16. Februar 2021
Kardinal Kochs Einwendungen gegen das neue ÖAK-Papier wurden in der Evangelische Kirche von Hessen-Nassau nun kritisch kommentiert und reflektiert. Die Dimensionen dieses Beitrags zum Eucharistie- und Abendmahlsverständnis bedürften einer eigenen Diskussion. Inmitten des Textes findet sich eine Formulierung, die auf ein grundsätzliches Missverständnis hinweist, das gegenwärtig in der katholischen Kirche hierzulande vorherrscht, insbesondere auf dem "Synodalen Weg" und in der medialen Berichterstattung über dieses regionale Diskursereignis. Darum bin ich für einen Satz sehr dankbar, den Pfarrer Dr. Bickelhaupt und Pfarrer Bräuer in ihrer Stellungnahme zu Kardinal Kochs "Offenem Brief" verwenden: "Theologie kann nie eins zu eins in pastorale Praxis übersetzt werden."
Diese Differenz wird oft behauptet und faktisch durch ein seelsorgliches Handeln, das im Widerspruch zur Lehre der Kirche steht, bestätigt. In der katholischen Kirche wäre eine solche Aussage eine Ohnmachtserklärung. In vielen Bereichen des täglichen Lebens erfahren Menschen zwar eine Kluft zwischen Theorie und Praxis. Theologie aber ist mitnichten die Summe aller Lehrbücher. Wer behauptet, dass Theologie etwas anderes sei als pastorale Praxis, äußert sich auch nicht im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Agenda der Reformwünsche, die täglich neu präsentiert werden, ist altbekannt. Wer heute treu zur Lehre der Kirche aller Zeiten und Orte steht, wird als konservativ markiert, qualifiziert oder stigmatisiert. Doch noch immer ist die katholische Kirche keine Partei, auch wenn sie bisweilen als solche wahrgenommen wird oder gar auftritt. Ein Beispiel: Natürlich wirken etwa auf säkulare Beobachter die wenig solidarischen Kommentare aus bischöflichem Munde, ob aus Limburg oder München, etwa gegenüber der Kölner Bistumsleitung und namentlich Kardinal Woelki, staunenswert. Viele fühlen sich erinnert an das befremdliche Gezänk in etablierten Parteien oder kriselnden Fußballvereinen. Dieses Verwundern ist mitnichten philosophisch, sondern eher eine Art Kopfschütteln. Und das wiederum spiegelt dieser protestantische Gedanke aus Hessen-Nassau exakt wider: Wenn die Theologie der Sakramente nicht mehr pastoral tauglich ist, müssen wir die Theologie ändern. Wenn die Moraltheologie nicht mehr in die pastorale Wirklichkeit, als Ausdruck der Hirtensorge, übersetzt werden kann, dann muss sie natürlich substanziell reformiert und neu formuliert werden. Wenn Dogmen unbegreiflich sind, so muss schnellstmöglich erklärt werden, dass man gar nicht daran glauben muss. Wenn die Teilhabe an der Feier der Eucharistie oder am Abendmahl für alle möglich sein soll, damit die Christenheit glaubwürdig bleibt, dann muss man solches schnellstens ermöglichen. Wenn Jesus Christus nur ein guter Mensch war, dann brauchen wir nicht mehr zu sagen und zu bekennen: "Mein Herr und mein Gott!" Sie halten Gedanken wie diese für karnevalistisch? Dann geht es Ihnen wie mir damit.
Wenn ich solche kuriosen Sätze lese oder höre – "Theologie kann nie eins zu eins in pastorale Praxis übersetzt werden." –, dann denke ich an die Diskussionen und das Drama um die Schwangerenkonfliktberatung in Deutschland. Der hl. Johannes Paul II. schrieb am 11. Januar 1998 an die deutschen Bischöfe: "Es geht nämlich um eine pastorale Frage mit offenkundigen lehrmäßigen Implikationen, die für die Kirche und für die Gesellschaft in Deutschland und weit darüber hinaus von Bedeutung ist. Auch wenn die gesetzliche Situation in Eurem Land einzigartig ist, so betrifft das Problem, wie wir das Evangelium des Lebens in der pluralistischen Welt von heute wirksam und glaubwürdig verkünden, doch die Kirche insgesamt. Der Auftrag, das Leben in allen seinen Phasen zu schützen, läßt keine Abstriche zu. Daraus folgt, daß die Botschaft und die Handlungsweise der Kirche in der Frage der Abtreibung in ihrem wesentlichen Gehalt in allen Ländern dieselben sein müssen. … Deshalb möchte ich Euch, liebe Brüder, eindringlich bitten, Wege zu finden, daß ein Schein solcher Art in den kirchlichen oder der Kirche zugeordneten Beratungsstellen nicht mehr ausgestellt wird. Ich ersuche Euch aber, dies auf jeden Fall so zu tun, daß die Kirche auf wirksame Weise in der Beratung der hilfesuchenden Frauen präsent bleibt." So hat Papst Johannes Paul II. anschaulich gezeigt, dass Theologie wie die Lehre der Kirche niemals von der pastoralen Praxis getrennt werden darf. Die Treue zum Lehramt der Kirche ist wesentlich, wichtig und unverzichtbar. Nicht die weltkluge Revision der Lehre der Kirche ist geboten, sondern die Beherzigung dieser in gotteskindlicher Treue und Zuneigung. Wir brauchen auch nicht umfassende Reformen in der Moraltheologie, sondern vielmehr eine fundierte Katechese. Wir sollen, als einfach gläubige Christen, die Kirche nicht nach unseren Wünschen reformieren, sondern bis an die Grenzen unserer Möglichkeiten von ganzem Herzen lieben. In der Konstitution des "Dei verbum" heißt es: "Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft. Es zeigt sich also, daß die Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäß dem weisen Ratschluß Gottes so miteinander verknüpft und einander zugesellt sind, daß keines ohne die anderen besteht und daß alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen." Nicht auf die Apologie wechselnder Lebenswirklichkeiten, sondern auf das "Heil der Seelen" sind Theologie und pastorale Praxis hin zu orientieren.
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