Budapest, 30 April, 2023 / 11:20 AM
Papst Franziskus hat sich bei seiner Predigt bei der einzigen öffentlichen Messfeier im Rahmen seiner Ungarn-Reise am Sonntag ganz am Bild von Jesus Christus als dem guten Hirten orientiert, wie es das Tagesevangelium vorgibt. Christus rufe die Seinen zuerst, bevor er sie dann hinausführe.
„Am Anfang unserer Heilsgeschichte stehen nicht wir mit unseren Verdiensten, unseren Fähigkeiten, unseren Strukturen“, betonte der Pontifex auf dem Lajos-Kossuth-Platz unmittelbar neben dem ungarischen Parlament vor tausenden Gläubigen. Am Anfang stehe vielmehr „Gottes Ruf, sein Wunsch, uns zu erreichen, seine Sorge um jeden einzelnen von uns, die Fülle seiner Barmherzigkeit, die uns von Sünde und Tod erlösen will, um uns Leben in Fülle und unendliche Freude zu schenken“.
Bis zum heutigen Tag rufe der Herr „uns in jeder Lebenssituation, bei allem, was wir in unseren Herzen tragen, in unseren Verwirrungen, in unseren Ängsten, im Gefühl der Niederlage, das uns manchmal überkommt, im Gefängnis der Traurigkeit, das uns gefangen zu halten droht. Er kommt als der Gute Hirte und ruft uns beim Namen, um uns zu sagen, wie wertvoll wir in seinen Augen sind, um unsere Wunden zu heilen und unsere Schwächen auf sich zu nehmen, um uns in Einheit in seinem Schafstall zu sammeln und uns mit dem Vater und miteinander vertraut zu machen.“
„Wir Christen, die wir alle vom Guten Hirten beim Namen gerufen wurden, sind dazu berufen, seine Liebe anzunehmen und weiterzugeben und dafür zu sorgen, dass in seinem Stall alle einen Platz haben und niemand außen vor bleibt“, sagte Franziskus und bezeichnete dies als „Katholizität“.
Neben dem Ruf gebe es im Evangelium noch den Aspekt des Hinausführens, so Papst Franziskus im zweiten Hauptteil seiner Predigt: „Zuerst werden wir in Gottes Familie zusammengerufen, so dass wir zu seinem Volk werden, dann jedoch werden wir in die Welt gesandt, damit wir mutig und ohne Angst zu Verkündigern der Guten Nachricht werden, zu Zeugen der Liebe, die uns erneuert hat.“
„Einerseits ist Jesus die Tür, die sich weit aufgetan hat, um uns in die Gemeinschaft des Vaters eintreten und seine Barmherzigkeit erfahren zu lassen“, sagte der Papst, „aber wie jeder weiß, ist eine offene Tür nicht nur zum Eintreten da, sondern auch dazu, den Ort zu verlassen, an dem man sich befindet. Und so ist Jesus, der uns in die Umarmung Gottes und in den Schafstall der Kirche zurückgeführt hat, die Tür, die uns in die Welt hinausgehen lässt: Er drängt uns, unseren Brüdern und Schwestern entgegenzugehen.“
Das Kirchenoberhaupt rief die Gläubigen auf, daran zu denken, dass alle aufgerufen seien, „unsere Komfortzone zu verlassen und den Mut zu haben, uns zu allen Randgebieten zu begeben, die das Licht des Evangeliums brauchen“.
Im Bild bleibend, beklagte Franziskus verschlossene Türen, etwa „die verschlossenen Türen unseres Egoismus gegenüber denen, die jeden Tag neben uns hergehen; die verschlossenen Türen unseres Individualismus in einer Gesellschaft, die in Einsamkeit zu verkümmern droht; die verschlossenen Türen unserer Gleichgültigkeit gegenüber denen, die in Leid und in Armut leben; die verschlossenen Türen gegenüber den Fremden, den Anderen, den Migranten, den Armen. Und sogar die verschlossenen Türen unserer kirchlichen Gemeinschaften: Verschlossen gegenüber den jeweils anderen Gemeinschaften, verschlossen gegenüber der Welt, verschlossen gegenüber denen, die ‚aus der Reihe tanzen‘, verschlossen gegenüber denen, die sich nach der Vergebung Gottes sehnen.“
„Bitte: Öffnen wir die Türen!“, forderte der Papst. „Versuchen auch wir, wie Jesus zu sein – in unseren Worten, Gesten und täglichen Aktivitäten: eine offene Tür, eine Tür, die niemandem vor der Nase zugeschlagen wird, eine Tür, durch die jeder eintreten und die Schönheit der Liebe und Vergebung des Herrn erfahren kann.“
Gebet des Regina caeli
Nach der Messfeier betete Papst Franziskus mit den anwesenden Gläubigen das Regina caeli, das in der Osterzeit den Angelus ersetzt. In seiner kurzen Ansprache sagte er: „Nun, da ich im Begriff bin, nach Rom zurückzukehren, möchte ich Ihnen, meinen Mitbrüdern im Bischofsamt, den Priestern, den gottgeweihten Männern und Frauen und dem ganzen geliebten ungarischen Volk meinen Dank für die Gastfreundschaft und die Zuneigung aussprechen, die ich in diesen Tagen erfahren habe.“
Der Papst erklärte, er vertraue der Muttergottes, „der Magna Domina Hungarorum, die ihr als Königin und Patronin anruft“, alle Menschen von Ungarn an.
„Und von dieser großen Stadt und diesem großartigen Land aus möchte ich ihrem Herzen den Glauben und die Zukunft des gesamten europäischen Kontinents, dessen ich in diesen Tagen gedacht habe, anvertrauen, insbesondere das Anliegen des Friedens“, fuhr der Pontifex fort. „Heilige Jungfrau, schau auf die Völker, die am meisten leiden. Sieh besonders auf das gepeinigte ukrainische Nachbarvolk und auf das russische Volk, die dir geweiht sind. Du bist die Königin des Friedens, wecke in den Herzen der Menschen und der Verantwortlichen der Nationen den Wunsch, Frieden zu schaffen, und den jungen Generationen eine Zukunft der Hoffnung und nicht des Krieges zu bieten; eine Zukunft voller Wiegen und nicht voller Gräber; eine Welt der Geschwisterlichkeit und nicht der Mauern.“
„Wir bitten dich für die Kirche in Europa, dass sie die Kraft des Gebets wiederfinde, dass sie in dir Demut und Gehorsam, den Eifer im Zeugnisgeben und die Schönheit der Verkündigung wiederentdecke“, betete Franziskus. „Dir vertrauen wir diese Kirche und dieses Land an. Du, die du angesichts deines auferstandenen Sohnes frohlockt hast, erfülle unsere Herzen mit seiner Freude.“
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