3. Juni 2021
Im Tohuwabohu ihrer gegenwärtigen Debatten und Spaltungen braucht die katholische Kirche in Deutschland dringend die "Chile-Lösung", hat uns ein Monsignore verraten, der diese Kirche von innen kennt wie kaum ein anderer. Und das mögen wir dem Heiligen Vater doch bitte mit brennender Sorge nahelegen, als ein modernes "J’accuse" an all diejenigen Kräfte und Bischöfe, die dabei sind, eine andere Kirche in Deutschland entwickeln zu wollen, die den Glauben und die Praxis der Weltkirche nur noch in Bruchstücke teilt und dieses neue Gebilde "Mitte der Kirche" nennt.
Der Pontifex maximus möge also kurzerhand den ganzen deutschsprachigen Episkopat wie in Chile auswechseln, der aus eigener Kraft nicht zur Einheit mit dem Glauben der Weltkirche zurückfinden kann. Warum also nicht auch in Europa endlich mit starker Hand dasselbe Exempel statuieren, das Jorge Mario Bergoglio in Lateinamerika recht und billig ist. Und dann? Auf welche zweite Garde an Hirten soll der Papst danach zurückgreifen, dass sie die Herde wieder auf fruchtbare Weidegründe zurückführen, fragen wir zurück. Auf diese Frage wurde der kluge Prälat schmallippig.
Nein, inspirierte uns danach ein franziskanischer Freund, Deutschlands Katholiken sollten nun endlich einmal in wahrer Ökumene von den Lutheranern lernen
und wir sollten uns nicht an den Papst wenden mit einem nutzlosen Appell, sondern an die gegenwärtigen Heiligen, die es – wie verborgen auch immer – natürlich auch heute noch in der Kirche gebe, wie in den Tagen der Barmer Erklärung vom 31. Mai 1934, als sich die "Bekennende Kirche" um eine Schriftenreihe unter diesem Titel heraus bildete – als starker und kühner Kontrast zu dem "positiven Christentum", mit dem völkische Theologen die evangelische Kirche damals in eine braune Zeitgeistreligion zu verwandeln suchten, mit beträchtlichem Erfolg. "Jesus Christus ist das eine Wort Gottes", hieß deshalb die wesentliche Botschaft der Barmer Erklärung, in der sich das Bekenntnis der Bekennenden Kirche Deutschlands unter der Tyrannei verdichtete. Es war dieser treue Rest, aus dem Männer wie Dietrich Bonhoeffer und Martin Niemöller bis heute in Erinnerung geblieben sind im Gegensatz zu allen braunen Pastoren. Eine bekennende Kirche unter Katholiken, die sich heute dem rosa und regenbogenfarbenen Zeitgeist am Altar und in den Sakristeien und Pfarreien entgegenstellt, das klingt überzeugend und hat natürlich etwas!
Dafür müssen sich die Heiligen unserer Tage aber selbst hervorwagen, auch wenn sie für solchen Heldenmut heute nicht mehr nackt gehängt werden wie Dietrich Bonhoeffer, oder "für die Treue zum Evangelium gestreckt und gevierteilt" würden, wie Papst Benedikt XVI. am 18. September 2010 im Londoner Hyde-Park sagte. Heute würden solche Märtyrer häufig nur noch "abgelehnt, lächerlich gemacht oder verspottet". Aber auch heute kann einem in der "Treue zum Evangelium" noch ganz anderes blühen als Hohn oder eine Karikatur mit verrutschter Mitra im Magazin "Spiegel", wie das Beispiel George Pells aus Australien zeigt, wo der Kardinal dreizehn Monate lang aufgrund diabolisch falscher Anklage in einer Einzelzelle hinter Gittern saß, nachdem er sich den Anmaßungen ei ner Zeitgeist-Kirche strikt widersetzt hatte. "Nolite timere" (Fürchtet euch nicht) heißt seit 1987 das Motto in seinem Bischofswappen. Daran hat er sich gehalten – und am 13. Mai haben wir den furchtlosen Kardinal nun wiedergesehen, am Fest Unserer Lieben Frau von Fatima, als er in der römischen Universitätskirche der Dominikaner eine Eucharistische Prozession mit dem Allerheiligsten anführte, die schwere Monstranz mit dem Allerheiligsten in seinen Händen, im Kreuzgang des Klosterkomplexes, wo schon Karol Woityla die Schriften des heiligen Thomas von Aquin studierte, dem wir seit dem Jahr 1264 die schönsten Gesänge zum Wunder der Eucharistie verdanken.
