20. Juli 2020
Denken Sie an den "Synodalen Weg" – und stellen Sie sich vor, Sie würden gefragt, was Kardinal Woelki und Bischof Voderholzer verbindet. Was würden Sie antworten? Vielleich kommt Ihnen die gängige Berichterstattung in den Sinn. Möglicherweise assoziieren Sie mit diesen Namen ein Adjektiv, das dem Schablonendenken entspricht, das in Kirche, Medien und Welt überall kritisiert und fast genauso oft praktiziert wird – der Kölner Erzbischof und der Bischof von Regensburg werden gern als "konservativ" etikettiert. Dies erweckt den Eindruck, als seien beide Streiter einer Minderheit, die im Grunde gegen die besten Absichten der progressiven Bischöfe und fortschrittlichen Theologen wie Weltchristen, die den "Synodalen Weg" mit der Erneuerung der Kirche gleichsetzen, opponiert und wenige Getreue um sich versammelt. Möchten Sie als "konservativ" bezeichnet werden? Ich sehe in dem Adjektiv zwar keine Beleidigung. Nett gemeint ist das Wort aber auch nicht. Ich verbinde mit dem Begriff schon Wörter wie gestrig und verstockt. Wer die "Zeichen der Zeit" nicht richtig deutet, ist der nicht konservativ oder sogar traditionalistisch? Das Wort klingt nach Staub, Patina und Rost. Mir scheint, dass dieser Begriff einfach nicht sachgerecht ist, schon gar nicht in der Zuspitzung und Zuweisung. Somit würde ich sagen, dass Kardinal Woelki und Bischof Voderholzer die besten Fürsprecher und Vordenker des "Synodalen Weges" sind, jedenfalls dann, wenn man den unmissverständlichen Wunsch von Papst Franziskus nach Neuevangelisierung ernstnimmt. In diesem Sinne wären Woelki und Voderholzer progressiv für eine christozentrische Erneuerung der Kirche, die wir uns alle doch wünschen – oder nicht? Wichtig ist ein ganz anderer Aspekt: Der Begriff "konservativ" ist – auch im kirchenpolitischen Raum – eine Markierung, ein kirchenpolitisch genutztes Frame. Die Kognitionswissenschaftlerin Dr. Elisabeth Wehling hat über "Politisches Framing" ein interessantes Buch verfasst – sehr lesenswert. In einem Interview mit der renommierten "Akademie Management und Politik" der bekannten Friedrich-Ebert-Stiftung erläutert die Wissenschaftlerin, was ein "Frame" überhaupt ist: "Framing ist ein Fachbegriff der Kognitionsforschung und bezeichnet nichts anderes als »Rahmen setzen«. Also: Über Sprache wird im Kopf eines Rezipienten ein Frame aktiviert, der das gesammelte Weltwissen zu einer Idee beinhaltet." Die Sprache prägt das Denken. Der Begriff "konservativ" etwa ist eine solche Rahmung. Für Rahmungen sorgen auch Metaphern. Die in allen möglichen Diskursen – vom Fußball bis zur Kirche – virulente, zugleich auffällige molekulargenetische Begriffsfigur "DNA" (= Desoxyribonukleinsäure) gehört zur Wirklichkeit des Framings. Wir können in dem jüngst publizierten "Offenen Brief" norddeutscher Bischöfe an die "Landwirt*innen" lesen, dass die "Bewahrung der Schöpfung" zur "DNA der Kirche" gehört – also zur "Desoxyribonukleinsäure der Kirche"? Das klingt schon weniger geschmeidig, nicht so plakativ, eher umständlich und auch etwas deplatziert. Mir bekannte bodenständige Bäuerinnen und Bauern, gläubige Christen, die auch den Begriff "Lebenswirklichkeit" nicht nutzen, aber mit der Natur, der Ökologie des Menschen und besonders mit dem Acker, den sie pflügen, bestens vertraut sind, werden vielleicht nicht lange bei solchen wolkigen Wörtern verweilen.
Wie beeinflussen Metaphern und Sprachbilder unser politisches Denken und Handeln? Elisabeth Wehling sagte dazu: "Indem sie unsere Wahrnehmung prägen. Kurzfristig und langfristig. Wenn Sie über Monate hinweg, etwa in einem Wahlkampf, bestimmte Sprachbilder propagieren, dann setzt bei Ihren Mitbürgern ein sogenannter Hebbian Learning Prozess ein: Ihre politische Perspektive wird zunehmend begreifbar für Ihre Mitbürger, denn sprachliche Wiederholung stärkt synaptische Verbindungen im Gehirn." Gefragt wurde Frau Wehling auch: "In welche »Sprachfallen« sollte man nicht tappen?" Ihre Antwort ist eindeutig: "Man sollte die Sprache politischer Gegner meiden, denn sie basiert auf den moralischen Prämissen des Gegners – zumindest, wenn er gutes Framing macht. Auch wenn Sie Ideen negieren, aktivieren Sie die assoziierten Frames."
Natürlich gibt es in der römisch-katholischen Kirche nur Schwestern und Brüder im Glauben, keine Gegner, keine Fraktionen oder Parteiungen, vielleicht aber eine Vielfalt von Meinungen, Strömungen und Versuchen, die Signaturen der Zeit im Licht des Evangeliums zu deuten. Auf den "Synodalen Weg" bezogen heißt das vielleicht auch: Dem Wunsch des Papstes nach Neuevangelisierung ist nichts vorzuziehen – oder?
Über die Frames in der Kirche heute sollten wir dennoch nachdenken, im Sinne einer bewussten und sachorientierten Medien- und Sprachkritik. Vor allem, scheint mir, könnten wir zuversichtlich gestimmt und dankbar sein, von Christus sprechen, der das Herz und die Mitte der Kirche aller Zeiten und Orte ist. Wer sich zu Christus bekennt und ihn glaubhaft – durch das Wort und das Zeugnis des eigenen Lebens – verkündet, ist mitnichten konservativ, sondern weiß einfach: Das Beste kommt noch. Die römisch-katholische Kirche ist die schönste Hoffnungsbewegung, die ich kenne – und ich bin mir gewiss: Wer sich im "Credo" verwurzelt weiß, der ist wirklich fest verankert im Glauben und in der Gemeinschaft der Kirche, furchtlos weltoffen und der Zukunft, dem Ewigen Leben, zugewandt. Vielleicht sind Weltchristen wie wir, also Sie und ich, wie Papst Franziskus, Kardinal Woelki, Bischof Voderholzer und viele andere treue Hirten der Kirche, unsere Pfarrer vor Ort und fromme Ordensleute ganz einfach auch nur römisch-katholisch?
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