4. Mai 2024
Am 2. April 2024, am 19. Todestag von Papst Johannes Paul II., stellte Kardinal Víctor Manuel Fernández, der Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, eine grundsätzliche Klärung über die Würde des Menschen vor – die in weltlichen Medien kontrovers aufgenommene, wichtige Erklärung Dignitas infinita, von Papst Franziskus am 25. März 2024 approbiert.
Fünf Jahre lang wurde an diesem bedeutenden Dokument gearbeitet, einem fundamental wichtigen Text gegen die Strömungen des Zeitgeistes und insbesondere auch gegen die säkularen Fantasien, die in der Theologie hierzulande verbreitet sind und auf dem deutschen Synodalen Weg offensiv vertreten wurden. Kardinal Fernández wies bei der Präsentation der Erklärung ausdrücklich darauf hin, dass manche „Aspekte der Menschenwürde“ gegenwärtig „im Bewusstsein vieler Menschen möglicherweise verdunkelt“ und einige kaum annehmbar erscheinen. Der Präfekt bekräftigte, dass alle erörterten Facetten notwendig seien und dabei helfen, „die Harmonie und den Reichtum des Denkens über die Würde zu erkennen, die sich aus dem Evangelium ergibt“.
Weiterhin sagte er: „Diese Würde aller Menschen kann in der Tat als ‚unendlich‘ (Dignitas infinita) verstanden werden, wie der heilige Johannes Paul II. bei einem Treffen mit Menschen, die von bestimmten Einschränkungen oder Behinderungen betroffen sind, bekräftigt hat, um zu zeigen, dass die Würde aller Menschen jede äußerliche Erscheinung oder jedes Merkmal des konkreten Lebens der Menschen übersteigt.“ Die Würde des Menschen stelle eine „universelle Wahrheit“ dar, „zu deren Anerkennung wir alle aufgerufen sind, als grundlegende Voraussetzung dafür, dass unsere Gesellschaften wirklich gerecht, friedlich, gesund und letztlich authentisch menschlich seien“.
Grundsätzlich wird in der Erklärung zu Beginn festgestellt: „Eine unendliche Würde (Dignitas infinita), die unveräußerlich in ihrem Wesen begründet ist, kommt jeder menschlichen Person zu, unabhängig von allen Umständen und in welchem Zustand oder in welcher Situation sie sich auch immer befinden mag.“ Auch die Vernunft könne dies erkennen: „Die Kirche bekräftigt und bestätigt im Licht der Offenbarung in absoluter Art und Weise diese ontologische Würde der menschlichen Person, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und in Christus Jesus erlöst wurde.“
Diese objektive Wahrheit bildet die Grundlage für die Sorge und das Engagement für die Armen, Kranken und Schwachen. Die Kirche ist stets auf den Primat der menschlichen Person bedacht, bereit, ihre Würde unter allen Umständen zu verteidigen. Jeder Mensch, von Gott geschaffen und von Christus erlöst, müsse wegen seiner „unveräußerlichen Würde“ anerkannt und geachtet werden. Die Begegnung mit dem Mitmenschen solle sich in Liebe vollziehen. Zugleich gebe es einige „Missverständnisse“ in Bezug auf die Menschenwürde, die erörtert werden müssten.
Zitiert werden die heiligen Päpste Paul VI. und Johannes Paul II., ebenso Benedikt XVI.: „Im Jahr 2010 erklärte Benedikt XVI. vor der Päpstlichen Akademie für das Leben, dass die Würde der Person ‚ein grundlegendes Prinzip [ist], das der Glaube an Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, immer verteidigt hat, vor allem wenn es gegenüber den geringsten und schutzlosesten Personen mißachtet wird‘.“
Benedikt XVI. erinnerte auch daran, dass Wirtschaft und Finanzen nie Selbstzweck seien, sondern stets nur Mittel zum Zweck: „Ihr einziges Ziel ist die menschliche Person und ihre volle Erfüllung in Würde. Dies ist das einzige Kapital, das es zu bewahren gilt.“
Papst Franziskus betonte die „unermessliche Würde“ des Menschen und empfahl ein neues Zusammenleben unter den Schwestern und Brüdern der Menschheitsfamilie, eine „Weggemeinschaft in einem Horizont echter Brüderlichkeit“. Das Evangelium Jesu Christi stelle die „Quelle der Menschenwürde und Geschwisterlichkeit“ dar. Die „unveräußerliche Würde“ des Menschen, so erklärt Papst Franziskus, „ist eine Wahrheit, die der menschlichen Natur unabhängig jeden kulturellen Wandels zukommt“. Doch die Würde des Menschen heute ist angefochten, insbesondere die Würde des ungeborenen Kindes.
Kardinal Fernández betont: „All dies führt uns dazu, die Möglichkeit einer vierfachen Unterscheidung im Verständnis von Würde zu erkennen: die ontologische Würde, die sittliche Würde, die soziale Würde und schließlich die existenzielle Würde. Die wichtigste Sinngebung ist an die ontologische Würde gebunden, die der Person als solcher allein durch die Tatsache zukommt, dass sie existiert und von Gott gewollt, geschaffen und geliebt ist. Diese Würde kann niemals ausgelöscht werden und bleibt über alle Umstände hinaus gültig, in denen sich der Einzelne befinden kann.“
Die sittliche Würde bezieht sich auf die Ausübung der Freiheit. Der Mensch hat die Möglichkeit, gewissenlos zu handeln – und mit Gewissen ist nicht ein subjektives Rechtsbewusstsein oder Gerechtigkeitsempfinden gemeint, sondern selbstverständlich das kirchlich gebildete Gewissen: „Die Geschichte bezeugt, dass die Ausübung der Freiheit gegen das vom Evangelium geoffenbarte Gesetz der Liebe unermessliche Ausmaße des Bösen erreichen kann, das anderen zugefügt wird. Wenn dies geschieht, stehen wir vor Menschen, die jede Spur von Menschlichkeit, jede Spur von Würde verloren zu haben scheinen.“ Die sittliche Würde kann somit verloren gehen, aber die „ontologische Würde“ kann niemals aufgehoben werden: „Und gerade wegen letzterer müssen wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass all jene, die Böses getan haben, umkehren und Buße tun.“
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