5. September 2024
CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden 23. Sonntag im Jahreskreis.
Das Sonntagsevangelium (Mk 7,31–37) ist der Bericht eines realen Ereignisses, jedoch mit einem starken symbolischen Inhalt. Wenn wir uns darauf beschränken, das Ereignis zu betrachten, scheint es uns eines der vielen Wunder zu sein, die Jesus vollbracht hat. Und da wir gewohnt sind, diese Dinge zu hören, besteht die Gefahr, dass es uns gleichgültig lässt. Wenn wir uns stattdessen mit seinem symbolischen Inhalt befassen, wird es für uns zu einer Botschaft des Heiles.
Zunächst müssen wir den Kontext betrachten, in dem dieses Wunder geschieht: Wir befinden uns – sagt Markus – „mitten im Gebiet der Dekapolis“, das heißt in einer Region, die vom Heidentum kontaminiert und von Götzendienst geprägt ist.
Jemand bringt einen Taubstummen zu Jesus – einen Mann, der weder hören noch sprechen kann. Fehlen ihm vielleicht die Ohren? Hat er vielleicht keinen Mund? Nein. Er hat Ohren und hört nicht, er hat einen Mund, aber er gibt keinen Ton von sich. Und hier werden wir über das körperliche Unglück dieses armen Mannes hinaus auf die spirituelle Ebene verwiesen. In einem Psalm heißt es (Ps 115,4–8), dass die Götzen der Völker „ein Machwerk von Menschenhand sind. Sie haben einen Mund und reden nicht, Augen und sehen nicht; sie haben Ohren und hören nicht […] mit ihren Füßen können sie nicht gehen, sie bringen keinen Laut hervor aus ihrer Kehle.“ Und es wird hinzugefügt, dass derjenige, der sie verehrt, so wird wie sie. Dieser arme Taubstumme stellt die Menschheit dar, die unfähig geworden ist, zu verstehen und sich auszudrücken, weil sie sich von Gott distanziert hat.
Die Menschen bitten Jesus, dass er dem Taubstummen die Hände auflege. Der Herr aber beschränkt sich nicht auf eine allgemeine Geste des Segens oder des Mitgefühls. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, denn wahre Heilung ist die Frucht einer tiefen, persönlichen Begegnung mit ihm.
Jesus führt zunächst Gesten von hohem symbolischem Wert durch: Er legte ihm die Finger in die Ohren – der „Finger Gottes“ ist der Heilige Geist (vgl. Lk 11,20 und Mt 12,28) – und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel – der Speichel stellte in der semitischen Welt den verfestigten Geist dar (vgl. auch Joh 9,6). Dann blickt er zum Himmel auf – eine Geste des Gebets, gerichtet an den Vater, die Quelle des von Jesus verwirklichten Heils – und seufzt, was an die Erschaffung Adams erinnert (vgl. Gen 2,7). Schließlich spricht er das Wort der Heilung aus: „Effata“, das heißt „Öffne dich!“, und der Mensch, verschlossen in der Taubheit und Stummheit seines Götzendienstes, öffnet sich dem Hören auf das Wort Gottes und seiner Verkündigung.
Mir scheint, dass diese Episode, wenn man sie in ihrem symbolischen Wert versteht, ein wichtiges Licht auf unsere persönliche und kirchliche Situation wirft. Wie oft stellen wir Männer und Frauen der Kirche (Priester, Ordensleute, aber auch Eltern, Katechisten, Sozialarbeiter) fest, dass wir nicht verstehen, was um uns herum geschieht, dass wir nicht in der Lage sind, zu den Menschen zu sprechen!
Manchmal machen wir uns vor, dass ein bisschen mehr „Anpassung an die heutige Zeit“, die Anwendung von irgendeiner psychologischen Methode oder andere menschliche Mittel uns heilen und uns die Wirksamkeit wiedergeben können, die uns fehlt. Diese Mittel können nützlich sein, sind aber nicht entscheidend. Das Wort Gottes offenbart uns, dass die Frustration, die wir erleben, eine Folge des Götzendienstes ist, eine Folge der Tatsache, dass wir den Herrn verlassen und unser Vertrauen in Dinge setzen, die nicht retten können. Auch wir haben nötig, geheilt zu werden!
Wenn also auch wir uns unserer Taubheit gegenüber dem Wort Gottes und gegenüber den Bedürfnissen der Menschen bewusst werden, wenn wir uns unserer Unfähigkeit bewusst sind, zur Welt zu sprechen, dann müssen wir uns zunächst vom Herrn beiseite nehmen lassen, von der Menge wegführen lassen. Im Lärm zu bleiben, im Chaos des social zu versinken, benommen von den Geräuschen und Worten der media, entzieht uns der Begegnung mit ihm und hindert ihn daran, uns zu heilen.
Hin und wieder an den Herrn zu denken, so als ob es genügen würde, dass er uns die Hand auf den Kopf legt, damit wir Frieden erlangen, reicht nicht. Wir müssen eine tiefe Beziehung mit Christus eingehen, ihm die Möglichkeit geben, unsere Ohren und unsere Zunge mit seinem Geist zu berühren, die Vertrautheit mit ihm wiedergewinnen und uns heilen lassen. Dann wird auch für uns die Prophezeiung wahr, die wir in der ersten Lesung (Jes 35,4–7) hören: „Seid stark, fürchtet euch nicht! Er kommt und wird euch retten.“
Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.