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Bischof Ipolt bei Sommerakademie in Aigen: „Wir sind lau geworden“

Bischof Wolfgang Ipolt
Gerhard Wagner

„Wir sind lau geworden“, konstatierte der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt in seiner Predigt bei der diesjährigen Internationalen Theologischen Sommerakademie der Kardinal-Scheffczyk-Gesellschaft im österreichischen Aigen. „Die Würze des Evangeliums ist abhanden gekommen.“

Als maßgebliche Ursache für diese kirchliche Entwicklung machte der ostdeutsche Bischof weder den Missbrauchsskandal noch die Kirchensteuer aus, sondern: „Christsein wird kaum noch als Jüngerschaft verstanden.“ Aber es genüge nicht, aus Tradition der Kirche anzugehören. „Nötig ist ein persönliches und entschiedenes Ja zum Glauben an Jesus Christus!“

In die jeweils eigene Berufung finde der Mensch, „wenn er eine Beziehung zu Jesus Christus und den Weg in die Nachfolge gefunden hat“, betonte Diaspora-Bischof Wolfgang Ipolt. Die Teilnehmer der Internationalen Theologischen Sommerakademie forderte er auf: „Bieten Sie Orte der praktischen Einübung des Glaubens an.“

Pfarrer Gerhard Wagner erinnerte bei der Sommerakademie an den Dauerauftrag, den der Herr an seine Jünger gerichtet habe: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“

Heute müsse jeder einzelne Christ auskunftsfähig auf die Botschaft Jesu Christi sein, wenn er nach dem Glauben an Gott und nach der Wahrheit über den Menschen gefragt werde: „Wenn wir heute beklagen, dass eine Demontage des katholischen Weltbildes im Gang ist, dann ist nicht Christus auf der Verliererstraße, sondern der Mensch, denn das, was jeder persönlich für sich erkennt, wird zum Maßstab.“

Ein Problem mit der Kirche hätten die Menschen meistens dann, wenn sie nicht bereit sei, ihre eigene Überzeugung zu teilen und zu verkünden. Folglich müsste die Kirche viele Lehren gleichzeitig vertreten und jeden Tag ihre Meinung ändern. Wagner erklärte: „Weil das nicht geht, machen wir es anders: Wir teilen den Glauben der Kirche und bezeugen ihn in Wort und Tat.“

An Jesus Christus glauben heiße, mit ihm in einer lebendigen Beziehung zu stehen und eine Lebensgemeinschaft mit ihm zu pflegen. Die Gemeinschaft mit Jesus Christus bleibe nur lebendig, wenn die Menschen immer wieder die Begegnung mit ihm suchen: durch das tägliche Leben aus den Sakramenten, besonders in der Eucharistie und im Beichtsakrament, durch das persönliche, innere und betrachtende Gebet, durch die eucharistische Anbetung, beim gläubigen Lesen der Heiligen Schrift. So lasse man dem Leben mit Christus die nötige Nahrung zukommen, um den christlichen Glauben als wahr, gut und schön zu erfahren.

„Ganz anders ist es, wenn Konsumismus und die Vergnügungsindustrie den Menschen von sich selbst entfremden, von den anderen und vor allem auch von Gott.“ Wo Gott aus dem Leben des Menschen verschwinde, setze sich der Mensch selbst an die Stelle Gottes. Dort, wo die Wahrheit als Leitprinzip aufgegeben werde, bleibe der Mensch der „Maßstab aller Dinge“ und riskiere damit seinen Untergang.

„Das, was wir in unserer Zeit brauchen, um Nahrhaftes in der Kirche zu entdecken, ist nicht ein unverbindliches Gerede, sondern das klare und verbindliche Aussprechen der Wahrheit.“ Die Kirche sei in Wahrheit dann zeitgemäß, wenn sie der Welt den Anspruch der geoffenbarten Wahrheit verkündet, sodass sie gerade das sagen muss, was die Welt sich nicht selber sagen kann und leider oft auch nicht hören will.

Wagner sagte: „Wenn es stimmt, dass Christen einen Gott bekennen, der sich geoffenbart hat, dann müssen wir gar keine Technik lernen, damit wir uns Gott nähern, sondern nur unser Herz für ihn öffnen.“

Manche, die die Kirche stets kritisieren, hätten immer noch nicht begriffen, dass es für die Kirche unaufgebbare Wahrheiten gebe, die Gott selbst verfügt habe. „Daran werden auch die vielen Kirchenaustritte nichts ändern, die uns ebenso die Überzeugung nicht rauben können, dass Gott zu seiner Kirche steht.“

Angesichts der vielen Umbaupläne von selbsternannten Innenarchitekten für die Kirche „sollen wir endlich verstehen, dass der rechte Ansatz für eine Reform der Kirche nicht das ist, was die Welt nach gesellschaftlichen Kriterien fordert, sondern was Gott von uns will“, sagte der Pfarrer.

„Solange wir auch in der Kirche nicht auf die Umkehr der Menschen, sondern auf die Änderung der Strukturen gerichtet sind, werden die Probleme, die die Menschen in Zukunft haben, noch größer. Die Kirche muss die Wahrheit anbieten, auch wenn noch so sehr dagegen aufgeheult wird.“
Wenn Jesus sagte, er sei „das Brot des Lebens“, betonte er damit, dass er die ultimative Quelle für geistliche Nahrung sei.

Pater Johannes Nebel FSO, der Leiter des Leo-Scheffczyk-Zentrums in Bregenz, wagte sich an das schwierige Thema von Tradition und Fortentwicklung heran. Das größte Hindernis nannte er gleich zu Anfang beim Namen: „In Glaubensfragen gilt die inhaltliche Authentizität nicht mehr uneingeschränkt als das maßgebende Leitprinzip. Bisweilen überwiegt die Tendenz zu aktueller gesellschaftlicher Opportunität.“ Sowohl von konservativer als auch von progressiver Seite werde nicht immer in lauterer Weise gedacht und gehandelt. „Das führt zu Polarisierungen und Verunsicherungen.“

Dann aber breche mit der „Treue im Glauben“ die gemeinsame Basis zur Verständigung weg, obwohl an dieser Basis festzuhalten sei. Wer heute in Verkündigung und Seelsorge stehe, müsse daher einen ungeheuren und immer größer werdenden Spagat aushalten.

„Die Treue im Glauben verweist uns Christen auf die Heilige Schrift, die grundlegende Norm des Glaubens. Was der Bibel widerspricht, kann nicht wahrer christlicher Glaube sein.“ Damit die Heilige Schrift als oberste Norm des Glaubens richtig verstanden werde, müsse ihre Auslegung einer epochenübergreifenden Kontinuität entsprechen. Das sei das Prinzip der Tradition.

(Die Geschichte geht unten weiter)

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Nötig war auch die Feststellung: „Die Vollmacht des Lehramtes üben alle Bischöfe ständig zusammen aus – sowohl unter dem Papst als auch in Gemeinschaft mit dem Papst. Nicht, was ein einzelner Bischof sagt, sondern was übereinstimmend von allen gelehrt wird, ist maßgeblich.“

Was kirchliche Amtsträger zu Gliedern der Hierarchie mache, sei die Eingliederung in die apostolische Sukzession – die ununterbrochene Amtsnachfolge bis in apostolische Zeiten und daher bis zu Jesus Christus selbst. Der ständige Blick auf Jesus Christus sei daher ein ganz wichtiges geistliches Kriterium für die Treue zum Glauben.

Die apostolische Tradition war für Kardinal Scheffczyk „die Lebensader der Kirche, die nicht dem Einfluss von Gruppeninteressen, von exzentrischen Pressionsgruppen, von staatlicher Gewalt und – heute – der unkontrollierten Macht der Presse preisgegeben werden darf“. Dies mache die Freiheit der Kirche aus. Die Gegenwart des kirchlichen Lebens in Kontinuität zu halten zum apostolischen Ursprung, darin bestehe die primäre Aufgabe der kirchlichen Hierarchie, betonte der Leiter des Leo-Scheffczyk-Zentrums in Bregenz.

Der Apostel Paulus leite das Zentrum seiner Verkündigung, die Osterbotschaft, ein: „Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe“ (1 Kor 15,3). Und seinen Schüler Timotheus ermahnt Paulus: „Bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast“ (2 Tim 3,14).

Das Traditionsprinzip bildet bereits im Neuen Testament ein entscheidendes Kriterium der Treue zur Wahrheit. Die Zeitumstände, in denen sich kirchliches Leben verwirklicht, ändern sich ständig. „Dabei glauben wir fest, dass der Heilige Geist, der die Kirche nie verlässt, sie durch diese Änderungen führt. Er wirkt dafür aber nicht nur in den Gliedern der Hierarchie, sondern in allen Gläubigen.“

„Kirchliche Tradition ist kontinuierliche Entwicklung, sie besagt kein stagnierendes Stehenbleiben“, so Nebel. „Meist bleibt es dem Wirken des Heiligen Geistes überlassen, wie sich das gutgeheißene Neue im Leben der Kirche verbreitet. Ein besonderer Fall von Entwicklungen der Tradition liegt darin, wenn sie von der kirchlichen Hierarchie verbindlich vorgeschrieben werden, hauptsächlich in dogmatischen Lehrentscheidungen, ansonsten in seltenen positiven Aufbrüchen. Beispiele sind die Einführung liturgischer Feste, etwa des Fronleichnamsfestes oder der Herz-Jesu-Verehrung. Ihnen geht ein mehr oder weniger langer Prozess der Reifung voraus.“

Davon zu unterscheiden sei eine Verhaltensweise mancher Vertreter der Hierarchie, die erst in neuerer Zeit vermehrt auftrete: nämlich in bestimmten Punkten nicht als Ergebnis der langen Prüfung eines Neuaufbruches, sondern aus eigener Initiative den Gang der Tradition durch ein entsprechendes Dekret in eine neue Richtung zu lenken.

Eine solche Vorgehensweise der Hierarchie, neben der Beseitigung von Missbräuchen aus freier Initiative Änderungen zu dekretieren, scheine für die längste Zeit der Kirchengeschichte kaum nachweisbar zu sein. Dann aber, beginnend mit Papst Pius X., und darauf in einer Aufeinanderfolge bedeutender und weitgehend heiliger Päpste sei sie immer prägender geworden. „Die treue Anhänglichkeit an deren Ergebnisse empfindet man heute allgemein als gut katholisch.“

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