singt ein Loblied auf die Orthodoxie und lässt dabei manchmal Redlichkeit und Fairness außer Acht.

Sicherlich ist der Buchautor mit seinen Ansichten und seiner Meinung über den Zustand der katholischen Kirche nicht alleine. Viele Kritiker der „modernen“ katholischen Kirche werden ihm in weiten Teilen seines Buches vielleicht sogar zustimmen. Für sich haben sie aber eine andere Entscheidung für den Vollzug ihres Glauben gewählt.

Gnocchi ist einst für die überlieferte Liturgie eingetreten. Es sei deshalb noch betont, dass in der orthodoxen Kirche die göttliche Liturgie der vollkommenste Ausdruck des wahren Glaubens ist. Als Papst Benedikt XVI. der überlieferten Liturgie mit seinem Motuproprio Summorum Pontificum zu ihrem Recht verhalf, stellte der damalige Moskauer Patriarch fest: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Und: „Denn wenn wir die göttliche Liturgie angerührt hätten, hätten wir 70 Jahre Staatsatheismus in der UdSSR nie überleben können.“

Es ist fraglich, ob Gnocchis Buch der Tradition dient und hilfreich an ihrer Seite stehen kann. Es ist ein spaltendes Werk. Nicht immer sind schöne Sätze hilfreich. Vielleicht sind sie sogar entlarvend: „Der westliche Mensch, der einer geistlosen und unglücklichen Geschwätzigkeit erlegen ist, ist an diesem Punkt angelangt, die Worte völlig zu entstellen, er hat die Symbole verdunkelt und ist nicht mehr in der Lage, die Sprache Gottes zu verstehen.“

Fazit: Bei allem Verständnis für den Autor und seine Kritik an der katholischen Kirche, aber auch für die großen Bereicherungen, die jeder Christ in der Orthodoxie sehen kann, gilt: Als Katholiken können und dürfen wir nicht leugnen, dass ein Katholik, der seine Kirche verlässt, um zur Orthodoxie überzuwechseln, die schwere Sünde der Apostasie begeht.

Alessandro Gnocchi: Rückkehr zu den Quellen. Eine Pilgerfahrt nach Osten ins Herz der Orthodoxie; Edition Hagia Sophia 2024; 178 Seiten; ISBN: 978-3963211850.

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