Am 8. Juni wird der alte Priester achtzig Jahre alt. Er ist gebeugt, doch ungebrochen und so heiter, dass bei seinem Anblick jenes Wort gleichsam aufleuchtet, das der Archimandrit Zenon schon vor Jahrzehnten in Russland prägte: "In der Zeit des Bilderstreits hat die Kirche die Bilder verteidigt. Heute, in der Zeit der Krise, kommen die Bilder zurück, um die Kirche zu verteidigen."
George Kardinal Pell in Freiheit und mit der Monstranz in seinen Händen ist ein solches Bild. Er ist es, wie Papst Franziskus es war, als er am 27. März 2020 vor dem regennassen und leeren Petersplatz den eucharistischen Segen über Rom und den Erdkreis spendete! Es sind diese lebendigen Ikonen, die heute mehr als jedes scharfsinnige Argument die Kirche verteidigen im Geräusch all ihrer leeren und lauten Debatten.
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Im Gefängnis durfte der Gefangene ein mal in der Woche die Kommunion empfangen, die ihm von Seelsorgerin namens Sister Mary gebracht wurde, die diesen Dienst seit 25 Jahren schon in dem Zuchthaus versah, und er durfte in den dreizehn Monaten fünf Messen besuchen, doch keine einzige Messe selber lesen. Seine Jerusalemer Bibel war ihm aus unerfindlichen Gründen genommen worden. Aber er hat das Beste daraus gemacht und "je den Tag den Rosenkranz gebetet", dazu einige Selige und Heilige als Beistand angerufen, von denen er das Gefühl hatte, dass sie seine "Situation verstehen würden, wie Kardinal François Xavier Nguyên Thuận, der dreizehn Jahre in Saigon im Kerker saß, oder Bischof John Fisher und den Kanzler Thomas More, die in London im Kerker Heinrichs VIII., auf ihre Hinrichtung warteten."
Doch im Grunde sei er "ein christozentrischer Beter". Und ein "größeres christozentrisches Gebet als die heilige Messe" gebe es natürlich überhaupt nicht. An die Zeit im Gefängnis denkt er heute so gut wie möglich nicht mehr zurück, gestand er Colm Flynn, einem irischen Kollegen, vor Tagen. Stattdessen versuche er, die Eucharistiefeiern jedes Mal nach dem Rat Mutter Teresas so zu feiern, als sei es "seine erste, seine letzte und einzige Messe". Doch ob ihm das jedesmal gelinge, sei natürlich "eine ganz andere Frage".
Woher er denn wisse, dass die Eucharistie wirklich der Leib Christi ist, wollte der Kollege wissen. "Weil Jesus es uns ge sagt hat. Punkt. So steht es im Neuen Tes tament. Die Leute haben ihn deswegen verlassen. Wegen dieser Lehre! Es ist der zentrale Glaube der Kirche. Darum ist mir auch die Praxis der eucharistischen Anbetung so wichtig. Es scheint, dass die Anbetung, die Stille und die Verehrung des Transzendenten besonders nützlich ist in unserer geschäftigen, abgelenkten, lauten Zeit, wo viele junge Menschen so selbstverständlich daran teilnehmen würden, als ob diese Dimension in ihrem Leben fehlen würde."
Vor dem Fronleichnamsfest 2021 erinnert uns Kardinal Pell nach seiner Haft deshalb wie kaum ein Hirte sonst daran, dass auch die Katholiken Deutschlands längst eine "bekennende Kirche" haben, seit Papst Benedikt auf dem Marienfeld vor Köln am Abend des 20. August 2005 für 1,2 Millionen Pilger die Eucharistische Anbetung durchsetzte und in die Weltjugendtage einführte. In der Tradition des Nightfever ist ihr Feuer danach nie erloschen. Diese bekennende Kirche ist nicht laut und lärmt nicht. Sie schaut unverzagt auf das Wunder der Verwandlung in der weißen Hostie, die sich von keinem Ideologen oder Theologen kapern, verhaften und beschlagnahmen lässt.
Es ist die absichtslose Anbetung des "eucharistischen Gesichts Gottes", wie der heilige Johannes Paul die verwandelte Hostie nannte, die dieser bekennenden Kirche als Polarstern dient für die ganze große katholische Kirche auf ihrem Weg der Wiederkunft Christi entgegen. Denn nur brennende Herzen werden die brennende Sorgen beantworten können, die sich von der Anschauung Gottes wieder so entzünden lassen wie die Jünger von Emmaus von den Worten und dem Segen des Herrn, als er vor ihnen das Brot brach, das wir in dieser Hostie erblicken.
Zuerst veröffentlicht im Vatican-Magazin. Bei CNA Deutsch publiziert mit freundlicher Genehmigung.
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