Erstaunlicherweise machte die Würzburger Synode keine exakten Angaben zur Zuständigkeit des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Wahrscheinlicher Grund: Der Vorläufer des ZdK hatte sich bereits im Jahr 1848 gegründet und bestand bereits 120 Jahre vor der Würzburger Synode. 1848 wurde die Vereinsfreiheit in Deutschland eingeführt; überall sprossten zu diesem Zeitpunkt Laieninitiativen hervor, die sich jährlich bei den Vorläufern der heutigen Katholikentage zusammenfanden. Und so findet sich doch eine Aussage zur Funktion des ZdK im Kommentar der Würzburger Synode: „Dem entspricht es, dass sich die Aufgabenbereiche der Katholikenräte der Diözesen und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken in den Grundzügen decken.“

Die Würzburger Synode regelte allerdings das Zueinander überdiözesaner Gremien. Das betrifft einmal die „Gemeinsame Konferenz zwischen Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken“, die „keinen mit Wirkung nach außen beschließenden Charakter“ habe und auf bereits seit längerer Zeit regelmäßig stattfindenden Gesprächen aufbaue. „Sie kann weder die Deutsche Bischofskonferenz noch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken verpflichten.“ Und es regelte den „Verband der Diözesen Deutschlands“, der durch Beschluss der Deutschen Bischofskonferenz im Jahr 1966 „im rechtlichen und finanziellen Bereich geschaffen worden“ war – gewissermaßen als „Geschäftsführung“ der Kirche in Deutschland, sofern sich immer überdiözesane Aufgaben ergaben, die in gemeinsamer Trägerschaft und Finanzierung bewältigt werden mussten.

Dass die deutschen Katholikenvertreter in Würzburg bei der Umsetzung des Konzils die Unterschiede von Synodalität und Demokratie auseinander zu halten verstanden, zeigen einige Eigenarten. So müssen lediglich zwei Drittel der Mitglieder der Pfarrgemeinderäte durch unmittelbare Wahl gewählt werden. „Im Übrigen besteht für die Zusammensetzung ein freier Raum.“

Zentralkomitee und Synodalität

Vom Aufbau her hat das ZdK eine ähnliche, nicht-parlamentarische, sondern synodale Struktur. Es besteht eben aus gewählten und berufenen Mitgliedern. Gewählt werden die ZdK-Mitglieder nicht vom Kirchenvolk, sondern von den sie entsendenden Organisationen, also den Diözesanräten und den Verbänden: „Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist der Zusammenschluss von Vertreterinnen und Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände sowie von Institutionen des Laienapostolats und von weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft.“

Das ZdK-Statut erklärt in Absatz 2: „Es ist das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ im Sinne des Konzilsdekrets über das Apostolat der Laien (Nr. 26) zur Koordinierung der Kräfte des Laienapostolats und zur Förderung der apostolischen Tätigkeit der Kirche.“ Das bedeutet eine etwas kühne Formulierung! Das Konzilsdekret AA enthält in Nr. 26 die Soll-Forderung, „beratende Gremien“ einzurichten: „Unbeschadet des je eigenen Charakters und der Autonomie der verschiedenen Vereinigungen und Werke der Laien werden diese Beratungskörper deren gegenseitiger Koordinierung dienen können.“

Von einem „Organ“ ist keine Rede, im Gegenteil: Die Formulierung betont die Autonomie und Verschiedenheit der einzelnen Laieninitiativen und legt ihnen Koordinierung nahe – mehr nicht. Von einem Laienparlament oder gar einer obersten Laienregierung, die Kommandofunktion ausübt oder zu weitreichenden Direktiven bevollmächtigt ist, kann nicht die Rede sein. Deshalb wird über manche anmaßende Vorstellung, die sich das ZdK in der Gegenwart erlaubt, noch zu reden sein.

Als Aufgaben schreibt sich das ZdK in der derzeit gültigen Fassung des Statuts zu: Das Zentralkomitee …

a) beobachtet die Entwicklungen im gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Leben und vertritt die Anliegen der Katholiken in der Öffentlichkeit;
b) gibt Anregungen für das apostolische Wirken der Kirche und der Katholiken in der Gesellschaft und stimmt die Arbeit der in ihm zusammengeschlossenen Kräfte aufeinander ab;
c) wirkt an den kirchlichen Entscheidungen auf überdiözesaner Ebene mit und berät die Deutsche Bischofskonferenz in Fragen des gesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Lebens;
d) hat gemeinsame Initiativen und Veranstaltungen der deutschen Katholiken, wie die Deutschen Katholikentage, vorzubereiten und durchzuführen;
e) nimmt die Anliegen und Aufgaben der deutschen Katholiken im Ausland und auf internationaler Ebene wahr;
f) trägt für die Durchführung und Erfüllung der entsprechenden Maßnahmen Sorge.

Gefahr, das ZdK zu instrumentalisieren

Im Kontext der Konzilsdokumente und der Beschlüsse durch die Würzburger Synode bedarf dieses Statut einiger Präzisierungen, nachdem verstärkt nach jahrzehntelanger konformer Praxis Widersprüche deutlich werden:

a) Der Auftrag des ZdK ist nicht beliebig, sondern leitet sich ab vom Evangelium und vom Auftrag des Konzils, die „Zeichen der Zeit“ zu deuten. Das ZdK handelt nicht wie eine NGO. Sein Auftrag ist apostolisch. Es vertritt „die Anliegen der Katholiken in der Öffentlichkeit“. Das verlangt einen vorhandenen Grundkonsens über die vertretenen Anliegen unter den Katholiken. Ein einzelner Verband kann für bestimmte Gruppen und Interessen sprechen, das ZdK nicht. Es besteht vielmehr die Gefahr, das ZdK zu instrumentalisieren und vom notwendigen Grundkonsens abzurücken. Das ZdK-Präsidium sollte sich dessen stärker bewusst werden.
b) Wer die Tagesordnungen der ZdK-Vollversammlungen betrachtet, muss nach Anregungen für das apostolische Wirken der Kirche lange suchen; auch Abstimmungen unter den Verbänden und Kräften sind selten. Hier gilt es nachzujustieren.
c) Konzil, Synode und Statut schreiben den Beratungscharakter des ZdK fest. In der Realität entsteht oft eine entgegengesetzte Wirkung: Teilweise maßt sich das ZdK eine dirigistische Vorgehensweise an.
d) Die Teilnahme an den Katholikentagen geht rapide zurück. Die Ursachensuche lässt eigene Versäumnisse aus. So gab es beim vergangenen Katholikentag im Jahr 2022 in Stuttgart nicht eine einzige Veranstaltung, bei der die Themen des Synodalen Weges kontrovers und in angemessener Vielfalt der Podiumsgäste behandelt wurden. Seit dem Katholikentag 1968 in Essen sollte eine solche ängstliche Engführung der Vergangenheit angehören.

Nicht wirklich demokratisch

Das Statut macht den synodalen, aber nicht parlamentarisch-demokratischen Charakter durch die Zusammensetzung deutlich: 87 Persönlichkeiten aus den Diözesanräten, 52 Persönlichkeiten aus den katholischen Verbänden, acht Persönlichkeiten aus Geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen sowie aus den Säkularinstituten, bis zu 45 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kirchlichen Leben als weitere Mitglieder, sowie ehemalige Mitglieder, die noch Funktionen ausüben.

Im Statut wird von einem „Erwerb der Mitgliedschaft“ gesprochen, weil das Verfahren vielfältig ist. So werden die 45 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen und kirchlichen Leben durch die anderen Mitglieder der ZdK-Vollversammlung „gewählt“. Ein anderer Teil besteht aus Mitgliedern durch „Bestellung“. Eine Quote sorgt für Ausgewogenheit unter den Geschlechtern.

Die demokratietheoretische Legitimation der ZdK-Mitgliedschaft ist schon allein deshalb keine Basis, weil es sich – wie es das Konzil bestimmt hat – nicht um ein Entscheidungs-, sondern ein Beratungsgremium handelt. Der ordentliche Tagungszyklus ist laut Statut halbjährlich. Daran ist zu erkennen, dass sich die Hauptarbeit in den Untergremien abspielt. Für gremienerfahrene Analysten reicht ein kurzer Blick in das Statut um festzustellen, dass der 35-köpfige Hauptausschuss das eigentliche „Machtzentrum“ bildet, wobei zu erinnern ist, dass „Macht“ keine genuine Kategorie des Evangeliums ist (Mk 10,43: „Bei euch aber soll es nicht so sein“). Für die Beschreibung, wie sich der Hauptausschuss zusammensetzt und wie er gewählt wird, dafür benötigt das Statut jeweils zwei Seiten. Ein weiteres „Machtzentrum“ bildet das Präsidium, das faktisch geschäftsführend tätig ist.

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Keine Gewaltenteilung, aber Brüderlichkeit

Legt man die staatliche Gewaltenteilung für das ZdK zugrunde, so sind die Übergänge zwischen Legislative und Exekutive fließend, die Judikative fehlt. Aber wie heißt es im offiziellen Kommentar zur Würzburger Synode? „In der Kirche kann es nicht eine Dreiteilung der Gewalt wie im staatlichen Bereich nach Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geben.“

Die Würzburger Synode hat das Wesen des Laienapostolats bereits in erstaunlicher Tiefe gefasst. Der Beschluss hält gleich am Anfang fest: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Kirche betont als brüderliche Gemeinschaft gesehen. Damit alle an der Sendung der Kirche teilhaben können, schenkt der Geist Gottes die Gaben oder Charismen, die zum Aufbau der Kirche und zur Erfüllung ihrer Heilssendung erforderlich sind (1 Kor 12). Jeder Christ hat ein ihm eigenes Charisma, das im Allgemeinen mit seinen natürlichen Fähigkeiten, mit seinem Beruf und seinen Lebensumständen im Zusammenhang steht (1 Kor 7,7.17.20.24). Dazu gehört die selbstlose Bereitschaft, Kirche als lebendige brüderliche Gemeinschaft zu verwirklichen und Dienste in ihr zu übernehmen (LG 12). … Mitverantwortung nehmen auch jene wahr, die sich – entsprechend ihrem Charisma – ganz dem Gebet, der Sühne, tätiger Nächstenliebe oder christlichem Zeugnis in ihrer Weltaufgabe widmen.“ Und weiter: „Die eine Sendung der Kirche wird von den vielerlei Diensten wahrgenommen, die aufeinander angewiesen und dazu verpflichtet sind, sich in die Einheit der Gemeinschaft zu fügen. Das fordert partnerschaftliches Zusammenwirken aller.“

Sodann stellt die Würzburger Synode fest: „Die Verantwortung für den Dienst an der Welt ist den Laien in besonderer Weise aufgegeben. Sie verwirklichen die Sendung der Kirche im christlichen Zeugnis des täglichen Lebens, in Ehe und Familie, Arbeit und Beruf, in gesellschaftlicher und politischer Tätigkeit. In all dem handeln die Laien in eigenständiger Verantwortung. Sie üben ihre Verantwortung als einzelne oder gemeinsam aus.“

Gleichzeitig lässt der Beschluss keinen Zweifel offen an der Zielrichtung des Apostolischen Amtes: „Dem kirchlichen Amt ist die Sorge für die Einheit und das Zusammenwirken der vielen Dienste anvertraut.“ Es gibt also eine Hirtenfunktion, wenn auch klar und eindeutig auf das gute Miteinander abgestellt wird – zwischen den ganz unterschiedlich und autonom handelnden Laieninitiativen und zwischen Amtsträgern und Laien.

Formen der Mitverantwortung

Zur spezifischen Rolle des Amtes in der Kooperation mit den Laien stellt der Beschluss fest: „Den Auftrag Jesu Christi, Hirte, Lehrer und Priester des Gottesvolkes zu sein, nimmt der Amtsträger wahr im Zusammenwirken mit den anderen Diensten, auf deren Mithilfe er angewiesen ist. Er fördert die anderen Dienste, dient ihrer freien Entfaltung und sucht eine gemeinsame Urteilsbildung und Entscheidungsfindung zu erreichen. Da die Laien zu ihrem Teil die Sendung des ganzen Gottesvolkes in der Kirche und in der Welt mittragen, bedarf es institutionalisierter Formen der Mitverantwortung, in denen Amtsträger und Laien vertrauensvoll zusammenarbeiten und die Möglichkeit zu gemeinsamer Willensbildung und Entscheidungsfindung gegeben ist. Auf den verschiedenen Ebenen der kirchlichen Gliederung ist deshalb dem Leitungsamt ein Rat zugeordnet, der im Rahmen des kirchlichen Rechts Mitverantwortung trägt für alle Aufgaben, die eines gemeinsamen Planens und Handelns bedürfen. Das kritische und solidarische Wirken der Christen in der Gesellschaft erfordert eine Vielfalt von freien Initiativen, die dem missionarischen und diakonischen Apostolat Wirksamkeit verschaffen und nicht unter der direkten Leitung und Verantwortung des Amtes stehen. Um der gesellschaftlichen Wirksamkeit willen bedarf es einer umfassenden Zusammenarbeit aller Glieder und freien Initiativen, auch in rechtlich gesicherten Formen.“

Die Balance zwischen Laien und Amtsträgern funktioniert nur über einen entwickelten Sensus Fidelium, d. h. über eine intensive individuelle Rückbindung aller Beteiligten an den Herrn: „Mitverantwortung setzt das Bereitsein für den Anruf Christi und das Leben mit der Kirche voraus. Der Christ ist in der Erfüllung seines Auftrages Christus dem Herrn verpflichtet. Er wird daher seinen Dienst, sein Denken und Tun an der Hl. Schrift und am Wort der Kirche prüfen und seine Fähigkeiten als Gaben des Geistes ‚zum allgemeinen Nutzen’ (1 Kor 12,7) einsetzen“ (Beschluss Räte und Verbände 3.1).

Vierter von insgesamt fünf Teilen.

Der Autor war 36 Jahre Chefredakteur des Kolpingblattes bzw. Kolpingmagazins und gehörte in dieser Zeit dem Bundesvorstand des Kolpingwerkes Deutschland mit beratender Stimme an.

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