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Von der Dornenkrone in Paris zur Corona der ganzen Welt

Collage von Schwester Michaela Mayer vom Kloster Brandenburg an der Iller.

Eine gestreamte Predigt für Kommunionkinder, die nicht zur Erstkommunion kommen konnten.

Liebe Brüder und Schwestern!

Vor fast genau einem Jahr fuhren uns allen - lange vor Corona - mulmige Gefühle in die Glieder, die nach Endzeit, Weltuntergang, zumindest nach unheimlicher Erschütterung aller Sicherheiten rochen. Es war, als eines Abends die Bilder vom Feuer in der Pariser Kathedrale Notre Dame um die Welt gingen.

Die Katastrophe im und um das Weltkulturgut, die symbolische Wirkung der Zerstörung einer solchen Kirche zeitgleich zum abbrennenden christlichen Abendland, das selbst einige seiner prominentesten Vertreter für nicht mehr sanierungsfähig halten, dieser Stich in das Herz ihrer Identität löste abgründige Trauer bei den Katholiken Frankreichs und in der ganzen Welt aus über den Schaden, der dort entstanden war. Noch immer, so vernehmen wir, ist das Schicksal des berühmten Gotteshauses unsicher.

Bald nach den ersten Berichten vom Unglücksort wurde damals eine Meldung bekannt, die diejenigen aufhorchen ließ, die in Notre Dame nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, ein kulturelles Highlight des Hochmittelalters oder einen Tourismusmagneten erblicken, sondern das, was Notre Dame in erster Linie ist: die steinerne Hülle einer der wichtigsten Reliquien der Christenheit, der Dornenkrone Christi, die in der Apsis der Kirche verehrt wird.

 "Die Dornenkrone ist gerettet!" lautete eine Textnachricht, die ich schon sehr bald nach Ausbruch des Feuers von einem Freund bekam. Und eine Zeit später war auch klar, dass kein Menschenleben zu Schaden gekommen war.

Aber was geschah eigentlich mit dem Allerheiligsten im Tabernakel der brennenden Kirche? Hatte man den Leib des Herrn sich selbst überlassen? War er noch wichtig in dem Chaos und gab es überhaupt einen Gedanken an die Eucharistie inmitten der Feuersbrunst?

Eine Frage, die sich vielleicht heute am Weißen Sonntag, an dem eigentlich unsere Kinder und viele Erstkommunikanten zum ersten Mal den Leib der Herrn empfangen sollten, besonders stellt, weil uns dieser Tag aufs Neue an den Wert und die Größe der Gegenwart Christi im Altarssakrament erinnert und daran, dass Menschen aller Jahrhunderte den größtmöglichen Aufwand getrieben haben, den Leib des Herrn zu umhüllen, ihn zu verehren und ihn mit Ehrfurcht zu empfangen.

So wie unsere Kinder es gelernt haben, bekennt der Glaube der Kirche ja seit den Anfängen, dass der Herr selbst zugegen ist, wenn bei der Heiligen Messe Sein Gedächtnis gefeiert wird. Eben nicht nur ein Symbol für Ihn, sondern Er selbst mit Fleisch und Blut, verborgen unter den äußeren Gestalten von Brot und Wein.

Deswegen also die gute Frage: Was geschah in Paris mit dem Allerheiligsten in der brennenden Kathedrale?

Es wird uns diesbezüglich von einem erstaunlichen Vorgang berichtet, den der Seelsorger der Pariser Feuerwehr, Abbé Jean-Marc Fournier, dem katholischen TV-Sender "KTO" geschildert hat.

"Ich bin Priester Fournier, Hauptkaplan der Pariser Feuerwehr," so der Geistliche, "und ich war der diensthabende Kaplan am 15. April, als ein außergewöhnlicher Brand die Kathedrale Notre-Dame heimsuchte.

Da ich Dienst hatte, wurde ich an Ort und Stelle gerufen, und es mussten sofort zwei Dinge getan werden: Diesen wertvollen Schatz, die Dornenkrone, zu retten, und natürlich ebenso unseren Herrn, der im Allerheiligsten Sakrament gegenwärtig ist.

Als ich die Kathedrale betrat, gab es noch wenig Rauch und fast keine Hitze, aber wir bekamen eine Vorstellung davon, wie die Hölle sein könnte: Das Feuer fiel wie ein Wasserfall aus den Öffnungen des Daches herab, weil nicht nur der Spitzturm herabgefallen war, sondern das Feuer auch von weiteren kleineren Trümmern im Chorraum kam.

Ich wurde von einem leitenden Offizier begleitet. Die Schwierigkeit bestand darin, jemanden zu finden, der den Code zu dem Safe hat, in dem die Dornenkrone aufbewahrt war. Das hat uns viel Zeit gekostet, und während dieser Suche nach dem Code versuchte ein Team von Feuerwehrmännern, den Safe aufzubrechen. Sie konnten den Safe gerade aufbrechen, als ich den Code bekam. Die Reliquie wurde dann aus dem Gebäude geholt und von Polizeibeamten bewacht.

