8. Februar 2024
CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden Sechsten Sonntag im Jahreskreis.
An diesem sechsten Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B berichtet das Evangelium von der Heilung eines Aussätzigen, und die erste Lesung erklärt uns, was es damals bedeutete, ein Aussätziger zu sein. Der Aussätzige ist der Ausgeschlossene, er ist eine Bedrohung, er ist jemand, gegen den sich eine Gesellschaft verteidigen muss. „Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten“ (Lev 13,46).
Das Eigenartige ist, dass uns am Ende des Abschnitts aus dem Evangeliums gesagt wird, dass sich Jesus, nachdem die Tatsache der Heilung des Aussätzigen bekannt wurde, „in keiner Stadt mehr zeigen konnte;
er hielt sich nur noch an einsamen Orten auf“ (Mk 1,45). So als ob nun er der Aussätzige wäre!
Jede Gesellschaft hat es nötig, sich gegen jene zu verteidigen, die ihr schaden können. Der Aussätzige, der Verderber, der Kriminelle müssen in eine Lage versetzt werden, in der sie anderen nicht schaden. Das bedeutet, dass sie isoliert und aus dem gesellschaftlichen Verbund ausgeschlossen werden müssen. Natürlich unterscheiden wir die Isolation als Bestrafung (der Verbrecher wird inhaftiert) von der Isolation, die schlicht und einfach Schutz ist (der ansteckende Patient). Aber letztendlich geht es immer um Isolation. Es ist in jedem Fall ein Ausschluss.
Ist eine vollständig inklusive Gesellschaft ohne jegliche Form der Ausgrenzung möglich? Menschlich gesehen nein. Das Mindeste wäre, dass eine solche Gesellschaft diejenigen ausschließen sollte, die andere ausschließen wollen! In dem Maß, in dem die Kirche menschlich ist, muss auch die Kirche notwendigerweise eine Form des Ausschlusses vorsehen, wie etwa die Exkommunikation für diejenigen, die sich zu Lehren bekennen, die dem wahren Glauben widersprechen, oder für diejenigen, die Verhaltensweisen an den Tag legen, die die Gemeinschaft zerstören.
Dies ist einer der offensichtlichsten Unterschiede zwischen dem Himmelreich und der irdischen Realität (einschließlich der Kirche). Jesus schließt niemals aus. Jesus berührt den Aussätzigen.
Aber – aufgepasst! – er tut es nicht, um die Utopie einer irdischen Stadt ohne Ausgrenzungen zu lancieren. Dazu müsste die irdische Stadt ohne Lepra sein: ohne Korruption, ohne Verbrechen, ohne Sünde. Und das ist nicht möglich! Jesus berührtden Aussätzigen, um ihn zu heilen. Er allein kann es.
Die Selbstvorstellung des Aussätzigen provoziert gemäß einigen Handschriften das Mitgefühl Jesu, nach anderen löst sie seine heftige Missbilligung aus. Mir scheint, dass diese scheinbar gegensätzlichen Aspekte beide beibehalten werden sollten. Wir befinden uns zwischen Skylla und Charybdis: zwischen dem Mitgefühl, das uns aufnehmen lässt, und der Sorge, die uns dazu bringt, auszuschließen. Jesus übertrifft beides in einer höheren Synthese: Er verurteilt das Böse, hat Mitleid mit dem Menschen, der ihm zum Opfer fällt, und heilt.
Das Mitleid Jesu ist kein Kompromiss, kein Verhandeln mit der Unreinheit, die durch die Lepra dargestellt wird: Es ist Heilung! Und der geheilte Aussätzige wird wieder in die Gesellschaft aufgenommen: Er kann sich dem Priester zeigen, die Opfergabe darbringen und wieder eingegliedert werden.
Aber die paradoxe Konsequenz daraus ist, dass Christus die Stadt verlassen und außerhalb von ihr bleiben muss, an verlassenen Orten! Damit ist klar, dass sein Königreich nicht von dieser Welt ist: Um dich wieder einzugliedern, grenzt er sich aus. Er hatte den geheilten Aussätzigen angewiesen, niemandem etwas zu sagen: Warum? Weil die Menschen dazu neigen, das Zeichen mit der Realität zu verwechseln – wie wenn er die Brote vermehren wird und sie ihn holen wollen, um ihn zum König zu machen (Joh 6). Denn die Menschen neigen dazu, das Himmelreich so zu behandeln, als wäre es ein Reich dieser Welt.
Die Erzählung des Evangeliums endet jedoch mit einem Bild der Hoffnung: „Die Leute kamen von überall her zu ihm.“ Es ist eine Einladung an uns. Auch wir sind aufgerufen, zu Jesus zu gehen, aus unseren irdischen Mustern herauszukommen. Irdisch ist eine Religion, die auf dem Gesetz basiert, das die Sünder ausschließt. Irdisch ist aber auch eine Religion der billigen Gnade, die alle „zu ermäßigten Preisen” einschließt und kein Engagement der Bekehrung verlangt.
Das Handeln Jesu hingegen ist irdisch-himmlisch: Er teilt unser Elend, berührt unseren Aussatz, er lässt sich ausgrenzen, um niemanden draußen zu lassen. Aber so handelnd geht er keinen Kompromiss mit dem Bösen ein: Er heilt es, indem er sich mit uns solidarisch macht.
Mit dem in die Stadt wieder eingegliederten Aussätzigen und dem ausgegrenzten Jesus wird das Werk der Erlösung veranschaulicht: Christus ist der Heilige, der sich als Sünder behandeln lässt, damit der Sünder heilig werden kann. Wir sind gerettet durch diesen „wunderbaren Tausch”. Aber das muss auch das Kriterium unseres Lebens werden. Wir leben in einer irdischen Gemeinschaft, in der es unvermeidbar ist, dass es einige gibt, die ausgeschlossen werden müssen, aber wir sind Bürger des Himmelreiches, und das bringt uns dazu, die Ausgeschlossenen zu lieben, wie Christus uns geliebt hat.
Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
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