Regensburg - Sonntag, 1. Mai 2022, 8:00 Uhr.
Seit einigen Monaten bieten die bayerischen Bistümer Regensburg und Passau eine in Deutschland bislang einmalige duale Priesterausbildung an.
Statt eines kurzen Pfarreipraktikums im vierten Studienjahr ist nun vorgesehen, die Seminaristen bereits zu Studienbeginn mit einer Ausbildungspfarrei zu verbinden. Dort sollen die jungen Männer pro Jahr zehn Wochen verbringen. Diese Arbeit soll gleichzeitig auch durch ein "Studienentgelt" bezahlt werden.
CNA Deutsch sprach mit dem Regens des Priesterseminars St. Wolfgang in Regensburg, Msgr. Martin Priller, über die neue Art der Priesterausbildung.
Monsignore, mehr Einblicke in die Praxis im Rahmen der Priesterausbildung sind offensichtlich eine gute Sache. Wieso gibt es das nicht schon viel länger?
Msgr. Priller: Einblicke in die Praxis sind seit langem fester Bestandteil der Priesterausbildung. Während des propädeutischen Jahres liegt der Schwerpunkt auf sozialen Tätigkeiten; während der Studienjahre gab es bei uns bisher nacheinander jeweils mindestens vierwöchige Praktika in den Bereichen kirchliche Jugendarbeit, Religionsunterricht an Schulen und Pastoral in Pfarrgemeinden. Auf Wunsch oder bei Bedarf wurden auch weitere Praktika ermöglicht oder eingefordert, etwa in kategorialen Bereichen wie Gefängnisseelsorge, Krankenseelsorge etc.
Neu an unserem dualen Konzept ist im Vergleich dazu, dass der Umfang vor allem der Einsätze in der Pfarrpastoral spürbar erweitert wurde und die Einsatzorte über längere Zeiträume immer wieder aufgesucht werden. Somit treten an die Stelle punktueller Einzelerfahrungen nun Prozesse über längere Zeiträume, in denen Entwicklungen stattfinden und sichtbar werden.
Gleichzeitig ergibt sich aus den wiederkehrenden Praxiseinsätzen während der Phase der Studien ein ständiger Abgleich zwischen der wissenschaftlichen Theologie und dem pastoralen Handeln. Das ist in meinen Augen eine besondere Chance des dualen Gedankens.
Im Prinzip sehe ich darin lediglich eine noch konsequentere Umsetzung der Grundidee der Priesterausbildung in Priesterseminaren, in der es immer schon darum ging, die Kandidaten parallel zum Studium der Theologie auf den pastoralen Einsatz vorzubereiten und ihnen als Grundlage eine tragfähige Spiritualität zu vermitteln.
Es gibt Dinge, die nur ein Priester (oder wenigstens ein Diakon) tun kann, insbesondere natürlich die Sakramentenspendung. Was also bleibt für die Priesteramtskandidaten in den Ausbildungspfarreien zu tun?
Sie sollen das ganze Spektrum kirchlichen Lebens in den Gemeinden kennenlernen und sich gerade nicht auf Tätigkeitsfelder beschränken, die den geweihten Amtsträgern vorbehalten sind. Das Aufgabenfeld der Gemeindereferentin, der Kindergartenleiterin, die Tätigkeit der ambulanten Pflegedienste, der Pfarrsekretärin, des Kirchenmusikers, des Mesners oder die vielen ehrenamtlichen Dienste zu kennen, aus eigener Anschauung und eigenem Mitwirken, ist eine ganz entscheidende Voraussetzung, um später als Priester oder speziell als Pfarrer konstruktiv am Aufbau des Leibes Christi mitzuwirken, wie das Konzil das formuliert.
Wie werden die Ausbildungspfarreien ausgewählt?
Wichtig sind die Personen, allen voran ein Pfarrer mit der Fähigkeit und der Bereitschaft auszubilden; aber auch ein gut aufgestelltes Pfarrteam und die nötigen Mentorinnen und Mentoren für die Ausbildung im religionspädagogischen Bereich. Dazu kommt das Umfeld: eine lebendige Pfarrei mit ihren vielfältigen pastoralen, liturgischen und sozialen Aktivitäten. Alles ist relevant, viele tragen Mitverantwortung für eine gute Ausbildung der Priester. Das ist ein gemeinsames Anliegen.
Und dann spielen auch ganz pragmatische Dinge eine Rolle wie die Frage nach Verpflegung und Unterkunft, vorzugsweise im Pfarrhaus, die Länge der Fahrtstrecken und anderes mehr.
Seit vergangenem Herbst gibt es die duale Priesterausbildung bei Ihnen (und im Bistum Passau). Welche Rückmeldungen haben Sie schon von den Studenten bekommen?
Die Studenten waren es ja, die sich seit Jahren immer für mehr Praxiserfahrung stark gemacht haben. Die aktuellen Priesterkandidaten profitieren, wenn man so will, vom Feedback ihrer Vorgänger.
Ihre eigenen Rückmeldungen bestätigen das aber auch. Die Seminaristen sind deutlich stärker in Anspruch genommen, das muss man sagen, aber sie wissen den Wert der praktischen Erfahrungen sehr zu schätzen. Sie erfahren viel Rückhalt und Bestätigung in den Gemeinden, fühlen sich angenommen. Ich nehme sie als sehr motiviert wahr.
Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten und Herausforderungen. Sie sind wichtig für ein realistisches Berufsbild und werden als Chance zu wachsen angenommen. Ich bin sehr dankbar für die Bereitschaft, mit der die Kandidaten sich den Herausforderungen stellen – und für alle, die ihnen das ermöglichen.
Die jungen Männer, die sich auf den Priesterberuf vorbereiten, studieren an der Universität und arbeiten zehn Wochen pro Jahr in einer Pfarrei. Welche Rolle spielt dann noch das Priesterseminar?
Während der Vorlesungsmonate leben und glauben wir miteinander als Weggemeinschaft im Priesterseminar. Hinzu kommen die Theoriephasen mit pastoral-praktischen Anleitungen und Studientagen, die den Praxiseinsätzen jeweils vorgeschaltet sind, und die Festzeiten um Weihnachten und Ostern herum. In Summe verbringen wir fast 40 Wochen des Jahres gemeinsam im Seminar.
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Dass wir pastorale Ausbildungselemente aus den Wochen der Vorlesungszeiten heraushalten, dient der Konzentration auf das Studium, tut aber dem Zusammenleben und der gelebten Spiritualität im Priesterseminar keinen Abbruch. Im Gegenteil.
Deutlich zugenommen hat die Bedeutung des Priesterseminars für eine qualifizierte Anleitung und vor allem Begleitung und Reflexion der Praxiserfahrungen der Kandidaten, der Wachstumsprozesse und der durch sie angestoßenen Klärungsprozesse. Nach meinem Empfinden, das traue ich mich nach dem ersten halben Jahr bereits sagen, haben wir mehr Seminar in der dualen Priesterausbildung und nicht etwa weniger.
Werden andere Bistümer in Deutschland bald nachziehen und eine duale Priesterausbildung einrichten?
Das ist eine spekulative Frage. Ich nehme interessierte Aufmerksamkeit von vielen Seiten wahr. Uns war aber auch wichtig, von Anfang an transparent zu sein und nicht einen exklusiven Sonderweg zu gehen. Die Entwicklung des dualen Konzepts hat uns vier Jahre lang intensiv beschäftigt. Darüber haben wir in unseren Bistümern, aber auch in überdiözesanen Gremien und insbesondere in der "Welt der Priesterausbildung" immer wieder berichtet und das Gespräch gesucht und tun das weiterhin.
Es gibt auch skeptische und kritische Anfragen, denen wir uns gerne stellen und die wir ja auch an uns selbst richten. Was wir jetzt angefangen haben, ist kein Schnellschuss, sondern in einem langen Prozess unter Beteiligung vieler entstanden. Wir gehen das Projekt auch bewusst mit dem Anspruch an, es immer wieder zu hinterfragen und stets weiterzuentwickeln. Auch andere Bistümer und deren Verantwortliche werden es sich nicht leicht machen, die richtigen Weichenstellungen für eine gute und zeitgemäße Priesterausbildung zu finden.
Wir geben nicht vor, das Ei des Kolumbus entdeckt zu haben. Wir verbreiten unsere Ideen nicht mit missionarischem Eifer als alleinseligmachenden Weg. Aber wir sind gerne bereit, unsere Überlegungen, unsere Vorarbeit, unsere Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und mit anderen zu teilen. Prüft alles. Das Gute behaltet.
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