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Die ursprüngliche Unschuld gemäß der „Theologie des Leibes“

Papst Johannes Paul II.

In der Katechese vom 30. Januar 1980 (veröffentlicht in L’Osservatore Romano 80/6) denkt Papst Johannes Paul II. über die „ursprüngliche Unschuld“ nach. Er legt – an das zuvor behandelte „Sich-Schenken“ zurückdenkend – dar, dass einzig die Liebe das Gute schaffe. Der Mensch, als Mann und Frau erschaffen, sei mit seinem Leib in der Liebe verwurzelt: „Dieses konsequente Sich-Schenken, das bis in die tiefsten Wurzeln des Unterbewusstseins, bis in die letzten Schichten der subjektiven Existenz beider, des Mannes und der Frau, hinabreicht und sich in ihrer gegenseitigen Leiberfahrung widerspiegelt, ist Zeugnis für die Verwurzelung in der Liebe.“

Die „ursprüngliche Glückseligkeit“ geht einher mit der „Verwurzelung in der Liebe“, der Anfang lasse sich als „ursprüngliches und beglückendes Freisein von der Scham aufgrund der Liebe beschreiben“: „Dieses Freisein führt uns zum Geheimnis der ursprünglichen Unschuld des Menschen. Sie ist ein Geheimnis seiner Existenz und geht der Erkenntnis des Guten und des Bösen voraus, ja besteht gleichsam ‚außerhalb‘ ihrer. Die Tatsache, dass der Mensch vor dem Bruch des ersten Bundes mit seinem Schöpfer auf diese Weise lebt, gehört zum vollen Verständnis des Schöpfungsgeheimnisses. Wenn, wie wir bereits gesagt haben, die Schöpfung ein Geschenk ist, das dem Menschen zuteil wurde, dann wird ihre Fülle und tiefste Dimension von der Gnade, das heißt von der Teilhabe am inneren Leben Gottes selbst, an seiner Heiligkeit, bestimmt.“

Diese Teilhabe ist das Fundament und die Quelle seiner „ursprünglichen Unschuld“, es ist der Zustand des Menschen vor der Ursünde. Den Leib bezeichnet Johannes Paul II. als den „Augenzeugen“ der Unschuld. Die „einmalige Aussage“, dass Mann und Frau nackt und bloß waren, aber frei von Scham, kehre in der ganzen Bibel nicht wieder, sehr viel öfter werde das Gegenteil berichtet – und Scham mit Schande in Verbindung gebracht.

Am Anfang hatte das Nacktsein nichts Beschämendes an sich: „Diese Unschuld gehört zu der im Schöpfungsgeheimnis enthaltenen Dimension der Gnade, das heißt zu jenem geheimnisvollen Geschenk, das dem Innersten des Menschen – dem menschlichen Herzen – zuteil wurde und beiden, Mann und Frau, im ‚Anfang‘ ein Sein in der gegenseitigen Beziehung selbstloser Hingabe an den anderen gestattet. Darin ist die Offenbarung und zugleich die Entdeckung des ‚bräutlichen‘ Sinnes des Leibes in seinem Mann- und Frausein enthalten. Man versteht, warum wir in diesem Fall von Offenbarung und von Entdeckung zugleich sprechen. Vom Standpunkt unserer Erklärung aus ist es wesentlich, dass die Entdeckung der bräutlichen Bedeutung des Leibes, von der wir in der Genesis lesen, sich durch die ursprüngliche Unschuld vergegenwärtigt; ja, diese Entdeckung ist es, die die letztere überhaupt enthüllt und offenkundig macht.“

Die „ursprüngliche Unschuld“ gehöre zum Geheimnis des Menschen am Anfang, von dem sich der Mensch dann durch die Ursünde trennt. Johannes Paul II. spricht dann vom „geschichtlichen“ Menschen: „Die ursprüngliche Unschuld ist also das, was radikal, d. h. von Grund auf, das Schamgefühl des Leibes in der Beziehung zwischen Mann und Frau ausschließt und es im Menschen, in seinem Herzen, d. h. in seinem Bewusstsein, überflüssig macht. Zwar spricht die ursprüngliche Unschuld vor allem von dem Geschenk des Schöpfers, von der Gnade, die es dem Menschen ermöglichte, den Sinn des vorrangigen Geschenkes in dieser Welt und besonders den Sinn des Sich-einander-Schenkens durch das Mann- und Frausein zu erleben; doch scheint sich diese Unschuld vor allem auf den inneren Zustand des menschlichen Herzens, des menschlichen Willens zu beziehen.“

Die Unschuld reicht also über die Sphäre der Geschlechtlichkeit hinaus: „Zumindest indirekt schließt sie die Offenbarung und Entdeckung des sittlichen Bewusstseins des Menschen ein, die Offenbarung und Entdeckung der gesamten Dimension des Gewissens – natürlich vor der Erkenntnis von Gut und Böse. Sie soll also gewissermaßen als ursprüngliche Rechtschaffenheit verstanden werden.“

Mit der „ursprünglichen Unschuld“ ist das „beseligende Wissen um die Bedeutung des Leibes“ verbunden, also um Männlichkeit und Weiblichkeit: „Es scheint durchaus berechtigt, dass hier diese ursprüngliche Unschuld als besondere Reinheit des Herzens aufgefaßt wird, die, der bräutlichen Bedeutung des Leibes entsprechend, eine innere Treue an das Geschenk bewahrt. Die so verstandene ursprüngliche Unschuld erweist sich infolgedessen als sicheres Zeugnis des Bewusstseins, das (in diesem Fall) jeder Erfahrung von Gut und Böse vorangeht; dennoch ist dieses ungetrübte Zeugnis des Bewusstseins um so beglückender. Ja, man kann sagen, das Bewusstsein von der bräutlichen Bedeutung des Leibes in seiner Männlichkeit bzw. Weiblichkeit wird nur durch dieses Zeugnis menschlich beglückend.“

Auf gewisse Weise behutsam tastend nähert sich Johannes Paul II. theologisch dem Begriff der Unschuld in Zusammenhang mit dem Leib an und zeigt damit die Schönheit, die aus der Bibel spricht, und so sehr im Gegensatz zu dem steht, was in späteren Zeiten und so auch heute über Sexualität und Liebe gedacht wird. Johannes Paul II. erinnert im Zusammenhang mit der „ursprünglichen Unschuld“ an die „Reinheit des Herzens“, die mitnichten romantische Phantasie, sondern biblische Wirklichkeit ist.

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