3. Dezember 2023
Viele Menschen freuen sich im Advent nur auf den alljährlichen Adventskalender mit seinen Überraschungen hinter den 24 Türchen. Für die 23-jährige Medizinstudentin Alexandra ist es aber eine schöne Zeit der Erwartung – die Erwartung, dass der unendliche, allmächtige und ewige Gott im Stall zu Bethlehem als unschuldiges Kind Mensch wird.
Alexandra berichtet begeistert in Vorfreude auf den Advent: „Im Advent schmückt meine Familie einen Adventskranz. Eigentlich hat der Adventskranz einen protestantischen Ursprung, wurde aber in die katholische Adventstradition aufgenommen.“ Dieser Kranz ist mehr als ein dekoratives Element. Er dient der Familie als „schöne tägliche Erinnerung im Advent, dass man in dieser besonderen Zeit der Erwartung ist“.
Es heißt, dass die Idee des Adventskranzes dem Einfallsreichtum von Johann Hinrich Wichern, einem evangelischen Theologen in Hamburg, entsprungen ist. Vor rund 200 Jahren leitete er das „Rauhe Haus“, eine Zufluchtsstätte für Kinder in Not. Getrieben von der sehnsüchtigen Erwartung der Kinder auf das Weihnachtsfest, griff Wichern 1839 zu einer kreativen Maßnahme: Er befestigte Kerzen auf einem ausgedienten Holzkutschenrad – der erste Adventskranz war geboren.
Sein Adventskranz ermöglichte es den Kindern, die verbleibenden Tage bis Heiligabend zu zählen, während gleichzeitig mit jeder angezündeten Kerze das Zimmer heller und wärmer wurde. Die Kerzen symbolisieren dabei das kommende Licht, welches mit der Geburt Christi in die Welt kam. Das kreisrunde Wagenrad, das Wichern als Grundgerüst für den Kranz verwendete, symbolisierte die göttliche Ewigkeit, ein Kreis ohne Anfang und Ende.
Nach dem Ersten Weltkrieg nahm die Popularität des Adventskranzes zu und er überquerte konfessionelle Grenzen, bis er im süddeutschen Raum ankam. Wohl im Jahre 1925 wurde in Köln der Adventskranz erstmals in einer katholischen Kirche aufgestellt. Seine weitreichende Akzeptanz und Verbreitung in der katholischen Tradition Deutschlands erfuhr der Adventskranz jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Kranz fügt sich mit seiner Bedeutung harmonisch in die liturgischen Bräuche der katholischen Adventszeit ein.
Rorate-Messen im Advent
In Alexandras Gemeinde in Oberhausen werden die Herzen der Gläubigen in der Adventszeit durch die Rorate-Messen erwärmt. Diese besonderen Votivmessen, die der heiligen Jungfrau Maria gewidmet sind, finden im schummrigen Schein des Kerzenlichts, im frühen Morgengrauen statt. Die morgendliche Dunkelheit symbolisiert dabei eine Welt ohne Christus.
„Die Dunkelheit stellt dann die dunkle, in Sünde gefallene Welt dar, in welche Christus zu Weihnachten als Licht der Welt hineintreten wird“, erklärt Alexandra. Für sie sind diese Messen etwas ganz Besonderes: „Ich besuche diese Rorate-Messen sehr gerne, weil man seine Kerze mitbringt und das eine besondere, außergewöhnliche Atmosphäre erzeugt."
Nicht nur der Kerzenschein, sondern auch die Tradition des gemeinsamen Gesangs vor Sonnenaufgang bereichert die Liturgie. „Und auch, weil vor der Messe im alten Ritus der Hymnus ‚Rorate caeli‘ gesungen wird“, fügt sie hinzu. Diese Erfahrung, „jeden Samstagmorgen früh aufzustehen und noch im Dunkeln mit Laternen hinzugehen“, ist für Alexandra eine Kindheitserinnerung, die bis heute in ihrer Adventstradition fortlebt.
Die Worte der lateinischen Antiphon „Rorate caeli desuper, et nubes pluant iustum: aperiatur terra, et germinet Salvatorem“ finden ihre Wurzeln in Jesaja 45,8 im Alten Testament: „Tauet Himmel, von oben, ihr Wolken, regnet den Gerechten: Es öffne sich die Erde und sprosse den Heiland hervor.“
Die Entstehung der Rorate-Messen lässt sich bis in die frühen Jahrhunderte des Christentums zurückverfolgen, wobei man annimmt, dass sie etwa im 5. Jahrhundert, gleichzeitig mit der Entwicklung der Adventsliturgie ihren Ursprung hatten. Das „Rorate caeli“ bezieht sich somit auf Jesus Christus, „den Gerechten“, der durch Maria in die Welt kam. Marias Rolle als Gottesmutter wird dabei hervorgehoben, und die Gläubigen werden daran erinnert, wie durch ihr „Ja“ der Heiland in die Welt kam.
Die Vorbereitung auf das Fest der Menschwerdung Gottes ist für Alexandra eine persönliche geistige Vorbereitung: „Außerdem versuche ich, mir durch passende Bücher als Vorbereitung auf Weihnachten zu verinnerlichen, was es bedeutet, dass der unendliche Gott ein Kind wird.“ Ausdrücklich erwähnt sie das Buch „Warum ist Gott ein Kind geworden?“ von Ferdinand Holböck.
Ihre Gemeinde in Oberhausen veranstaltet jedes Jahr eine Adventsfeier, bei der Adventslieder gesungen und Kinder durch den heiligen Nikolaus beschenkt werden. Sie hebt hervor, wie dieser traditionsgemäß in bischöfliche Gewänder, mit Mitra und Rauchmantel, gehüllt ist.
Der Brauch, dass Kinder vom heiligen Nikolaus Geschenke erhalten, ist tief in der Tradition verwurzelt, nämlich im mittelalterlichen „Bischofsspiel“, das in Kloster- und Stiftsschulen praktiziert wurde. Dabei wurde ein Schüler als Bischof oder Abt „eingesetzt“, hüllte sich in entsprechende Gewänder und durfte das Verhalten seiner Mitschüler belohnen oder maßregeln.
Während in vielen Haushalten der Weihnachtsbaum früh seinen Platz findet, bewahrt Alexandras Familie die Besinnlichkeit: „Unseren Weihnachtsbaum stellen wir immer erst kurz vor Heiligabend auf, genauso, wie wir eine Krippe aufstellen.“