30. September 2020
1963 publizierte der bis heute kontrovers diskutierte, aufgrund seiner Verstrickungen mit dem NS-Regime als "Kronjurist des Dritten Reichs" bezeichnete Staatsrechtler Carl Schmitt die Abhandlung "Theorie des Partisanen". Er charakterisiert dort den Typus des "irregulären Kämpfers":
"Der Partisan kämpft in einer politischen Front, und gerade der politische Charakter seines Tuns bringt den ursprünglichen Sinn des Wortes Partisan wieder zur Geltung. Das Wort kommt nämlich von Partei und verweist auf die Bindung an eine irgendwie kämpfende, kriegführende oder politisch tätige Partei oder Gruppe." Er agiert als "Parteigänger" nach Schmitt taktisch versiert, zeichnet sich durch eine "gesteigerte Mobilität" aus: "Beim heutigen Partisan verwischen und überkreuzen sich meistens die beiden Gegensatzpaare von regulär-irregulär und legal-illegal." (Carl Schmitt: Theorie des Partisanen, Berlin 1963, 21-23)
Der Begriff des Partisanen besitzt eine hohe Anschaulichkeit. In der "Herder Korrespondenz" (Ausgabe 10/2020, 9-10) wird der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer als "Der Partisane" vorgestellt, bezogen auf seine Aktivitäten, Stellungnahmen und Positionierungen auf dem "Synodalen Weg". Diese Zuschreibung nimmt Benjamin Leven vor. Als Leser sind wir zunächst erstaunt, verblüfft und verwundert. Offenbar handelt es sich um eine kritische Reflexion und Analyse von Voderholzers Engagement in der Kirche heute. Leven schreibt dort, der Bischof melde sich mit einer "Strategie der Nadelstiche" zu Wort und agiere als "Streitpartei in einem asymmetrischen Konflikt". Gesprochen wird auch vom "Voderholzer-Lager". Zugleich diagnostiziert Leven eine "Schwäche des Regensburger Guerilleros": "Er schmiedet keine Allianzen über kirchenideologische Grenzen hinweg." Wie also lautet seine "Strategie"? Einerseits übe er "abwechselnde Grundsatzkritik", andererseits betreibe er das "Monieren von Verfahrensfehlern". Benjamin Leven resümiert: "Wenn die Verantwortlichen und auch der Vorsitzende also vermeiden wollen, Widersachern allerlei Angriffsflächen zu bieten, müssen sie jeden Eindruck vermeiden, im Ablauf seien Tricksereien im Spiel."
Immer mehr drängt sich der begründete Verdacht auf, dass kirchenpolitische Auseinandersetzungen die theologische Debatte und die Frage nach Gott vollständig verdrängen, zumindest in Deutschland. Nicht nur die Diözesanen des Bistums Regensburg könnten irritiert sein, wenn ihr beliebter, glaubensstarker und theologisch anerkannter Bischof auf einmal mit einem solchen Begriff belegt wird. Verfügt etwa der Regensburger Bischof über eine politische Taktik? Operiert er im Auftrag oder als Führungsfigur einer kirchlich aktiven Partei von erzkonservativen, veränderungsresistenten Katholiken?
Wer ein Beispiel für die sympathische Aufgeschlossenheit und Zuversicht, die Bischof Voderholzer vermittelt, sich anschauen möchte, der lese seinen "Ermutigungsbrief" an die Gläubigen des Bistums Regensburg vom 23. September 2020. Wenn wir darüber hinaus – und das betrifft offensichtlich nicht nur Katholiken in Deutschland, sondern ist auch ein Phänomen, das Papst Franziskus und die Kongregation deutlich wahrnehmen – auf den "Synodalen Weg" schauen, müssen alle Beteiligten doch den Eindruck vermeiden, dass es sich dabei wieder einmal um ein typisches Theaterstück, ob Trauerspiel oder Schmierenkomödie, aus der Kirchenprovinz Deutschland handelt. Ich möchte nicht glauben, dass dort traditionalistische abendländische Kulturvereine, progressistische Postmodernisten und die Apostel der neuesten Lebenswirklichkeiten auftreten, um sich mit- und gegeneinander zu profilieren.
Kämpfen auf dem "Synodalen Weg" etwa Parteien und Partisanen? Dann würden sich die einfach gläubigen Katholiken mit allem Recht befremdet von einem solchen Spektakel abwenden. Die Diskurse, Diskussionen und auch die Differenzen sollten uns motivieren, für die Einheit der Kirche zu beten. Rudolf Voderholzer sitzt seit 2013 als glaubensstarker, treuer Bischof auf dem Stuhl des heiligen Wolfgang in der Diözese Regensburg, als aufrechter und aufrichtiger Streiter für den Herrn. Er weiß, was er bei seiner Amtseinführung versprochen hat.
Papst Benedikt XVI. hat in seiner Predigt am 6. Januar 2013 im Petersdom das Wesen des Bischofs treffend charakterisiert: "Die Unruhe des Menschen nach Gott und von ihr her die Unruhe Gottes nach dem Menschen muß den Bischof umtreiben. Das ist gemeint, wenn wir sagen, daß der Bischof vor allem ein Mensch des Glaubens sein muß. Denn Glaube ist nichts anderes als das innere Berührtsein von Gott, das uns auf den Weg des Lebens führt. Glaube zieht uns in das Ergriffensein von Gottes Unruhe hinein und macht uns zu Pilgern, die innerlich unterwegs sind zum wahren König der Welt und zu seiner Verheißung der Gerechtigkeit, der Wahrheit, der Liebe. Der Bischof muß in dieser Pilgerschaft vorausgehen, den Menschen Wegweiser zu Glaube, Hoffnung und Liebe hin sein."
Darum dürfen wir dankbar sein für das Beispiel und Zeugnis von Bischof Rudolf Voderholzer, der ganz gewiss nicht "der Partisane", sondern ein "Mensch des Glaubens" ist und uns alle – so wie sein großer Vorgänger Erzbischof Michael Buchberger – daran erinnert, wovon in der Kirche heute die Rede sein sollte: Von Gott.
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