18. Mai 2024
Die Kirche ist die vorzügliche Verteidigerin der Würde aller Menschen, so wird in Dignitas infinita ausgeführt. Die Würde des Menschen entspringe der Liebe Gottes, der ihm „unauslöschliche Züge seines Ebenbildes“ eingeprägt habe und den Menschen dazu aufrufe, „ihn zu erkennen, zu lieben und in einer Bundesbeziehung mit ihm sowie in Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Frieden mit allen anderen Menschen zu leben“: „In dieser Sichtweise bezieht sich die Würde nicht nur auf die Seele, sondern auf die Person als untrennbare Einheit und ist somit auch ihrem Leib zu eigen, der auf seine Weise am Ebenbild des Menschen teilhat und auch dazu berufen ist, an der Herrlichkeit der Seele in der göttlichen Seligkeit teilzuhaben.“ Damit wird zugleich deutlich, dass der Leib des Menschen nicht manipuliert oder, verführt von herrschenden Ideologien, beliebig verändert werden darf. Was Gott erschafft – so auch den Leib einer jeden Person –, ist ein Geschenk, das geliebt und geachtet werden soll.
Verdeutlicht wird dies auch am Beispiel der Aussätzigen im Neuen Testament, denen sich Christus liebevoll zuwendet: „Indem er bekräftigte, dass das, was man diesen Menschen antut, ihm angetan wird, weil er in diesen Menschen gegenwärtig ist, brachte Jesus die große Neuheit der Anerkennung der Würde jedes Menschen, auch und gerade derjenigen, die als ‚unwürdig‘ betrachtet wurden. Dieses neue Prinzip in der Menschheitsgeschichte, wonach der Mensch umso mehr ‚wert‘ ist, respektiert und geliebt zu werden, je schwächer, elender und leidender er ist, bis hin zum Verlust seiner menschlichen ‚Gestalt‘, hat das Gesicht der Welt verändert und zur Gründung von Einrichtungen geführt, die sich um Menschen in schwierigen Lebensumständen kümmern: ausgesetzte Neugeborene, Waisen, allein gelassene alte Menschen, psychisch Kranke, Menschen mit unheilbaren Krankheiten oder schweren Missbildungen, Menschen, die auf der Straße leben.“
Jeder Mensch sei zur Fülle der Menschenwürde berufen, für das ewige Leben: „Folglich glaubt und bekräftigt die Kirche, dass alle Menschen, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und in dem menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Sohn wiedergeboren sind, dazu berufen sind, unter dem Wirken des Heiligen Geistes zu wachsen, um die Herrlichkeit des Vaters in demselben Bild widerzuspiegeln und am ewigen Leben teilzuhaben (vgl. Joh 10,15–16, 17,22–24; 2 Kor 3,18; Eph 1,3–14).“
Der Mensch hat mit der Würde ein „unwiderrufliches Geschenk“ empfangen. Doch wird er ihr gerecht? Bringt er die Würde zum vollen Ausdruck? Oder schmälert er durch sein Denken und Tun die Würde? Es ist die freie Entscheidung des Menschen, wie er sich zu der von Gott verliehenen Würde verhält: „Das Bild Gottes ist der Freiheit des Menschen anvertraut, damit unter der Führung und dem Wirken des Geistes seine Ähnlichkeit mit Gott wächst und jeder Mensch seine höchste Würde erlangt. In der Tat ist jeder Mensch dazu berufen, die ontologische Tragweite seiner Würde auf existenzieller und moralischer Ebene in dem Maße zu manifestieren, in dem er sich in seiner eigenen Freiheit als Antwort auf die Liebe Gottes auf das wahre Gut ausrichtet. Da der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, verliert er einerseits nie seine Würde und hört nie auf, dazu berufen zu sein, das Gute frei anzunehmen; andererseits kann sich seine Würde in dem Maße, wie er auf das Gute antwortet, frei, dynamisch und immer mehr manifestieren, wachsen und reifen. Das bedeutet, dass der Mensch auch danach streben muss, seiner Würde gerecht zu werden.“
Die „Sünde“ kann die Würde des Menschen „verwunden und verdunkeln“, aber niemals „die Tatsache auslöschen, dass der Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen wurde“: „Der Glaube trägt also entscheidend dazu bei, der Vernunft bei der Wahrnehmung der Menschenwürde zu helfen und ihre Wesenszüge anzunehmen, zu bestärken und zu verdeutlichen, wie Benedikt XVI. betonte: ‚Ohne die Korrekturfunktion der Religion kann jedoch auch die Vernunft den Gefahren einer Verzerrung anheimfallen, wenn sie zum Beispiel von Ideologien manipuliert wird oder auf einseitige Weise zur Anwendung kommt, ohne die Würde der menschlichen Person voll zu berücksichtigen. Ein solcher Mißbrauch der Vernunft war es ja auch, der den Sklavenhandel und viele andere gesellschaftliche Übel erst ermöglicht hat, nicht zuletzt die totalitären Ideologien des zwanzigsten Jahrhunderts.‘“
Diese hilfreiche Korrektur durch die Religion erweist sich heute in der Postmoderne als sehr nötig. In der herrschenden „Diktatur des Relativismus“ (Kardinal Joseph Ratzinger) wird etwa ein Menschenrecht auf Abtreibung behauptet und am 11. April 2024 vom EU-Parlament mehrheitlich befürwortet, was exemplarisch für den Ungeist des Säkularismus steht, der die Würde des Menschen antastbar macht. Die Kirche – und damit jeder einzelne Christ – ist aufgerufen, für den Schutz der Menschenwürde einzustehen, durch Zeugnis und Beispiel.
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