Managua - Freitag, 1. Juli 2022, 10:27 Uhr.
Die Autorin eines umfangreichen Berichts, der die fast 200 Angriffe gegen die katholische Kirche in Nicaragua in einem Zeitraum von weniger als vier Jahren zusammenfasst, erklärt, dass Daniel Ortega und seine Frau Rosario Murillo "die katholische Kirche und alles, was den christlichen Glauben widerspiegelt, immer gehasst haben". Aber wieso?
In einem Interview mit unserer spanischen Schwesternagentur ACI Prensa prangerte die Rechtsanwältin Martha Patricia Molina Montenegro, ein Mitglied des Observatorio Pro Transparencia y Anticorrupción (Beobachtungsstelle für Tranzparenz und gegen Korruption), dass Nicaragua derzeit "eine reichlich blutige Diktatur" unter Ortega und Murillo, der derzeitigen Vizepräsidentin des Landes, durchlebe.
Molina Montenegro sagte, es sei "eine Diktatur, der es gefällt, wenn die Bevölkerung der von ihr begangene Barbarei, Willkür, Vetternwirtschaft, Korruption usw. applaudiert und ihr schmeichelt".
Die nicaraguanische Juristin ist Autorin des Berichts "Nicaragua: eine verfolgte Kirche? (2018-2022)", der 190 Angriffe gegen die katholische Kirche im Land zusammenfasst, die unter dem Ortega- und Murillo-Regime begangen wurden.
Die Anwältin wies darauf hin, dass dies der erste von mehreren Berichten sei, die sie vorbereite. "Ich denke, dass ich Ende Juli den zweiten liefern kann", informierte sie.
Für Molina Montenegro sind die Gewalttaten in Nicaragua darauf zurückzuführen, dass "die katholische Kirche niemandem schmeicheln will".
"Die Priester und Bischöfe haben ihre Türen geöffnet", betonte sie und erklärte, dass sie den Nicaraguanern, die in den letzten Jahren mit zunehmender Kraft friedlich auf der Straße einen Regimewechsel im Land forderten, Hoffnung und Rat bringen.
Daniel Ortega, der Nicaragua seit Januar 2007 ununterbrochen regiert, ist ein ehemaliges Guerillamitglied des Frente Sandinista de Liberación Nacional (Sandinistische Nationale Befreiungsfront), die Ende der 1970er-Jahre den Diktator Anastasio Somoza Debayle entmachtete.
Mit dem Sieg der sandinistischen Revolution wurde eine Regierungsjunta eingerichtet, an der Ortega teilnahm. 1985 rief Ortega Parlamentswahlen aus, gewann und regierte das Land bis 1990.
An der Spitze der FSLN, die von einer Guerillagruppe in eine politische Partei umgewandelt wurde, scheiterte Ortega bei den Wahlen 1990, 1996 und 2001.
Ende 2006 gewann Ortega die Präsidentschaftswahlen. Seitdem hat er die Macht nicht mehr abgegeben und wurde trotz Betrugsvorwürfen zweimal hintereinander wiedergewählt.
Im April 2018 brachen in verschiedenen Teilen des Landes Proteste aus, nachdem Reformen der Sozialversicherung Nicaraguas angekündigt worden waren, die eine Erhöhung der Beiträge und Abzüge für Rentner beinhalteten.
Die Proteste wurden vom Ortega-Regime gewaltsam niedergeschlagen; man verzeichnete mehr als 300 Tote und viele Hundert Verletzte.
Angesichts von Botschaften seitens der katholischen Kirche, die die Achtung der Menschenrechte forderten, reagierte das Regime von Daniel Ortega und Rosario Murillo mit Gewalt gegen Kirchen, Priester und Bischöfe.
Martha Patricia Molina Montenegro wies darauf hin, dass "die Reaktion dieser Diktatur genau jene Feindseligkeiten waren, die wir in dieser Studie zusammengestellt haben; es ist eine wissenschaftliche Studie, die auf Beweisen basiert".
"Ich erfinde keinen der dokumentierten Fälle, sondern sie stammen aus Verlautbarungen und Anzeigen von Webseiten und sozialen Netzwerken der Kirchen selbst oder auch aus Mitteilungen der Erzdiözese Managua oder anderen Diözesen Nicaraguas."
"Ich denke, diese Studie wird zu kurz sein", sagte sie, denn "ich weiß, dass es viel mehr Fälle gibt als die, die ich in dieser Studie zusammengestellt habe".
Einige Priester und Seminaristen seien angegriffen worden, beklagte sie, und "haben beschlossen, zu schweigen, sie nicht zu erkennen zu geben, und deshalb konnte ich sie auch in meiner Studie nicht öffentlich machen".
Für die nicaraguanische Juristin "muss man den Sandinismus und die Ortega-Murillo-Diktatur immer verkehrt herum verstehen: 'Wenn sie von Liebe sprechen, meinen sie Hass. Und wenn sie von Frieden sprechen, meinen sie Krieg.'"
Als Beispiel erinnerte sie daran, dass während des Besuchs von Papst Johannes Paul II. in Nicaragua am 4. März 1983 ein sandinistischer Mob versuchte, die Heilige Messe zu boykottieren. Es war der Papst selbst, der sie zum Schweigen aufrief und sie daran erinnerte, dass "die erste, die den Frieden will, die Kirche ist".
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Als Ortega 2007 an die Macht zurückkehrte, sei zunächst "ein Scheinfrieden zwischen Staat und Kirche hergestellt worden, aber in Wirklichkeit hat der 'Ortegaismus' immer wieder die katholische Kirche, die Priester und Bischöfe angegriffen, gerade weil sie nicht damit einverstanden sind, dass die Priester und Bischöfe ihnen die Wahrheit sagen", fuhr sie fort.
2014 beispielsweise schrieben die Bischöfe einen Brief an Daniel Ortega, in dem sie ihn aufforderten, einen "nationalen Dialog" zu führen und sich für einen transparenten Wahlprozess einzusetzen. Die Bischöfe mahnten Ortega auch, dass "die Jahre vergehen und niemand ewig ist".
Laut Meinung von Molina Montenegro gefiel dem Ortega-Regime nicht, "dass die Bischöfe und Priester ihre Stimme durch ein einstimmiges und öffentliches Dokument erhoben haben".
"Sie haben die katholische Kirche immer gehasst und alles, was den christlichen Glauben widerspiegelt, den katholischen Glauben, aber ich glaube, dass sie seit dem Jahr 2014 – in dem die Bischöfe diesen Brief überbrachten – die katholische Kirche am meisten hassen", betonte sie.
Die Juristin warnte zudem davor, dass Daniel Ortega und Rosario Murillo "eine dynastische Diktatur aufbauen wollen, damit nach ihnen ihre Kinder, Enkel und so weiter kommen".
"Der Staat Nicaragua an sich existiert nicht mehr wirklich, weil die konstitutiven Elemente eines Staates, nämlich die Gewaltenteilung, die Regierung, die Gesetze und alles, was ihn ausmacht, nicht mehr existieren."
"Also ist Nicaragua derzeit kein Staat, sondern ein Territorium, auf dem der Stärkste befiehlt und der Stärkste ist das Präsidentenpaar", schloss sie.
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