Die auch in deutscher Sprache veröffentlichte Erklärung des Heiligen Stuhls vom 21. Juli schafft Klarheit. Dennoch ist nicht eindeutig sicher, wie es in Deutschland weitergeht.

Zunächst lohnt sich deshalb ein Blick auf den genauen Wortlaut des Textes, der als Pressemitteilung veröffentlicht wurde und deshalb nicht namentlich gekennzeichnet ist. Der Absender ist eindeutig: Der „Heilige Stuhl“ steht für die Autorität des Papstes. Der Text ist kurz, präzise und sachlich. Er sagt nicht mehr aus als nötig; er enthält keine Wertungen und verurteilt niemanden – eigentlich eine Meisterleistung in einer gut durchdachten Kombination aus Eindeutigkeit und Höflichkeit.

Zu Beginn heißt es: „Zur Wahrung der Freiheit des Volkes Gottes und der Ausübung des bischöflichen Amtes erscheint es notwendig klarzustellen …“ Es handelt sich also um eine Klarstellung mit einer doppelten Begründung. Was mit der „Wahrung der Freiheit des Volkes Gottes“ gemeint ist, erschließt sich nicht direkt. Aber ein Interview des Papstes, das am 19. Mai veröffentlicht wurde und bei dem sich die Antwort direkt auf den synodalen Sonderweg bezog, kann herangezogen werden. Dort sagte er: „Problematisch wird es, wenn der Synodale Weg von den intellektuellen, theologischen Eliten ausgeht und sehr stark von äußeren Zwängen beeinflusst wird.“

Der Papst hat nicht nur bei seinen zahlreichen Begegnungen mit deutschen Bischöfen, darunter Georg Bätzing, zahlreiche Informationen erhalten, sondern vielleicht auch das Interview des damaligen Synoden-Präsidenten Thomas Sternberg vom 19. November 2021 gelesen. Damals stellte Sternberg bezüglich der „freiwilligen Selbstverpflichtung der Bischöfe“ eine Drohkulisse in Aussicht: „Wenn dann ein Bischof in einem kleinen Bistum eine Regelung nicht umsetzt, dann gibt es schon einen erheblichen Druck, und das wird auch nicht ganz ohne Folgen bleiben.“

Als zweiter Grund für die Erklärung wird genannt, dass sie für die „Ausübung des bischöflichen Amtes“ notwendig erscheine. Damit könnte die Installation des Synodalen Rates gemeint sein, der nach den Plänen der Synodalversammlung vom 8. bis 10. September verbindlich beschlossen und in Deutschland eingesetzt werden soll. Das würde weit mehr bedeuten als ein Vorschlag für die Weltsynode in Rom im Jahr 2023.

Der Antrag an die Synodalversammlung beinhaltet vielmehr eine unmittelbare Umsetzung: „Die Synodalversammlung beschließt die Einrichtung eines Synodalen Rates.“ Dazu gehört die Vorbereitung durch Einsetzung eines „Synodalen Ausschusses“, eine umfangreiche Aufgabenbeschreibung des Rates, seine rechtliche Wirksamkeit und Verbindlichkeit, die Art der Tagungsweise, die Beschlüsse über Statut und Geschäftsordnung sowie die „angemessene“ finanzielle und personelle Ausstattung.

Die Tragweite des Vorhabens hatte mehrfach Kritik ausgelöst. So bemängelte der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück, wenn nicht mehr die Bischöfe, sondern ein ständiger und paritätisch besetzter Rat die Definitionshoheit über die künftigen Wege der katholischen Kirche in Deutschland erhalte, gehe die Leitungskompetenz von sakramental ordinierten Personen auf Gremien über. Dies wäre eine Umstellung der Machtbefugnisse, die eine deutliche Nähe zu Synodalpraktiken der evangelischen Kirche in Deutschland erkennen lasse.

Kardinal Walter Kasper hatte beim Online-Studientag der Initiative „Neuer Anfang“ im Juni erklärt: „Das Bischofsamt wurde zum Grundpfeiler der alten Kirche. Wer an diesem Pfeiler sägt, der bricht der Kirche das Genick.“ Die Idee einer Selbstverpflichtung der Bischöfe, Mehrheitsbeschlüsse automatisch umzusetzen, halte er „für einen Trick – und dazuhin für einen faulen Trick. Man stelle sich einmal einen Beamten vor, der sich ernennen lässt und dann auf die Ausübung seine Rechtspflichten verzichtet. Ein dienstrechtliches Verfahren wäre ihm sicher. Letztlich käme eine solche Selbstverpflichtung einem kollektiven Rücktritt der Bischöfe gleich. Verfassungsrechtlich könnte man das Ganze nur als einen Coup, d. h. als einen versuchten Staatsstreich bezeichnen.“

Angesichts dieser Situation verwundert die Reaktion und Begründung des vatikanischen Schreibens nicht. Auch der zweite Satz der dieser Erklärung vom 21. Juli findet in seiner Aussage reale Begründungen: „Der ‚Synodale Weg‘ in Deutschland ist nicht befugt, die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten.“ Mit dem Thema „Leitung“ können die erwähnten Pläne zur Einrichtung eines Synodalen Rates gemeint sein.

