22. August 2021
Bisher hat hierzulande das Motu proprio Traditionis Custodes kaum Wirkung gezeigt. Vielleicht waren und sind die deutschsprachigen Bischöfe in ihren Ferien, um Kraft zu tanken für die Umsetzung des Synodalen Wegs. Vielleicht ist ihnen die Sache mit der Liturgie auch gar nicht so wichtig, als dass sie hier Handlungsbedarf sehen, denn vielerorts sind die Heiligen Messen in der "außerordentlichen Form des Römischen Ritus" besser besucht als die eigentlichen Pfarrgottesdienste.
Es könnte aber auch sein, dass sich dies mancherorts schlagartig ändert.
Mit Traditionis Custodes hat Papst Franziskus das Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. außer Kraft gesetzt, zumindest begrifflich: So gibt es laut dem Papstschreiben eine "außerordentliche Form" nicht mehr, sondern wenn überhaupt einen "Tridentinischen Ritus" für die Schar der Anhänger dieser traditionellen lateinischen Messe.
Die sogenannte Tridentinische Messe geht zwar auf das Konzil von Trient (1563) zurück, doch ihre Grundlage ist viel älter. Die Reformen zur Heiligen Messe durch das Trienter Konzil waren eine Reinigung von Missständen, die sich über die Jahrhunderte eingeschlichen hatten. Papst Pius V. (1566–1572) bestimmte, das Tridentinische Messbuch solle von nun an in allen Kirchen maßgebend sein, und daran sollte auch nichts mehr geändert werden dürfen.
Allerdings durften die Diözesen, die bereits eine 200-jährige liturgische Eigentradition besaßen, ihre alten Messbücher weiter verwenden. So behielten beispielsweise in Deutschland die Diözesen Trier, Köln und Konstanz ihre Diözesanmessbücher bei. Analog verhielt es sich auch mit den alten Orden, so dass etwa Zisterzienser und Kartäuser ihre eigenen Riten beibehielten. Dies bedeutet, dass diese Eigentraditionen in Diözesen und Orden erst Jahrhunderte später nicht mehr verwendet wurden und so tatsächlich bis über das Zweite Vatikanische Konzil hinaus Bestand hatte.
Das Konzil von Trient hat tatsächlich echte Toleranz bewiesen, die heute in der Kirche nicht nur nicht immer vorhanden ist, sondern vielfach sogar ausdrücklich in eine Richtung bekämpft wird. So hatte Papst Pius V. nicht die Sorge, dass die Diözesen, die ihren eigenen Ritus benutzten, eine "Kirche in der Kirche" sein könnten. Das sieht Papst Franziskus ganz anders; er handelt hier weder tolerant, noch barmherzig, noch gerecht.
Das Zweite Vatikanische Konzil, auf das er sich zu berufen bemüßigt, hat die lateinische Messe als Regelfall vorgesehen. Es heißt in der Liturgiekonstitution, Art. 36: Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht. Da bei der Messe der Gebrauch der Muttersprache für das Volk sehr nützlich sein kann, soll es gestattet sein, ihr einen weiteren Raum zuzubilligen, vor allem in den Lesungen und einigen Orationen.
Hier wird deutlich: Nicht die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils, sondern weitreichende nachkonziliare Entwicklungen haben die Tridentinische Liturgie im Visier gehabt. Wer die Feier der Tridentinischen Messe wünscht, kann sich nicht nur auf eine jahrhundertealte Tradition der Kirche, sondern auch auf die Entscheidungen des Zweiten Vatikanischen Konzils berufen. Was die Kirche seit Jahrhunderten geübt und empfohlen hat, kann aus dieser Sicht nicht unerlaubt und kirchenspaltend sein. Dies hat Papst Benedikt XVI. mit Summorum Pontificum bestätigt und sich ausdrücklich gegen ein Verbot der Feier der Tridentinischen Messe gewandt, das nicht weiter durch Manipulation der Geschichte rechtfertigt werden sollte.
Doch genau das ist im Endeffekt im Schwange, sagen kritische und berufene Beobachter: Dass nur 14 Jahre später Benedikts Nachfolger das genaue Gegenteil behauptet, ist für diese nicht nur ein Schlag ins Gesicht seines noch lebenden Vorgängers, sondern ein fragwürdiges Ausüben der Amtsgewalt.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch.
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