10. August 2023
Die Apostolische Konstitution Praedicate Evangelium hat die römische Kurie neu geordnet. Das soeben veröffentlichte päpstliche Motu proprio bestätigt gemäß Art. 117 dieser Konstitution die Unterstellung der Personalprälaturen unter das vatikanische Dikasterium für den Klerus. Es sei daran erinnert, dass seit dem Gesetz von 1967 über die römische Kurie (Apostolische Konstitution Regimini Ecclesiae Universae von Paul VI., Art. 49 § 1) bis zur Kurienreform vom 19. März 2022 die Personalprälaturen dem Dikasterium für die Bischöfe unterstellt waren.
Das Motu proprio enthält hauptsächlich zwei Neuigkeiten: Es bestimmt, dass die Personalprälaturen den klerikalen Vereinen päpstlichen Rechts mit Inkardinationsrecht ähnlich, wenn auch nicht gleich sind. Und es erinnert daran, dass die Laien ihren Pfarrer auf Grund ihres Wohnsitzes oder Nebenwohnsitzes erhalten.
Wir gehen im Folgenden auf die großen Linien dieser beiden Aspekte ein.
Klerikale Vereine mit Inkardinationsrecht
1. Die Klerikalen Vereine werden im Kirchengesetzbuch von 1983 (CIC) einzig durch den Kanon 302 geregelt. Es ist ein sehr kurzer Kanon, der einzige überlebende einer Reihe von Kanones, die während bestimmter Etappen der Ausarbeitung des CIC von 1983 entworfen worden waren. Dieser Kanon lautet: «Klerikale Vereine von Gläubigen heißen jene, die unter der Leitung von Klerikern stehen, die Ausübung der heiligen Weihe vorsehen und als solche von der zuständigen Autorität anerkannt werden.»
Dieser übrig gebliebene Kanon erklärt nicht vollständig, was die Klerikalen Vereine sind oder sein wollten. Bei den Entwurfsarbeiten war die Rede davon, dass einige dieser Vereine die Vollmacht haben würden, Kleriker zu inkardinieren, dass es unter ihren Mitgliedern Laien geben würde und dass sie oftmals eine Evangelisierungfunktion an Orten haben würden, wo die Kirche noch nicht präsent ist. Es waren Vereine mit ausgesprochen missionarischem Charakter, die für ihre Mission das geweihte Amt brauchten. Deswegen benötigten sie einen öffentlichen Status in der Kirche, da es keine privaten Vereinigungen mit eigener Priesterweihe geben kann. Angesichts der Rolle des geweihten Dienstes bestimmte man, dass die Leitung bei Priestern liegen muss (vgl. mein Kommentar zum Kanon 302, in Instituto Martin de Anpilicueta, Kanonistische Fakultät der Universität Navarra, Comentario exegético al Código de Derecho canónico, Bd. II/1, Pamplona, 20023, S. 443-445).
Nach einigen Jahren empfanden verschiedene Klerikale Vereine das Bedürfnis, einige oder alle ihrer Mitglieder zu inkardinieren, um die Stabilität ihres Charismas und die operative Wirksamkeit ihrer Strukturen zu garantieren. Um diesem Bedürfnis entgegenzukommen, übertrug Papst Benedikt XVI. am 11. Januar 2008 einigen von ihnen die Vollmacht, jene Mitglieder zu inkardinieren, die dies wünschten. Später hat das Motu proprio “Competentias quasdam decernere” vom 11. Februar 2022 diese Vereine in die inkardinierenden Institute und Gesellschaften eingereiht (vgl. den neuen Kanon 265).
Zurzeit existieren mehrere Klerikale Vereine mit Inkardinationsbefugnis. Einige sind sehr autonom, so etwa die Gemeinschaft Sankt Martin («Communauté Saint-Martin») oder die Gesellschaft vom Hl. Jean-Marie Vianney («Société Jean-Marie Vianney»). Sie waren schon zuvor Klerikale Vereine, aber erst im Jahr 2008 erhielten sie die Inkardinationsvollmacht. Ein weiterer Klerikaler Verein ist die Priesterbruderschaft der Diözesanarbeiter des Heiligsten Herzens Jesu («Hermandad de Sacerdotes Operarios Diocesanos»); diese hatte ursprünglich eine andere Rechtsform, wurde aber 2008 als Klerikaler Verein errichtet.
