Vatikanstadt - Freitag, 6. Mai 2022, 8:39 Uhr.
Kardinal Angelo Becciu wurde am Donnerstag während einer Anhörung im laufenden Finanzprozess des Vatikans zu Investitionen befragt. Sein ehemaliger Stellvertreter, Msgr. Alberto Perlasca, fordert indessen als Nebenkläger Schadensersatz.
Von 2011 bis 2018 war Becciu der zweithöchste Beamte im Staatssekretariat des Vatikans, einer mächtigen kurialen Abteilung, die einer von vier Zivilklägern in einem Prozess gegen Bedienstete des Vatikans und Mitarbeiter im Zusammenhang mit dem umstrittenen Kauf einer Londoner Investitionsimmobilie ist.
Das Staatssekretariat ist derzeit eine der geschädigten Parteien, zusammen mit den beiden Finanzorganen des Vatikans, APSA und IOR, und der internen Finanzaufsichtsbehörde ASIF.
Ein Anwalt von Msgr. Alberto Perlasca, einem Beschuldigten, der zum Kronzeugen der Staatsanwaltschaft wurde, sagte zu Beginn der Anhörung am 5. Mai, dass dem ehemaligen Verwaltungschef des Sekretariats als Zivilkläger ebenfalls Schadenersatz zugesprochen werden sollte.
In einer 50-seitigen Erklärung am 5. Mai beteuerte Becciu seine Unschuld gegenüber den Vorwürfen der Veruntreuung, des Amtsmissbrauchs und der Zeugenbeeinflussung.
In seiner persönlichen Erklärung, für deren Verlesung er sich fast zweieinhalb Stunden Zeit nahm, ging der 73-jährige Kardinal auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein und erläuterte Einzelheiten zu seiner Position als Sostituto (Stellvertreter) des Staatssekretariats von 2011 bis 2018, darunter auch, dass sie darauf beruhte, dass er seinen Mitarbeitern volles Vertrauen entgegenbrachte, während er gleichzeitig völlig autonom gehandelt hat.
Auf die Erklärung folgten mehrere Stunden intensiver und hitziger Verhöre, in denen Becciu auf Bitten eines Staatsanwalts um mehr Informationen über bestimmte Investitionen des Staatssekretariats antwortete.
Der Kardinal bestritt auf Nachfrage, dass das Sekretariat Gelder aus dem Peterspfennig, dem Wohltätigkeitsfonds des Papstes, für die Investition in das Londoner Gebäude verwendet habe.
Auf die Frage, ob Papst Franziskus über die Investitionen des Staatssekretariats informiert sei, antwortete der Kardinal, dass er dem Papst gelegentlich Berichte vorlege, es aber keine spezifischen Genehmigungen gebe.
Becciu fügte hinzu, er sei "von der alten Schule - In odiosis non feci nomen pontifici", und erklärte die lateinische Redewendung so, dass "man versucht, die moralische Autorität des Papstes zu bewahren, ohne ihn in irdische Dinge zu verwickeln. Das bedeutet nicht, ihn nicht zu informieren, sondern ihm nicht die Verantwortung zu übertragen".
Im September 2020 trat Becciu als Präfekt der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse und von den Rechten und Privilegien des Kardinalskollegiums zurück. Er hat stets jegliches Fehlverhalten abgestritten.
Während der gesamten Befragung von Becciu, die am 18. Mai fortgesetzt wird, ließ der Gerichtspräsident Giuseppe Pignatone einige Fragen des Staatsanwalts nicht zu. An einem Punkt forderte der Richter eine fünfminütige Pause, damit sich der Anwalt und der Angeklagte beruhigen konnten.
Becciu wurde in der Anhörung am 5. Mai befragt, nachdem Papst Franziskus den Kardinal von der Verpflichtung des päpstlichen Geheimnisses entbunden hatte, einer Vertraulichkeitsregel, die sensible Informationen über die Leitung der Weltkirche schützt.
Der Kardinal hatte sich zuvor auf das päpstliche Geheimnis berufen, um zu argumentieren, dass er nicht über seine Beziehungen zu Cecilia Marogna sprechen könne, einer selbsternannten "Sicherheitsberaterin", die der Veruntreuung von Geldern des Staatssekretariats beschuldigt wird.
Die heute 40-jährige Sardinierin ist ebenfalls Angeklagte in dem Prozess. Sie ist wegen Veruntreuung angeklagt, weil sie im Zusammenhang mit Becciu Hunderttausende von Euro vom Staatssekretariat erhalten und das für wohltätige Zwecke vorgesehene Geld für Luxusgüter und Urlaube ausgegeben haben soll - was sie bestreitet.
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Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur.