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Warum muss ich eigentlich am Sonntag in die Kirche gehen?

Gläubige bei der Eucharistiefeier

Bestimmt kennen Sie diese Frage. Im Grunde fehlt in der Kirche doch oft die Andacht. Schenkt Gottes Schöpfung, die Natur, nicht viel reizvollere Freiräume für ein inniges Gebet? Oder bleibt ein gläubiger Mensch nicht am besten zu Hause, betet dort mit Hingabe? In den Protestwellen der Nachkonzilszeit hieß es dann: "Jesus ja – Kirche nein." Das wurde kultiviert, eingeübt und praktiziert, bis aus dem grummelnden Aufruhr eine schlechte katholische Gewohnheit wurde.

Die Sonntagsgottesdienstabstinenz bei den protestantischen Christen ist bekanntlich noch größer: So viele bleiben fern, sie sind so frei. In der katholischen Kirche gab es irritierende Umbrüche und vermeintliche Aufbrüche. Auch das "Neue Geistliche Lied" und der Novus Ordo bewirkten nicht Besinnung und Umkehr: "Danke für diesen guten Morgen …?" – Vielleicht dichtete mancher dann am Sonntag weiter: "Danke, ich bleib' so gern zu Haus' …"

Die Frage: "Warum muß ich eigentlich am Sonntag in die Kirche gehen?" stellte der Liturgietheologe Josef Andreas Jungmann im Jahr 1947. Diese Indifferenz gegenüber der Sonntagsmesse beobachtete er damals besonders bei jungen Menschen. Er fragte sodann weiter: "Warum muß ich gerade zur katholischen Kirche gehören? Ich kann doch auch ohne die Kirche ein anständiger Mensch, ein Ehrenmann, ja vielleicht sogar ein guter Christ sein."

Diese Haltung dauert bis heute fort. Manche sehen darin eine aufgeklärte Haltung, eine gewisse Skepsis gegenüber der Institution Kirche und eine Form von Mündigkeit. Besteht in diesem Selbstbewusstsein nicht sogar eine vornehme Distanz, ja eine liberale Weltoffenheit und eine integrative Form des Kulturchristentums, das am Ende jede Glaubensweise, Glaubensform und Glaubenslosigkeit verknüpfen und in eine zeitgenössische kulturchristliche Buntheit einkleiden kann?

Wer zu keiner Kirche mehr bewusst gehört, kann sich gottesdienstlich überall wohlfühlen, ob zu Hause, in der Natur, in dieser oder jener Kirchengemeinschaft oder vielleicht auch in einem Tempelbau einer anderen verführerischen Religionsgruppe. Das religiöse Patchwork wächst und gedeiht, alles wird verknüpft, was in der Lebenswirklichkeit und Lebensweltlichkeit vorhanden ist. Genügt es nicht, wie Jungmann referiert, einfach ein guter Christ ohne Kirche zu sein? Ehrenmänner, zeitgeistlich gesprochen: Ehrenmenschen, irgendwie schon christlich, aber ohne diese störende Kirche? Der Theologe findet 1947 dafür keine schmeichelhaften Worte, sondern eine scharfe Erwiderung: "Solche Menschen stehen bewußtseinsmäßig auf dem Boden der in den Zeiten des Dritten Reiches einst hochgepriesenen »Gottgläubigkeit«. Theologisch ausgedrückt: Es fehlt ihnen, abgesehen von der Frage, ob hier überhaupt noch von einem Glauben die Rede sein kann, jedenfalls vollständig das Bewußtsein vom übernatürlichen Charakter des Christentums." Jungmann sieht darin auch die Konsequenz des liberalen Christentums, in dem Christus auf den Künder einer höheren Sittlichkeit reduziert sei, der die Ideale der Bergpredigt vertreten habe. Andere sähen in ihm den Boten einer besseren Philosophie, Varianten einer neuen Gnosis: "Am Stande des Menschen wäre damit nichts geändert, Sakrament, Priestertum und Kirche wären überflüssig; denn eine Wiedergeburt zu neuem Leben in Gott findet nicht statt oder geschieht nur in übertragenem Sinne auf dem Weg der Erleuchtung und Erkenntnis. Die Übernatürlichkeit des Christentums wäre auch so vollkommen erkannt."

Dies könnte gegen die nächstbeste Weltanschauung zur Lösung aller Lebensrätsel eingetauscht werden. Laue Christlichkeit und Neuheidentum sind einander verwandt. Auf den Begriff des Übernatürlichen, so Jungmann, komme es nicht an: "Aber es muß deutlich werden, daß uns Gott im Christentum weit mehr geschenkt hat, als wir hätten beanspruchen können; daß er die Menschennatur, die er wunderbar geschaffen, in Christus noch wunderbarer wiederhergestellt hat; daß im Gottmenschen aufgeleuchtet ist, zu welcher Würde Gott uns berufen hat … daß der Name »Christ« nichts anderes besagen will als einen Menschen, der in solcher Weise zu Christus gehört; daß die Kirche die Gemeinschaft derer ist, die Anschluß an Christus gefunden haben und auf seinen Spuren die ewige Heimat suchen; daß aber auch kein anderer Weg ist, auf dem wir Gott finden können, als dieser eine Höhenweg, der uns in Christus eröffnet ist; daß das Reich Gottes darum der Schatz im Acker ist, für den man alles darangeben müßte, die kostbare Perle, für die man alles verkaufen müßte. Wer das begriffen und zur Richtschnur seines Handelns gemacht hat, der hat bewußtes Christentum." (Josef Andreas Jungmann: Bewußtes oder unbewußtes Christentum? (1947), in: Liturgisches Erbe und pastorale Gegenwart, Innsbruck 1960, 425-436)

Vielleicht müssen wir uns das heute neu vergegenwärtigen: Wir feiern sonntags die heilige Messe mit. Wir könnten natürlich auch anderes unternehmen. Aber wollen auch wir gehen? Entspannt wegbleiben? Auch wenn uns Jungmanns Worte nicht immer und ständig bewusst sind, im Alltag oder am Sonntag, beugen wir doch die Knie vor dem Herrn, in Demut und Dankbarkeit, in all unserem Ungenügen und unserer Schwäche. Wir wissen zuinnerst: Der Feier der heiligen Messe am Sonntag ist nichts vorzuziehen. Wenn wir uns fragen: Muss ich am Sonntag zur Kirche gehen? –, könnten wir uns selbst antworten: Ich darf am Sonntag die heilige Messe mitfeiern und kann mir nichts Schöneres vorstellen.

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