Der Theologe Gregor Maria Hoff hat die Praxis des „Synodalen Weges“ in Deutschland verteidigt, bei den Beratungen Laien gleiches Stimmrecht zu geben wie Bischöfen. In einem Beitrag für die in Österreich erscheinende Zeitschrift „Furche“ erklärte er, angesichts des Missbrauchskomplexes seien Beratungen und Entscheidungen im ganzen Volk Gottes nötig. Das apostolische Zeugnis sei an die Bischöfe gebunden, aber nicht auf sie beschränkt. Hoff folgt damit der bisherigen Argumentation des Synodalen Weges. Auf eine angemessene Befassung mit den aktuellen Lehrschreiben und Hinweisen von Papst Franziskus hinsichtlich des synodalen Charakters der Kirche wird hingegen verzichtet.  

Nicht nur deshalb ist die von Gregor Maria Hoff am 25. November in der „Furche“ vorgetragene Argumentation brisant. Sie zeigt, wie grundsätzlich an den Fundamenten der katholischen Kirche gerüttelt wird. Es geht um theologische Grundsatzfragen höchster Kategorie. Dies hat bereits zu erheblichen Beunruhigungen in Deutschland und darüber hinaus geführt.

Worum geht es? Die bisherige Lehre der Kirche lässt sich in Kürze so zusammenfassen: Jesus sendet die Apostel aus, die er sich selbst zuvor ausgesucht hat. Sie sollen allen das Evangelium verkünden, und er verheisst dazu den Heiligen Geist. Heutige Bischöfe sind keine neuen Apostel, aber sie üben als ihre Nachfolger ein apostolisches Amt aus. Dabei sind sie an das überlieferte Evangelium gebunden. Das Amt der Bischöfe entstammt also nicht der „Basis“ des Kirchenvolkes – vergleichbar einer demokratischen Ordnung –, sondern der apostolischen Sendung, die bei der Bischofsweihe durch Handauflegung und Gebet übertragen wird. Dabei leistet der Bischof das Versprechen, „das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein und unverkürzt weiterzugeben“. 

Das Zweite Vatikanische Konzil hat bekräftigt, was schon immer geglaubt und in der kirchlichen Praxis gelebt wurde, dass nämlich das Lehramt über Glaubens- und Sittenfragen vom Papst und den Bischöfen wahrgenommen wird. Damit sind andere aber nicht von der Mitwirkung ausgeschlossen. Noch während der letzten Sitzungsperiode des Konzils hat Papst Paul VI. die Bischofssynode ins Leben gerufen – ein Konzil im Kleinformat, das regelmäßig zu aktuellen Themen in Rom tagt und auch Laien einlädt, allerdings nur mit beratender Stimme. Einfluss können Laien nicht nur über die mündliche Teilnahme an Plenum und Arbeitsgruppen nehmen, sondern setzt bereits in der inhaltlichen Vorbereitung. 

Darauf hat Papst Franziskus zum 50. Jahrestag der Einsetzung der Weltsynode hingewiesen und betont: „Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Zuhörens, in dem Bewusstsein, dass das Zuhören 'mehr ist als Hören‘. Es ist ein wechselseitiges Anhören, bei dem jeder etwas zu lernen hat: das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom – jeder im Hinhören auf die anderen und alle im Hinhören auf den Heiligen Geist.“ Er bekräftigte aber auch: „Durch die Synodenväter handeln die Bischöfe als authentische Hüter, Ausleger und Zeugen des Glaubens der ganzen Kirche, wobei sie verstehen müssen, diesen von den oft wechselhaften Strömungen der öffentlichen Meinung zu unterscheiden“.

Der deutsche Theologe Hermann J. Pottmeyer hat damals die Ansprache des Papstes mit überschwänglichen Worten gelobt. Er nannte sie eine „Ausrufung einer 'ganz synodalen Kirche', die das Ende des römischen Zentralismus einläutet“. Aber auch Pottmeyer wies darauf hin: „Die Betonung, dass es beim Aufeinanderhören um die Erkenntnis des Willens Gottes hier und heute geht, ist nicht der einzige Hinweis, um dem Missverständnis vorzubauen, es gehe bei der Erneuerung der synodalen Praxis um eine Art Demokratisierung der Kirche.“

Die bisherigen Dokumente des Synodalen Weges in Deutschland weichen von dieser Auffassung ab und fordern mehr. Es geht nicht nur um das gleiche Stimmrecht für Laien und Bischöfe, sondern um Grundfragen der Glaubenslehre, zum Beispiel im Verhältnis von Lehramt und Theologie. Das 2. Vatikanische Konzil hatte zuletzt bekräftigt, dass Papst und Bischöfe über die Glaubens- und Sittenlehre bestimmen. Im „Orientierungstext“ des Synodalen Weges wird das Verhältnis von Lehramt und Theologie thematisiert. Dabei gerät im „Orientierungstext“ einiges durcheinander. 

Der Synodale Weg berät über Angelegenheiten, die vom kirchlichen Lehramt zu entscheiden sind. Theologen und Laien wirken aus Sicht des Papstes dabei beratend mit, mehr nicht. Der „Orientierungstext“, wie er derzeit vorliegt, nimmt aber mehrfach den Standort der Theologie ein. Das Lehramt besteht – zuletzt im Konzil bekräftigt – in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre aus Papst und Bischöfen. 

So heißt es in Nr. 10 des Orientierungstextes: „Zu den wichtigsten Orten der Theologie gehören die Heilige Schrift und die Tradition, die Zeichen der Zeit und der Glaubenssinn des Volkes Gottes, das Lehramt und die Theologie.“ Der Satz ist in sich zutreffend, steht aber an einer Stelle, wo es um die Grundlagen des Synodalen Weges geht. Es kann der Eindruck entstehen, dass hier die Theologie an die Stelle des Lehramtes gesetzt wird. Es folgen dann einige Passagen, in denen spürbare Kritik am kirchlichen Lehramt geäußert wird, nicht aber an der Theologie. 

An einer weiteren Stelle wird das Problem noch deutlicher. In Nr. 59 heisst es: „Deshalb wird im Synodalen Weg versucht, auf differenzierte Weise theologische Argumentationen vorzulegen, die auch dem Lehramt helfen sollen, bisherige Äußerungen im Licht wissenschaftlicher Erkenntnisse und Reflexionen zu überprüfen und über eine mögliche Veränderung der Positionen nachzudenken.“ Dieser Satz trifft hinsichtlich der Aufgabe der Theologie zu, aber nicht hinsichtlich des Synodalen Weges. Denn diese Passage wirkt – nicht nur den Worten nach – wie eine Instrumentalisierung des Synodalen Weges durch wortführende Vertreter der Theologie. Der Satz beantwortet auch die Frage eindeutig, wie sich der Synodale Weg selbst versteht: als Vertretung der Theologie, nicht des Lehramtes. Folgerichtig kann er sich dann aber nicht in die Aufgabe des Lehramtes transformieren, was er derzeit massiv für sich beansprucht. Denn in den unterschiedlichen Foren des Synodalen Weges werden weitreichende Forderungen aufgestellt, die im Widerspruch zu Tradition und Lehramt der Kirche stehen. 

Bekräftigt wird diese Sichtweise erneut in Nr. 63 des Orientierungstextes: „In dem hier vorliegenden Text sind theologische Kriterien benannt worden, die für die Arbeit der Foren des Synodalen Weges und die Erstellung ihrer Beschlusstexte leitend sind.“ Diese Beschlüsse liegen also auf dem Niveau der Theologie und haben mit der besonderen Verantwortung, in welcher das kirchliche Lehramt in der Nachfolge des von den Aposteln überlieferten Glaubens steht, nichts zu tun. 

Hier kommt ein unüberbrückbarer Widerspruch zu dem Anspruch des Synodalen Weges zum Ausdruck. Denn bei ausreichenden Mehrheitsbeschlüssen haben alle Bischöfe die Vorgaben des Synodalen Weges unverkürzt in den jeweils zuständigen Bistümern umzusetzen. Dabei handelt es sich ohnehin um einen sehr umstrittenen Vorgang. Denn die Bischöfe wären in Konsequenz an die Mehrheitsbeschlüsse gebunden, auch wenn diese gegen ihr bischöfliches Versprechen verstoßen könnten, die Lehre der Apostel treu zu bewahren.