„Neue Ausrichtungen der Lehre und der Moral“ finden sich zahlreich in den bisherigen Beschlüssen und den darüber hinaus gehenden Handlungen, zum Beispiel in der Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechtes.

Einer der Höhepunkte: Die Aussage des Generalsekretärs des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Marc Frings, der vor kurzem erklärt hatte, der Synodale Weg sei „eine bewusste Ansage wider den katholischen Katechismus, der seit Mitte der 1970er Jahre gelebte Homosexualität kritisch, herabsetzend und mit dem Vorwurf der Sünde begegnet“. Auch mehrere Bischöfe hatten in Interviews und in den Debatten des synodalen Sonderwegs wesentliche Inhalte des Katechismus infrage gestellt.

Der klarstellende Text aus Rom enthält als dritten Satz eine Begründung: „Es wäre nicht zulässig, in den Diözesen vor einer auf Ebene der Universalkirche abgestimmten Übereinkunft neue amtliche Strukturen oder Lehren einzuführen, welche eine Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und eine Bedrohung der Einheit der Kirche darstellen würden.“

Damit ist insgesamt deutlich:

  • Der Vatikan nimmt die Entwicklung des inzwischen fortgeschrittenen synodalen Sonderweges in Deutschland zum Anlass, um Grenzen des regionalen Handlungsspielraumes aufzuzeigen. Die erfolgte Klarstellung erscheint dem Vatikan „nötig“.
  • Es gibt keine regionalen, sondern nur etwaige universale Neubestimmungen in Fragen des Bischofsamtes, der Theologie und der Morallehre.
  • Die Erklärung erinnert an den Brief des Papstes vom Juni 2019, der vom synodalen Sonderweg bisher praktisch ignoriert worden ist.

Erinnerung an Selbstverständlichkeiten

Aus Rom kommt also nur eine Erinnerung an gültige Selbstverständlichkeiten, die offenbar von der Kirche in Deutschland entweder bereits missachtet wurden bzw. deren Missachtung bevorstehen würde. Warum eine derartige sachliche Klarstellung zu teils heftigster Kritik veranlasst, dürfte weniger im Inhalt der Erklärung, sondern vielmehr in der Disposition und Interpretation derjenigen begründet sein, die sich teils zu heftigen Beschimpfungen hinreißen ließen.

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Wie reagieren nun die Initiatoren des als synodal bezeichneten Sonderweges? „Wir begrüßen, dass der Heilige Stuhl noch einmal hervorhebt, wozu wir uns bereits vor dem Beginn des Synodalen Weges 2019 in der Satzung und Geschäftsordnung verpflichtet haben. […] Wir werden nicht müde zu betonen, dass die Kirche in Deutschland keinen ‚deutschen Sonderweg’ gehen wird.“ Dies betonten noch am gleichen Tag die Präsidenten des Synodalen Weges, Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), und Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

Wenn es also keinen inhaltlichen Dissens gibt, warum dann die enttäuschten Mienen und teils patzigen Reaktionen? Beide Repräsentanten des synodalen Sonderweges kritisieren, dass der Vatikan nicht die „von uns gewollte Kommunikation“ pflegt. „Leider ist das Synodalpräsidium bis heute nicht zu einem Gespräch eingeladen worden.“ Offenbar wollen beide – Bischof Bätzing und die ZdK-Präsidentin – darüber bestimmen, wie der Vatikan mit einer Teilkirche kommuniziert, die etwa zwei Prozent der Katholiken weltweit repräsentiert, von denen wiederum 95 Prozent nicht am Leben der Kirche teilnehmen. Das Vorgehen des Vatikans „zeugt von keinem guten Stil der Kommunikation“, erklären Bätzing und Stetter-Karp. Sie fügen hinzu: „Die nächste Synodalversammlung wird der Ort sein, um das Anliegen des Heiligen Stuhls ebenso aufzugreifen wie zu diskutieren.“ Der letzte Satz ist entscheidend. Meinen beide ernsthaft, die Erklärung aus Rom sei nur eine Anregung zur Diskussion? Wollen sie unverändert weitermachen wie bisher? – Dann gäbe es einen ernsthaften, grundsätzlichen Konflikt mit der römische Weltkirche, spätestens beim Ad-Limina-Besuch aller deutschen Bischöfe im kommenden November in Rom.