Drei dieser Vereine sind mehr oder weniger direkt aus einer Bewegung hervorgegangen und mit ihr verbunden: der Klerikale Verein der Gemeinschaft Emmanuel (2017), verbunden mit der Gemeinschaft Emmanuel; der Klerikale Verein „Werk Jesu des Hohenpriesters“ (lat. Opus Jesu Summi Sacerdotis, Opus J.S.S., 2008) von der Bewegung «Pro Deo et Fratribus – Familie Mariens», die 2002 anerkannt wurde; und die Gemeinschaft Sant’Egidio (die von Msgr. Vincezo Paglia, also erstaunlicherweise von einem Bischof moderiert wird: vgl. Annuario Pontifico 2021, S. 1657). In diesen Fällen werden dem Moderator oder Verantwortlichen die Vollmachten eines Ordinarius übertragen, wie es auch das vorliegende Motu proprio tut (Art. 1 und 2).
Pastorale Betreuung der Gläubigen
2. Eine andere Neuigkeit in diesem Motu proprio besteht darin, dass auf die mit den Prälaturen verbundenen Laien Kanon 107 § 1 angewandt wird: «Sowohl durch Wohnsitz als auch durch Nebenwohnsitz erhält jeder seinen Pfarrer und Ordinarius». Das gilt auch für jene, die einer Prälatur oder anderen hierarchischen oder assoziativen Zusammenschlüssen angehören. (Hingegen ist diese Bestimmung kaum relevant für die Kleriker, deren grundlegende rechtliche Zugehörigkeit die Inkardination ist.)
Dieser Punkt macht explizit, was bereits früher galt und praktiziert wurde. Die Laien der Prälatur waren und sind Gläubige auch der Diözesen, in denen sie ihren Wohnsitz oder Nebenwohnsitz haben. Es handelt sich um eine allgemeine Bestimmung, die garantieren soll, dass jeder Gläubige eine Anlaufstelle hat, wo er das Recht hat, die Sakramente und das Wort Gottes zu empfangen.
In der Tat will die Kirche in ihrem pastoralen Wirken garantieren, dass jeder Gläubige einen eigenen Pfarrer und einen Ordinarius hat.
Das erste Kriterium ist sehr einfach, nämlich der Wohnsitz, d.h. der Ort, wo ein Gläubiger sich niedergelassen hat und sich üblicherweise aufhält. Da die Kirche grundsätzlich territorial organisiert ist, bestimmt sie, dass der übliche Aufenthaltsort des Gläubigen ausschlaggebend ist dafür, wer für ihn zuständig ist: Er gehört zu einer Pfarrei oder einem Bistum.
Von großem Interesse ist, dass die Kirche und ihr Recht darauf bedacht sind, einem Gläubigen nicht bloß einen einzigen Ordinarius zuzuweisen, sondern dass er zugleich mehrere Ordinarien und Pfarrer haben kann, je nach Aufenthaltsort (hier kommt ein weniger stabiler Aufenthaltsort ins Spiel, der Nebenwohnsitz, den man mit einem dreimonatigen Aufenthalt erwirbt; vgl. Kanon 102 § 2). Eine Person kann sogar einen Ordinarius oder Pfarrer nach einem nicht-territorialen Kriterium haben (ein Soldat gehört zu einem Militärordinariat; oder, wenn ein Gläubiger zu einer Personalpfarrei gehört, ist der Pfarrer dieser Personalstruktur sein Pfarrer). Jedoch kommen dieser Ordinarius oder Pfarrer zum territorialen Ordinarius und Pfarrer dazu.
Hier erfreut sich also der Gläubige einer großen Freiheit. Er kann für die Feier bestimmter Sakramente unter den Pfarrern oder Ordinarien wählen, die ihm das Kirchenrecht anbietet.
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Luis Felipe Navarro ist Rektor der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom, Professor für Personenrecht sowie Konsultor des Dikasteriums für die Laien, die Familie und das Leben.
Erstveröffentlichung in spanischer Sprache bei "Omnes", 8. August 2023. Veröffentlicht in deutscher Sprache mit freundlicher Genehmigung.