Jeder weiß, dass die Dornenkrone eine absolut einzigartige und außergewöhnliche Reliquie ist, aber das Allerheiligste ist unser Herr, der wirklich in Seinem Leib, Seiner Seele, als Gott und Mensch gegenwärtig ist, und Sie verstehen, dass es schwer wäre, jemanden, den Sie lieben, in den Flammen umkommen zu sehen.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Als Feuerwehrmänner sehen wir oft Opfer von Feuern, und wir kennen die Auswirkungen. Deshalb wollte ich vor allem die wirkliche Gegenwart unseres Herrn Jesus-Christus beschützen. [...] Die Zeit, als das Feuer den nördlichen Glockenturm angriff und wir anfingen zu befürchten, ihn zu verlieren, war genau der Zeitpunkt, an dem ich das Allerheiligste Sakrament rettete. Und ich wollte nicht einfach mit Jesus weggehen, sondern ich nutze die Gelegenheit, um mit dem Allerheiligsten Sakrament den Segen zu spenden. Hier stehe ich völlig allein in der Kathedrale, inmitten der brennenden Trümmer, die von der Decke herabfallen und ich flehe zu Jesus, uns zu helfen, sein Zuhause zu retten. Wahrscheinlich war es sowohl dies wie auch der hervorragende Einsatz der Feuerwehrmänner, was das Feuer dann beendete. "

An diesem Weißen Sonntag, liebe Brüder und Schwestern, wo wir nach der Feier der Auferstehung mit den ersten Zweifeln der Jüngerschaft Christi konfrontiert werden, und belehrt zu werden, dass es seliger ist zu glauben ohne zu sehen, als nur seinen Augen zu trauen, ist die Schilderung des französischen Priesters mehr als vielsagend, ganz besonders in diesem Jahr, wo wir noch kürzlich den Heiligen Vater vor einem menschenleeren Petersplatz die Stadt Rom und den ganzen Erdkreis mit dem Allerheiligsten segnen gesehen haben – das Kreuzzeichen mit der Monstranz über eine in sich zusammenfallende Welt

Im Sakramentalen Segen in der leeren brennenden Kathedrale und auch in dem Segen des Papstes mit der Allerheiligsten auf dem entvölkerten Petersplatz spricht sich jenes Urvertrauen in Christus aus, das die Apostel fähig gemacht hat, bis an die Enden der Erde zu gehen und die Auferstehung Christi zu verkünden.  

Es liegt darin ein bewegendes Zeugnis für die wirkliche Gegenwart des Herrn in der Eucharistie. Denn für ein Symbol hätte Abbé Fournier nicht sein Leben riskieren müssen. Für den real gegenwärtigen Christus hat es getan. Und er hat in der Brandhölle der einstürzenden Kathedrale den Segen mit dem Sakrament gegeben in dem Zutrauen, dass es in diesem Moment der Auferstandene war, der Seinen Segen gab. So wie Er, der Auferstandene auch jetzt in unserer Mitte ist in dieser bedrängten Zeit. Es kommt darauf an, an Ihn glauben, auch wenn wir Ihn nicht sehen.

Es ist zu wünschen, dass jeder von uns von diesem Glauben an die Gegenwart und die Wirkmacht des auferstandenen Christus am heutigen Tag neu beseelt wird. Damit auch wir bestehen können in den Höllen unserer Tage, inmitten der einstürzenden Mauern, einer einst für standfest gehaltenen Gesellschaft.

Weil wir Christus in der Mitte aller Zerstörungen wissen, der uns segnet und den Frieden schenkt, wenn wir an Ihn glauben, auch wenn wir Ihn nicht greifen und betasten können wie Thomas.

Sein Unglaube tat ihm leid, als er vor dem Herrn auf die Knie fiel und Ihm erschüttert und berührt huldigte, voller Reue über das mangelnde Vertrauen, das ihn davon abgehalten hatte, dem Zeugnis seiner Freunde zu glauben.

Sein Ausruf, der ihm dabei entglitt, ist seither aller Welt bekannt und wurde durch die Zeiten gereicht. Er sollte auch in unserem Herzen einen festen Platz erhalten, wenn wir das Allerheiligste erblicken, in dem der Auferstandene in unsere Mitte tritt, weshalb wir mit Glauben und Vertrauen bekennen dürfen, ohne zu sehen: "Mein Herr und mein Gott!" Amen.

Dr. Guido Rodheudt ist Pfarrer von St. Gertrud in Herzogenrath und Gründer des "Netzwerks katholischer Priester".

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