Ganz unwahrscheinlich wäre eine solche skeptische Erwartung nicht, denn es gab schon viele Beschwichtigungen gegenüber sorgenvoll vorgetragenen Einwänden zuerst einzelner US-Bischöfe, dann der Polnischen und der Nordischen Bischofskonferenz. Es folgte ein mahnender brüderlicher Brief, der von anfangs 74 Bischöfen und Kardinälen aus vielen Teilen der Welt vorgetragen wurde. Kritische Hinweise folgten dann von prominenten Theologen sowie den Kardinälen Christoph Schönborn und Walter Kasper. Auch der einzige Bischof außerhalb Deutschlands, der sich halbwegs aufgeschlossen zum synodalen Sonderweg geäußert hatte, Jean-Claude Kardinal Hollerich (Luxemburg), äußert sich inzwischen weit vorsichtiger. Und dann kam noch das Papst-Interview im Mai dazu, das mehrere deutlich kritische Äußerungen enthielt.

Wird das Präsidium des als synodal bezeichneten Sonderweges das alles kalt lassen? Wird auch die neuerliche Grenzziehung der höchsten Autorität im Vatikan ignoriert, die sich umgangssprachlich auch als „Bugschuss“ bezeichnen lässt?

Die deutsche Kirche stünde isoliert da in der Weltkirche. Bischof Bätzing und die ZdK-Präsidentin hätten jede Glaubwürdigkeit verspielt, da sie wiederholt und aktuell erneut versprochen haben, keinen deutschen Sonderweg zu gehen. Dann müssten sie sich demgemäß verhalten und den synodalen Sonderweg entweder beenden oder als „Gesprächsinitiative“ ohne Anspruch auf Verbindlichkeit fortsetzen. Diesen Begriff hat der Vatikan über den deutschen Nachrichtendienst „Vatican News“ bei der Bekanntmachung der römischen Einhegung verwendet.

Es ist also möglich, dass beide Repräsentanten jetzt verstanden haben, dass der deutsche Sonderweg zwar beratend handeln kann, dass aber die Entscheidungen auf Weltebene getroffen werden und für alle gelten. Ein nationales Vorpreschen und Faktenschaffen ist nicht möglich. Zu diesem Einlenken gibt es einzelne Anhaltspunkte. Die kirchenpolitisch links stehende Zeitschrift „Publik Forum“ titelte: „Dem Synodalen Weg droht der Tod.“ Weiter lautet der Vorspann: „Das jüngste Schreiben aus Rom ist eine Kriegserklärung an das Reformprojekt der deutschen Katholiken. Denen bleibt nur, klein beizugeben oder den harten Konflikt zu wagen – mit unabsehbaren Folgen.“

Wichtiger ist noch die Ankündigung von rund 30 katholischen Reformgruppen, Verbänden und Betroffeneninitiativen, sich am 24. und 25. September in Köln treffen zu wollen. „Am Ende soll eine gemeinsame Erklärung verabschiedet werden“, heißt es dazu. Es kann also sein, dass sich die extrem Radikalen zusammenschließen und den totalen Konflikt planen. Denn angesichts des inzwischen eingetretenen liberalen theologischen Kurses in Deutschland war derartiges nicht nötig: Die als synodaler Weg bezeichnete Gesprächsinitiative von DBK und ZdK hat bisher die wichtigsten Forderungen, welche kirchliche Oppositionsgruppen in den vergangenen 25 Jahren erhoben haben, aufgegriffen, beraten und bereits teilweise beschlossen. Dazu zählen die Abschaffung des Zölibates, die Weihe von Frauen zu Priesterinnen, die Beseitigung der bisherigen Morallehre, die Anerkennung und Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen, der Verzicht auf die Glaubwürdigkeit des Lebenswandels katholischer Verkünder etc.

Es könnte also tatsächlich zu einem Kurswechsel in Deutschland kommen. Spätestens während der 4. Synodalversammlung im September wird dies am konkreten Verhalten von Tagungsleitung und Präsidium deutlich werden. Anträge mit Umsetzungscharakter wie die Einrichtung eines synodalen Rates müssten in der vorliegenden Formulierung zurückgezogen werden. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Synodalversammlung im September kommt eine besondere Verantwortung zu: Sie entscheiden durch ihr Verhalten mit darüber, ob die Kirche in Deutschland ein Schisma mit der Weltkirche anstrebt oder nicht!

Hinweis: Beiträge wie dieser spiegeln allein die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht die der Redaktion von CNA Deutsch.

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