Auf diese vorrangig theologische Sichtweise beruft sich nun der Theologe Gregor Maria Hoff in seinem Text, der gestern in der „Furche“ veröffentlicht wurde. Bei der Begründung des Stimmrechtes für Laien verweist er auf „eine alte Methode theologischer Urteilsfindung“, die sich nicht nur auf die Lehre der Apostel beruft, sondern auf weitere Quellen. Gregor Maria Hoff schreibt in der „Furche“: „Eigene Erkenntnisse stellen Vernunft, Philosophie sowie die Geschichte zur Verfügung. Sie leiten gleichfalls zur kirchlichen Urteilsfindung an.“ Diese Erkenntnisse stehen dem kirchlichen Lehramt einerseits hilfreich zur Verfügung, andererseits stehen sie aber nicht bestimmend über der Lehre der Apostel. Ansonsten würde nicht mehr allein das von Jesus Christus überlieferte Evangelium die Grundlage für glaubensrelevante Entscheidungen bilden. 

Da es um zusätzliche Quellen und nicht mehr nur um die Auslegung einer bereits von Gott offenbarten Wahrheit geht, benötigt die vom Theologen Hoff vertretene Ansicht neue Methoden der Urteilsfindung. Er erklärt, dies setze einen „Aushandlungsprozess in Gang“, den er in der Zeitschrift „Furche“ nicht näher erläutert. Er schreibt: „Theologie braucht Argumente, um zu überzeugen, keine Diktate, um Positionen durchzusetzen.“ Er spricht von Gewaltenteilung und verlangt „strukturelle Konsequenzen wie die Rechenschaftslegung von Bischöfen, die Beteiligung an der Wahl von Bischöfen, die Transparenz von Entscheidungen auf allen kirchlichen Ebenen, Leitungsmacht auf Zeit“. Außerdem sieht er als Ausweg aus der Krise die Schaffung eines auf Dauer eingerichteten „Synodalen Rates“, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam Verantwortung übernehmen. Solche Vorschläge erinnern mehr an demokratische Vorgehensweisen („Aushandlungsprozess“), in denen es nicht um das Aufspüren ewig gültiger Wahrheiten geht, sondern um die Formulierung kompromiss- und mehrheitsfähiger Positionen. Bei dem einen Modell kommt es darauf an, von Gott in die Nachfolge Jesu gerufen zu sein, beim anderen Modell um horizontale Gerechtigkeit und gleiches Gewicht aller Stimmen.

Bei dieser Sichtweise verwundert es nicht, dass der Brief von Papst Franziskus kaum aufgegriffen wird, der im Juni 2019 an das „pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ geschrieben wurde. Der Papst hatte auf die besondere Dimension der Glaubenskrise hingewiesen: „Heute indes stelle ich gemeinsam mit euch schmerzlich die zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens fest mit all dem, was dies nicht nur auf geistlicher, sondern auch auf sozialer und kultureller Ebene einschließt. … Um dieser Situation zu begegnen, haben Eure Bischöfe einen synodalen Weg vorgeschlagen.“ Papst Franziskus weist in seinem Brief auf die erwähnte Rede zum 50-jährigen Bestehen der Synode hin und teilt mit: „Es handelt sich im Kern um einen synodos, einen gemeinsamen Weg unter der Führung des Heiligen Geistes“ und warnt vor „subtilen Versuchungen“, sonst „enden wir leicht in einer komplizierten Reihe von Argumentationen, Analysen und Lösungen mit keiner anderen Wirkung, als uns von der wirklichen und täglichen Begegnung mit dem treuen Volk und dem Herrn fernzuhalten“. 

Papst Franziskus schreibt: „Ein wahrer Wandlungsprozess beantwortet, stellt aber zugleich auch Anforderungen, die unserem Christ-Sein und der ureigenen Dynamik der Evangelisierung der Kirche entspringen; ein solcher Prozess verlangt eine pastorale Bekehrung. Wir werden aufgefordert, eine Haltung einzunehmen, die darauf abzielt, das Evangelium zu leben und transparent zu machen, indem sie mit 'dem grauen Pragmatismus des täglichen Lebens der Kirche bricht, in dem anscheinend alles normal abläuft, aber in Wirklichkeit der Glaube nachlässt und ins Schäbige absinkt’“. Pastorale Bekehrung rufe uns in Erinnerung, dass die Evangelisierung unser Leitkriterium schlechthin sein müsse.

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