22. August 2024
CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden 21. Sonntag im Jahreskreis.
Das Sonntagsevangelium (Joh 6,60–69) ist die Geschichte einer großen Apostasie, das heißt der Verleugnung des zuvor angenommenen Glaubens: „Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher.“
Es geht hier nicht allgemein um die Menge. Es handelt sich um seine Jünger, um diejenigen, die sich in seine Schule begeben haben und ihm bis hierher gefolgt sind – und jetzt gehen sie weg. Wie können wir da nicht an unser Europa denken, das in der Vergangenheit ein christlicher Kontinent war, der Heilige, Missionare und Märtyrer hervorbrachte, die den Glauben in der ganzen Welt verbreitet haben – und jetzt ist es so zugerichtet, wie wir es sehen können!
Die Seite aus dem Evangelium, die wir heute hören, erklärt uns zwei Dinge: Erstens, was die Ursache der Apostasie ist, und zweitens, wie die Kirche mit ihr umgehen muss.
Die Ursache der Apostasie ist das Anstoß-Nehmen. „Daran nehmt ihr Anstoß?“, fragt Jesus. Woran nehmen die Jünger Anstoß und was führt sie zum Abfall? Heutzutage sind viele schockiert über den Verrat von bestimmten Geistlichen, die Missbrauch begehen im sexuellen oder im finanziellen Bereich, etc.
Wir müssen aber zwei Überlegungen anstellen. Zum einen hat es in der Kirche immer Verräter gegeben, so wie es auf dieser Erde immer Unkraut im Feld Gottes gibt: Jesus wusste von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn ausliefern würde. Desweiteren: Wer Verrat begeht, tut dies, weil auch er in Apostasie verfallen ist, weil er vom Glauben abgefallen ist, ihn aufgegeben hat.
Und so kommen wir wieder zum Ausgangspunkt zurück: Warum gibt jemand den Glauben auf? Warum nehmen viele seiner Jünger an diesem Tag nicht an Judas Anstoß, sondern an Jesus? Sie sagten: „Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören?“
Es ist eine harte Rede, weil sie nicht auf eine menschliche Lehre reduziert werden kann. Jesus hatte gesagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben.“ Diese Worte sind gleichbedeutend damit, zu sagen: „Ich bin die fleischgewordene Weisheit, ihr müsst euch mit meinem Wort nähren, das Wort des ewigen Lebens ist.“ Sie sind gleichbedeutend damit, zu sagen: „Ich bin eure Speise, weil das, was ich euch sage, der Wille des Vaters ist.“ Und es sind Worte, die auf das Sakrament der Eucharistie verweisen, in dem wir uns von ihm nähren und von ihm assimiliert werden.
Doch fragen wir uns nun: Sind wir völlig immun gegen dieses Anstoß-Nehmen? Wir, die wir an der Eucharistie teilnehmen, die wir der Liturgie beiwohnen, sind wir wirklich sicher, keinen Anstoß an Jesus zu nehmen?
Um darauf zu antworten, können wir als Test die zweite Lesung nehmen (Eph 5,21–32), in der uns der heilige Paulus zur gegenseitigen Unterordnung auffordert: „Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi!“
Religiöse Unterordnung, sogar den Ehemännern untergeordnete Ehefrauen, Ehemänner, die aufgerufen sind, für die Ehefrauen zu sterben, wie Christus für die Kirche gestorben ist. Ist es vielleicht nicht wahr, dass wir daran Anstoß nehmen? Ist es vielleicht nicht wahr, dass sich ein Protest in uns erhebt? Ich soll mich unterordnen? Und meine Rechte? Und die Errungenschaften der Emanzipation und der Autonomie? Und mein Wille? Und meine Würde?
Das Wort Gottes erregt in uns Anstoß, weil wir dem Fleisch nach denken und nicht dem Geist nach. „Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi.“ Die Motivation ist die Furcht Christi, das heißt, die Ehrfurcht ihm gegenüber, die Angst, ihn zu betrüben. Denn er hat uns das Beispiel der Unterordnung gegeben. Er hat sich selbst entäußert und wurde wie ein Sklave (vgl. Phil 2,5 ff.). Er wurde Teil einer menschlichen Familie und war den Eltern gehorsam (vgl. Lk 2,51) und Maria war Josef gehorsam, weil im Evangelium derjenige der Größte ist, der auf dem letzten Platz steht. Es ist nicht der, der befiehlt, sondern der, der gehorcht.
Sicherlich, all das kann man nur akzeptieren, wenn man glaubt: „Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war? Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben.“
Derjenige, der keinen Glauben hat, kann nicht ohne Anstoßnehmen den Menschensohn aufsteigen sehen, dorthin, wo er vorher war. Er kann also die Erhöhung Christi nicht betrachten, die sich in Kreuz und Auferstehung vollzieht. Er wird nur den Skandal par excellence sehen: das Kreuz. Nur der Glaube überwindet den Anstoß und öffnet die Augen für die Weisheit des Geistes, der Leben schenkt, nicht für jene des Fleisches, die nichts nützt.
Schenken wir diesen Worten große Aufmerksamkeit, denn vielleicht mehr denn je sind unsere Ohren und Augen voll von Botschaften „des Fleisches“, von einer falschen Weisheit, die Anstoß an Jesus nimmt und uns zur Apostasie führt.
Wie umgehen mit der Apostasie? Jesus hat uns das konkrete Beispiel dafür gegeben: Er macht keine Abstriche, er geht keine Kompromisse ein. Er wendet sich an die Zwölf und sagt: „Wollt auch ihr weggehen?“
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Wie oft fühlen wir uns versucht, „Abstriche“ gegenüber dem Evangelium zu machen, um den Menschen zu gefallen! Wie viel einfacher ist es, Jesus auf einen Meister menschlicher Weisheit zu reduzieren, statt seine Göttlichkeit zu bekunden! Oder die Bedeutung der Sakramente zu streichen, vor allem wenn sie unbequem werden, wie die Beichte oder die Ehe! Aber Christus macht keine Abstriche: Vergessen wir das ja nicht! „Wollt auch ihr weggehen?“ Ich schränke eure Freiheit nicht ein, aber ich weiche auch meine „harte“ Rede nicht auf.
Das Bekenntnis von Simon Petrus ist klar: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“
Von diesem Moment an wurden die Jünger Jesu zahlenmäßig viel weniger, aber ihr Glaube hat die Welt besiegt. So möge es auch für unsere Kirche sein.
Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.