Kairo, 29 April, 2017 / 11:10 AM
Im Rahmen seiner Ägyptenreise hat Papst Franziskus am 29. April in Kairo die Heilige Messe gefeiert.
CNA dokumentiert die Predigt des Papstes in der offiziellen Übersetzung, wie sie der Heilige Stuhl zur Verfügung gestellt hat.
Al Salamò Alaikum. / Der Friede sei mit euch!
Das heutige Evangelium des dritten Sonntags der Osterzeit berichtet uns vom Weg der beiden Emmausjünger, die Jerusalem verließen. Ein Evangelium, das sich in drei Worten zusammenfassen lässt: Tod, Auferstehung und Leben.
Tod: Die beiden Jünger kehren enttäuscht und hoffnungslos in ihren Alltag zurück. Der Meister ist tot, daher ist es sinnlos zu hoffen. Sie waren orientierungslos, ernüchtert und enttäuscht. Ihr Weg ist ein Davonlaufen; ein Sich-Entfernen von der schmerzlichen Erfahrung des Gekreuzigten. Die Krise des Kreuzes, ja das »Ärgernis« und die »Torheit« des Kreuzes (vgl. 1 Kor 1,18.23), scheint all ihre Hoffnung begraben zu haben. Er, auf den sie ihre Existenz aufgebaut hatten, ist gestorben, er ist besiegt und hat alle ihre Erwartungen mit sich ins Grab genommen.
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Sie konnten es nicht glauben, dass der Meister und Heiland, der Toten auferweckt und Kranke geheilt hatte, am Schandkreuz enden könnte. Sie konnten nicht begreifen, warum der allmächtige Gott ihn nicht vor einem solch schändlichen Tod gerettet hatte. Das Kreuz Christi war das Kreuz für ihre Vorstellungen über Gott; mit dem Tod Christi war das gestorben, wovon sie dachten, dass es Gott wäre. Denn sie waren die Toten im Grab ihres begrenzten Verstehens.
Wie oft lähmt sich der Mensch selbst, wenn er sich weigert, seine Vorstellung von Gott – nämlich eines Gottes, der nach dem Bild des Menschen und ihm ähnlich geschaffen ist – zu überwinden. Wie oft verzweifelt er, wenn er sich weigert zu glauben, dass die Allmacht Gottes nicht Allmacht der Gewalt, der Autorität bedeutet, sondern allein Allmacht der Liebe, der Vergebung und des Lebens!
Die Jünger erkannten Jesus, »als er das Brot brach«, an der Eucharistie. Wenn wir uns den Schleier nicht abreißen lassen, der unsere Augen verdunkelt, wenn wir uns die Verhärtung unserer Herzen und unserer Vorurteile nicht aufbrechen lassen, werden wir nie das Antlitz Gottes erkennen.
Auferstehung: Im Dunkel der finstersten Nacht, in der zutiefst erschütternden Verzweiflung nähert sich Jesus den beiden Jüngern und geht auf ihrem Weg mit, damit sie entdecken können, dass er »der Weg und die Wahrheit und das Leben« ist (Joh 14,6). Jesus verwandelt ihre Verzweiflung in Leben, denn wenn die menschliche Hoffnung schwindet, beginnt die göttliche Hoffnung zu strahlen: »Was für Menschen unmöglich ist, ist für Gott möglich« (Lk 18,27; vgl. 1,37). Wenn der Mensch ganz am Boden des Scheiterns und des Unvermögens angelangt ist, wenn er seine Illusion ablegt, der beste, unabhängig und der Mittelpunkt der Welt zu sein, dann reicht Gott ihm die Hand, um seine Nacht in einen Morgen zu verwandeln, seine Niedergeschlagenheit in Freude, seinen Tod in Auferstehung, seinen Rückzug in eine Rückkehr nach Jerusalem, das heißt in eine Rückkehr zum Leben und zum Sieg des Kreuzes (vgl. Hebr 10,34).
Nachdem die beiden Jünger dem Auferstandenen begegnet sind, kehren sie nämlich voller Freude, Vertrauen und Begeisterung zurück, bereit, Zeugnis zu geben. Der Auferstandene ließ sie vom Grab ihres Unglaubens und ihrer Niedergeschlagenheit auferstehen. Durch die Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn haben sie die Erklärung und Erfüllung der ganzen Schrift, des Gesetzes und der Propheten gefunden; sie haben den Sinn der scheinbaren Niederlage des Kreuzes gefunden.
Wer nicht über die Erfahrung des Kreuzes zur Wahrheit der Auferstehung geht, verurteilt sich selbst zur Verzweiflung! Denn wir können Gott nicht begegnen, ohne vorher nicht unsere begrenzten Vorstellungen eines Gottes, der unser Verständnis von Macht und Allmacht widerspiegelt, zu kreuzigen.
