9. Juli 2019
Wann immer ich den Hohen Dom zu Regensburg besuche, verweile ich still am Grab von Johann Michael Sailer. In der Wolfgangswoche hätte der "bayerische Kirchenvater" sehr aufmerksam, so vermute ich, der Predigt von Bischof Dr. Rudolf Voderholzer zugehört, als dieser vor den Religionslehrern des Bistums den Glauben der Kirche bekräftigte – und auch an die zehn Forderungen erinnerte, die vom Bundesverband katholischer Religionslehrer nun aufgebracht wurden.
Die vorgestellten Gedanken machen sehr, sehr nachdenklich. Die Mitglieder des Verbandes verkünden in der mittlerweile üblichen Diktion, die Zeit sei reif für einen Aufbruch, und sprechen von der Sehnsucht nach einer modernen, modernisierten und zeitgemäßen Kirche.
Nun wissen wir nicht, wie viele Religionslehrkräfte, die mit der "Missio canonica" im Namen katholischen Kirche zu unterrichten bestellt sind, wirklich dem Verband angehören und den energisch dargelegten, ja rebellisch anmutenden Gedanken von ganzem Herzen und mit Leidenschaft zustimmen. Vielleicht ist die Zeit gekommen, wirklich über den religionspädagogischen, auch über den schlicht pädagogischen Auftrag in unserer Zeit neu nachzudenken. Vielleicht ist es daher gut und wichtig, an Johann Michael Sailer, den Pädagogen, zu erinnern, der humorvoll, klug und sanftmütig über gute Landschullehrer nachdachte, in der Abhandlung "Ueber Erziehung für Erzieher". Dort lesen wir in der Ausgabe von 1831: "Der gute Landschullehrer ist frei von dem Schulmeisterstolze … Er ist frei von dem niedern Eigennutze … Er ist frei von der feinen Schikanerie, die zwischen Pfarrer und Gemeinde Zwietracht säet, um im Trüben angeln, oder Pfarrer und Gemeinde bei höhern Stellen schwarz machet, um herrschen zu können. Er ist frei von der Neuerungssucht, die alle Sitten der Vorzeit meistert, und überall Neues, bloß weil es neu ist, einführen will; frei von der Thorheit, Sittlichkeit ohne Pietät gründen zu wollen, oder von einer andern, die Kinder mit Kenntnissen zu überschütten, die sie in ihrem Berufe nie anwenden können. … Er ist unangesteckt von der großen Manie kleinerer Seelen, oder dem Wahne, daß man durch bloße Schulen die ganze Kirchenanstalt entbehrlich machen könne."
Solche Lehrerinnen und Lehrer wünschen wir uns gewiss auf dem Land und in der Stadt, die Ehrfurcht vor Gott und Treue zur Kirche zeigen, die sich selbst, ihre Ideen und Meinungen auch zurücknehmen und zuhören können. In unseren diskursfreudigen Zeiten brauchen wir gute Lehrkräfte mit einem klaren Blick so sehr, gerade auch im Fach katholische Religion. Was Johann Michael Sailer ausführt, kann vielleicht auch jene Lehrer zum Nachdenken anregen, die heute das Fach katholische Religion unterrichten und beherzt nach Innovation verlangen.
Bischof Dr. Rudolf Voderholzer sagte in seiner Predigt vor den katholischen Religionslehrern und pastoralen Mitarbeitern seines Bistums in der Basilika St. Emmeram am 26. Juni 2019:
"Vieles von dem, was zu Recht als spezifisch katholisch gilt, ist dem allgemeinen öffentlichen Bewusstsein so fremd geworden, dass jeder, der dennoch daran festhält und keine Abstriche an seinem Katholisch-sein machen will, bestenfalls als ein Exot oder Fortschrittsverweigerer, schlimmstenfalls als Menschenfeind oder böswilliger Reaktionär betrachtet wird, dem mit Verärgerung, ja mit Wut und Aggression begegnet wird."
Der Regensburger Bischof ermutigte die Zuhörer zu einem sakramentalen Denken, schöpfungstheologisch geordnet wie naturrechtlich gefestigt: "Es ist doch klar, dass jeder Mensch, ganz unabhängig von seinem Geschlecht oder seinen somatischen oder psychischen Besonderheiten, ein von Gott geliebtes Geschöpf, Ebenbild Gottes ist und umso mehr der Sorge der Kirche anvertraut ist, je mehr er sich ausgeschlossen oder diskriminiert fühlt."
Bischof Voderholzer betonte weiterhin: "Die Anerkenntnis der Sakramentalität bewahrt die Schöpfung vor der Ausbeutung durch die reine Funktionalität, vor der Reduktion auf die Materie und vor der Auslieferung an die Allmachtsphantasien einer immer selbstbewusster werdenden Technik, vor allem im Bereich der Genetik und der Medizin. Mit der Bewahrung des sakramentalen Denkens, die auch die Ehrfurcht vor der Schöpfung impliziert, mit der Wiederentdeckung des sakramentalen Denkens erweisen wir uns als katholische Kirche nicht nur nicht als »ewig-gestrig«, sondern wir würden im Gegenteil nicht nur ein neues Verständnis für die konkrete Gestalt der katholischen wecken und darüber hinaus der ganzen Gesellschaft einen wichtigen Dienst leisten. Die sakramentale Dimension vergessen hieße, Gott und letztlich auch seine Liebe aus unserem Leben still und heimlich zu verbannen. Ich jedenfalls werde mich nicht davon abhalten lassen, diese mir zutiefst wichtig erscheinende Sache um des Glaubens und der Kirche willen immer und immer wieder zu benennen und zu vertiefen suchen. Ich bitte Sie, mit mir darüber nachzudenken und nicht in Resignation zu verfallen, sondern frohgemut und selbstbewusst die Größe und Schönheit des Glaubens zu vermitteln suchen."
Auch Bischof Voderholzers großer Vorgänger Johann Michael Sailer hätte, so vermute ich, dem zugestimmt – auch in dem Bewusstsein, dass wir alle weiter lernen müssen, Gott, Seine Kirche und auch einander immer mehr zu verstehen und zu lieben. Auf den "Synodalen Wegen", wie immer sie aussehen mögen, sind wir alle aufgerufen, den Glauben, zu dem wir uns im "Credo" bekennen, zu vertiefen und – auch in aller Verschiedenheit – füreinander zu beten, um der Einheit der Kirche vor Ort, in ganz Deutschland und der Welt auf beste Weise zu dienen.
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