09 August, 2025 / 7:00 AM
Am 6. Mai 1981 – eine Woche vor dem Mordanschlag von Mehmet Ali Ağca auf dem Petersplatz vor Beginn der Generalaudienz – setzte Johannes Paul II. seine Katechesen über die „Theologie des Leibes“ fort und kam dabei auf das Ethos der Darstellung des Leibes in der Kunst zu sprechen. Der Papst wurde nicht müde, den sittlichen Ernst der Kunst zu betonen und an das Ethos zu erinnern, dem sich auch der Künstler verpflichtet fühlen sollte.
Mit dieser Betrachtung schließt Johannes Paul II. eine Reihe von Katechesen ab, die insbesondere auch der menschlichen Kultur gewidmet waren. Er fragt: „Darf der menschliche Leib ein solches künstlerisches Motiv sein, wo wir doch wissen, dass damit jene ‚Beliebigkeit‘ verbunden ist, die wir früher Anonymität genannt haben?“ Die Bibel erinnert an die „Würde des Menschen in seiner Leiblichkeit als Mann und Frau“, ebenso an die „Bedeutung des männlichen und weiblichen Körpers für die eheliche Verbindung der beiden Geschlechter, wie sie der inneren – und zugleich sichtbaren – Gesamtstruktur der menschlichen Person eigen ist“.
Jeder Künstler, so Johannes Paul II., besitzt auch eine ethische Verantwortung. Der Künstler befindet sich damit mit seinem Schaffen nicht in einer Art Paralleluniversum, das außerhalb aller Moral stünde: „In der Begegnung mit solchen Werken, bei der wir uns von ihrem Gehalt nicht zum ‚begehrlichen Blick‘ verleitet fühlen, von dem die Bergpredigt spricht, lernen wir gewissermaßen jene Bedeutung des Leibes für die eheliche Verbindung der beiden Geschlechter kennen, die Entsprechung und Maß der ‚Reinheit des Herzens‘ ist. Aber es gibt auch Kunstwerke und wahrscheinlich noch häufiger Reproduktionen, die im Bereich des persönlichen Empfindens des Menschen Ablehnung hervorrufen – nicht wegen ihres Gegenstandes, denn der menschliche Körper an sich besitzt immer eine unveräußerliche Würde, sondern wegen der Qualität bzw. der Art und Weise der Reproduktion, Verkörperung und künstlerischen Darstellung. Entscheidend für ein Urteil über jene Darstellungsweise oder Qualität können die verschiedenen Faktoren des Werkes oder der Wiedergabe sein wie auch vielfältige Umstände oft mehr technischer als künstlerischer Natur.“
Das persönliche Empfinden reagiere oft ablehnend oder mit Missbilligung, vor allem dann, wenn der Mensch und sein Leib „auf das Niveau eines Objektes“ reduziert werden.
Johannes Paul II. beruft sich auf die wertvolle und wegweisende Enzyklika Humanae vitae von Paul VI., der eine „Erziehung zur Keuschheit“ ebenfalls als unerlässlich erachtet hatte: „Man darf wohl sagen, dass dies eine grundlegende Dimension der menschlichen Kultur bildet, verstanden als Bejahung dessen, was alles Menschliche adelt. Deshalb haben wir diese kurzen Ausführungen dem Problem gewidmet, das man zusammenfassend das Problem des Ethos der Darstellung nennen könnte. Es handelt sich um die Darstellung, die den Menschen besonders ‚sichtbar macht‘ und die mehr oder weniger direkt verstanden werden will. Die gemeißelte oder gemalte Darstellung bringt den Menschen ‚sichtbar zum Ausdruck‘; in anderer Weise bringt ihn die Theateraufführung oder das Ballett, wieder anders der Film ‚sichtbar zum Ausdruck‘; auch das literarische Werk will auf seine Weise innere Bilder hervorrufen und bedient sich dabei des Reichtums der menschlichen Phantasie und Erinnerung. Was wir also hier als das ‚Ethos der Darstellung‘ bezeichnet haben, kann nicht losgelöst von der entsprechenden Komponente betrachtet werden, die man das ‚Ethos des Schauens‘ nennen müßte.“
Es gibt eine Verbindung zwischen dem „Ethos der Darstellung“ und dem „Ethos des Schauens“: „Echtes und verantwortliches künstlerisches Tun ist bestrebt, die Anonymität des menschlichen Leibes als wahlloses Objekt zu überwinden, indem es durch die schöpferische Kraft einen eigentümlichen künstlerischen Ausdruck für die Wahrheit über den Menschen in seiner Leiblichkeit als Mann und Frau sucht, die sozusagen dem Betrachter und in weiterem Sinn jedem Empfänger des Werkes als Aufgabe gestellt wird. Von ihm hängt es wiederum ab, ob er entschlossen ist, die Mühe aufzubringen, sich einer solchen Wahrheit zu stellen, oder ob er lediglich ein oberflächlicher Konsument der Eindrücke bleibt, also jemand, der die Begegnung mit dem anonymen Leib als Thema des Werkes bloß auf der Ebene der Sinne genießt, die eben wahllos auf ihr Objekt reagieren.“
Von heute aus dürfen wir uns fragen: Darf der Papst, darf die Kirche der Kunst Vorschriften machen? Die Freiheit der Kunst ist ein hohes Gut, aber sie findet dort ihre Grenze, wo sie die Würde des Menschen als Person verletzt. Wer von Gott her denkt und zum Denken anregen möchte, der sieht mit Johannes Paul II., dass Unterscheidungen und Grenzlinien nötig sind. Die Würde der menschlichen Person ist unantastbar – und wenn diese Würde in Werken der Kunst angetastet wird, ist es Aufgabe und Auftrag der Kirche, dies zu benennen. Im Weiteren ist es notwendig, auf die Konsequenzen hinzuweisen, insbesondere dann, wenn pornographische Darstellungen etwa als vermeintliche Aufklärung vorgestellt werden.
Überall dort, wo der Leib des Menschen auf ein Objekt reduziert wird, ist der Widerspruch der Kirche geboten – und Johannes Paul II. erinnert daran auf unverwechselbare, eindrückliche Weise. In einem ganz einfachen Sinne katholisch gesprochen: Der Papst ist der Fels, und der Fels, auf dem die Kirche gegründet ist, kommt seiner Verantwortung nach, auch und gerade in der Morallehre.
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