Berlin - Samstag, 21. Mai 2022, 17:25 Uhr.
Kann man angesichts von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg überhaupt davon reden, dass es eine „Krise des Gehorsams“ gibt? Die überwiegende Mehrzahl der Menschen wenigstens steht treu und gewissenhaft zu verordneten Maßnahmen. Und doch gibt es eine Gehorsamskrise. Ein jeder weiß davon zu berichten: Eltern, Lehrer, Vorgesetzte: Wer Gehorsam erwartet, muss Überzeugungsarbeit leisten.
Das weiß auch Dr. Peter Kwasniewski, der Autor des vorliegenden Buches, das den Titel trägt: „Wahrer Gehorsam in der Kirche“. Er philosophiert darin über jene Probleme, die es heute dem treuen Katholiken schwer machen können, im Glauben fest zu stehen.
Kwasniewskis schmales Bändchen bietet eine kurze und prägnante Zusammenfassung eines schwierigen Themas, das besonders auf unsere Zeit anwendbar ist. Das Buch bietet eine informative und spannende Lektüre. Der Autor weiß, dass „Gehorsam“ einen schlechten Ruf hat.
Dies sei immer dann der Fall, wenn „Autorität missbraucht und Vertrauen ausgenutzt und enttäuscht“ werde. Dabei werde nicht auf das Gemeinwohl geachtet, sondern das eigene oder das von besonderen Interessengruppen. Bequemlichkeit, Liberalismus, moralische Laxheit und religiöse Missbräuche seien Folgen davon.
Kwasniewski befolgt in seiner Arbeit die Prinzipien, die in der Kirche immer Geltung besaßen. Der britische Dominikaner Dr. Thomas Crean O.P. sagt dazu: „In Anlehnung an die Lehre des heiligen Thomas von Aquin stellt Peter Kwasniewski zeitlose Prinzipien vor, die uns helfen können, in schwierigen Zeiten durch die Meerenge wahren Gehorsams zu navigieren.“
Kwasniewski geht es um die Gehorsamsfrage im Zusammenhang mit dem Thema der heiligen Liturgie. Päpstliche Dokumente zur Liturgie sind seit vielen Jahren zu Streitobjekten zwischen Theologen und Laien geworden.
Papst Benedikt XVI. bestätigte 2007 mit dem Motuproprio „Summorum Pontificum“, dass jene Liturgieform, die in der katholischen Tradition seit 2000 Jahren gewachsen war und weitergegeben wurde, nicht mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein Ende gefunden hat, sondern stattdessen weiter seine Existenzberechtigung habe.
Als nur wenige Jahre später sein Nachfolger eine andere Verordnung samt Einschätzung der Katholiken vefügt, die Schmerz, Sorge und Unverständnis ausgelöst haben, kann das Gewissen eines Katholiken schon sehr strapaziert werden.
Pater Richard Beron OSB (1903–1989) aus Beuron, ab 1962 Mitglied der liturgischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz und ab 1964 Consultor des Concilium Liturgicum in Rom, notierte, als unmittelbar im Zusammenhang mit der Liturgiereform ein regelrechter Kampf darüber ausbrach, welche Theologen ihre Liturgietexte und welche Verlage künftig liturgische Bücher herausgeben dürften: „Was sind das alles für Überlegungen unter Menschen, die im engsten geistlichen Sinn zueinander Brüder sind! Können wir so voreinander bestehen?“
Wie sich heute Bischöfen wie Betroffenen der Papst als Destabilisator der Römischen Liturgie präsentiert, ist vielfach berichtet und dokumentiert worden. Nicht nur mit „Traditionis Custodes“ hat demnach Franziskus die von Papst Benedikt begonnene Befriedung in liturgischen Fragen in das Gegenteil verkehrt: Wie kann es sein, dass innerhalb von weniger als 15 Jahren und innerhalb von zwei Pontifikaten der jeweilige Papst etwas vollkommen anderes verfügt als sein Vorgänger? Wie und wem und wo ist der Katholik da Gehorsam schuldig?
Das Franziskus-Dokument „Traditionis Custodes“ hebt nicht nur Benedikts „Summorum Pontificum“ auf; für Kritiker verabschiedet sich dieses auch von jener katholischen Position, die besagt, dass es in der Geschichte der Liturgie zwar „Wachstum und Fortschritt, aber keinen Bruch“ geben kann.
Während speziell das Verbot der „tridentinischen Messe“ von Benedikt als ein Verstoß gegen die lebendige Tradition der Kirche und sein natürliches „Wachsen“ betrachtet wurde, betont er auch noch, dass es „uns außerordentlich geschadet“ habe.
„Jenen Uniformismus, mit dem man jetzt das absolute Verbot des Missale von 1962 zu rechtfertigen versucht, hat es in der Geschichte allenfalls in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegeben, aber er gehört nicht zum Wesen der lateinischen Liturgie. Mit Recht hat Mailand seine alte Liturgie festgehalten; mit Recht suchen Toledo und Lyon ihre alten Traditionen neu zu beleben.“ (Vgl. Ratzinger, "Aus meinem Leben".)
Der Schaden, der durch das Verbot hervorgerufen wurde, und die Favorisierung einer neuen Liturgie, die als ein „Produkt gelehrter Arbeit und von juristischer Kompetenz“ (Ratzinger/Benedikt) anzusehen ist, bezeichnen einige Theologen als ein „Werk des Heiligen Geistes“. Doch welch Geistes Kind gebastelte Liturgien sein können, erleben viele Gläubigen Sonntag für Sonntag in Kirchen landauf, landab.
Wie die Dogmen ist auch die Liturgie etwas der Kirche Vorgegebenes. Hier wird von Kwasniewski die Diskussion zum Thema „wahrer Gehorsam in der Kirche“ eröffnet. Unfreiwillig erhält er Unterstützung eines anderen Benediktiners und Liturgiewissenschaftlers. Während Papst Franziskus die Konzilsväter als die eigentlichen „Väter“ der Liturgiereform betrachtet, stellt Pater Angelus Häußling (1932–2017) die wichtige Frage: „Welche ,Väter‘ sind die ,heiligen‘, deren Normen gelten sollen?“
Der Autor unseres Buches beteuert, dass er und andere, die sich für die überlieferte Liturgie einsetzen, weder „Revolutionäre noch Ungehorsame“ seien. Denn tatsächlich ginge es nicht darum, was einer sage oder nicht. Vielmehr gehe es um „die Autorität der Wahrheit im Hinblick auf das höchste Gut, auf Gott“. So stehe auch das Gewissen „immer in Verbindung mit der wahren Lehre“, und sie alleine ist die „Quelle der Erleuchtung“, „die sich dem empfänglichen Geist als Wahrheit nahelegt“.
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Zuletzt schreibt Kwasniewski, das Gewissen müsse das tun, „wozu es geschaffen“ sei. Es dürfe sich nicht „durch einen fadenscheinlichen Missbrauch des Gehorsams auslöschen lassen“. Es geht also um den „Gehorsam gegenüber der Wahrheit, aus Liebe zum Guten – aus Liebe zu Gott“.
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