Leben: Die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus hat das Leben dieser beiden Jünger verändert. Denn dem Auferstandenen zu begegnen verändert jedes Leben und macht jegliche Sterilität fruchtbar.[1] Die Auferstehung ist nämlich nicht ein Glaube, der in der Kirche entstanden ist, sondern die Kirche ist aus dem Glauben an die Auferstehung entstanden. So sagt der heilige Paulus: »Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube« (1 Kor 15,14).
Der Auferstandene entschwindet ihren Blicken, um uns zu lehren, dass wir Jesus in seiner geschichtlichen Sichtbarkeit nicht festhalten können: »Selig sind, die nicht sehen und doch glauben« (Joh 20,29 und vgl. Joh 20,17). Die Kirche muss wissen und glauben, dass er mit ihr lebt und sie in der Eucharistie, in der Schrift und in den Sakramenten lebendig macht. Die Emmausjünger haben dies verstanden und kehrten nach Jerusalem zurück, um mit den anderen diese Erfahrung zu teilen: »Wir haben den Herrn gesehen … Ja, er ist wirklich auferstanden!« (vgl. Lk 24,33f).
Die Erfahrung der Emmausjünger lehrt uns, dass es nichts nützt, die Gotteshäuser zu füllen, wenn unsere Herzen leer sind ohne Gottesfurcht und Ehrfurcht vor seiner Gegenwart; es nützt nichts, zu beten, wenn unser Gebet zu Gott nicht zur Liebe zum Mitmenschen wird; es nützt nichts, sehr religiös zu sein, wenn die Frömmigkeit nicht von großem Glauben und großer Nächstenliebe beseelt wird; es nützt nichts, den äußeren Schein zu pflegen, denn Gott sieht die Seele und das Herz (vgl. 1 Sam 16,7) und verabscheut die Heuchelei (vgl. Lk 11,37-54; Apg 5,3-4)[2]. Bei Gott ist es besser, nicht zu glauben, als ein falscher Gläubiger, ein Heuchler zu sein!
Der echte Glaube macht uns mildtätiger, barmherziger, ehrlicher und menschlicher; er beseelt die Herzen, um sie dazu zu bringen, alle bedingungslos zu lieben, ohne Unterschied und Bevorzugungen; er bringt uns dazu, im anderen nicht einen Feind zu sehen, der besiegt werden muss, sondern einen Freund, den man lieben, dem man dienen und helfen soll; er bringt uns dazu, die Kultur der Begegnung, des Dialogs, des Respekts und der Solidarität zu verbreiten, zu verteidigen und im Leben zu verwirklichen; er verleiht uns den Mut, dem zu verzeihen, der uns beleidigt; dem zur Hand zu gehen, der gefallenen ist; dem Nackten Kleidung zu geben; dem Hungrigen zu essen zu geben; den Gefangenen zu besuchen; dem Waisen zu helfen; dem Durstigen zu trinken zu geben; dem Alten und dem Notleidenden zu Hilfe kommen (vgl. Mt 25,31-45). Der echte Glaube lässt uns die Rechte der anderen mit der gleichen Kraft und Begeisterung beschützen, mit denen wir unsere eigenen verteidigen. Tatsächlich, je mehr man im Glauben und in der Kenntnis wächst, desto größer wird die Demut und das Bewusstsein, klein zu sein.
Liebe Brüder und Schwestern,
Gott nimmt nur den Glauben, der mit dem Leben bekannt wird, gerne an, denn der einzige Extremismus, der für die Gläubigen zulässig ist, besteht in der Nächstenliebe! Jeglicher andere Extremismus kommt nicht von Gott und gefällt ihm nicht!
Ihr kehrt nun wie die Emmausjünger voll Freude, Mut und Glauben in euer Jerusalem zurück, das heißt in euer tägliches Leben, zu euren Familien, zu eurer Arbeit und in eure geliebte Heimat. Habt keine Angst, euer Herz dem Licht des Auferstandenen zu öffnen, und lasst zu, dass er eure Unsicherheit in eine positive Kraft für euch und die anderen umwandelt. Habt keine Angst, alle zu lieben, Freunde und Feinde, denn in der gelebten Liebe liegt die Kraft und der Reichtum des Gläubigen!
Die Jungfrau Maria und die Heilige Familie, die in diesem gesegneten Land gelebt haben, mögen eure Herzen erleuchten sowie euch und das geschätzte Ägypten segnen. In den Anfängen des Christentums hat es die Verkündigung des Evangeliums durch den heiligen Markus angenommen und hat im Laufe der Geschichte viele Märtyrer und eine große Schar von Heiligen hervorgebracht!
Al Massih Kam / Bilhakika kam! – Christus ist auferstanden! / Er ist wahrhaft auferstanden!
[1] Vgl. Benedikt XVI., Generalaudienz, Mittwoch, 11. April 2007.
[2] Der heilige Ephräm ruft aus: »Reißt die Maske herunter, die den Heuchler verhüllt, und ihr werdet nur Fäulnis sehen« (Sermo). »Weh dem, der ein doppelzüngiges Herz hat«, sagt Kohelet (2,14 Vg.)
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