Managua - Mittwoch, 23. August 2023, 14:10 Uhr.
Die Lage der katholische Kirche in Nicaragua ist seit Jahren problematisch, aber die Situation ist in den letzten Jahren durch das Vorgehen der linksgerichteten Diktatur von Daniel Ortega und seiner Frau Rosario Murillo dramatisch eskaliert.
Als Mitglied der ehemaligen Guerilla Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) regierte Ortega das Land von 1985 bis 1990 und kam 2007 zum zweiten Mal an die Macht. Seitdem hat er sich mit umstrittenen, abngefochtenen Wahlen und mit allen Mitteln, wie der Verfolgung Oppositioneller und Druck auf die Kirche, an der Macht gehalten.
Der Machthaber schreckt nicht davor zurück, Ordensfrauen zu vertreiben, katholische Medien zu schließen, kirchliche Einrichtungen und Gebäude zu beschlagnahmen, sich kirchliche Gelder anzueignen und Priester und Bischöfe ins Exil oder ins Gefängnis zu schicken.
Folgende sechs Punkte verschaffen einen wesentlichen Überblick der Lage.
1. Verschlechterung der Beziehungen Nicaraguas zum Vatikan
An erster Stelle ist die Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zwischen Nicaragua und dem Vatikanstaat zu nennen, die im Juli 2018 begann, als Sympathisanten der Regierung und der Mafia den Apostolischen Nuntius, Msgr. Waldemar Sommertag, Kardinal Leopoldo Brenes und Msgr.
Der Niedergang setzte sich fort mit der Ausweisung von Bischof Sommertag im März 2022 und der Aufforderung der nicaraguanischen Regierung, die Apostolische Nuntiatur in Managua zu schließen.
Dies geschah schließlich am 17. März 2023 mit der Abberufung des Geschäftsträgers der Nuntiatur, Bischof Marcel Diouf. "Die Schließung des diplomatischen Sitzes des Heiligen Stuhls erfolgte auf Ersuchen der nicaraguanischen Regierung am 10. März 2023", berichtete Vatican News am folgenden Tag.
Wenige Tage zuvor hatte Papst Franziskus Daniel Ortega scharf kritisiert und dessen Regime mit den "kruden" Diktaturen des frühen 20. Jahrhunderts verglichen.
Bei dieser Gelegenheit bedauerte der Heilige Vater auch die Inhaftierung" von Bischof Rolando Álvarez von Matagalpa, den er als sehr ernsthaften, sehr fähigen Mann" bezeichnete, der sein Zeugnis ablegen wollte und das Exil nicht akzeptierte".
2. Gelder beschlagnahmt und eingezogen
In ihrem Versuch, die Kirche zum Schweigen zu bringen, hat die Diktatur von Daniel Ortega und seiner Frau Rosario Murillo damit begonnen, Pfarreien, Diözesen und anderen katholischen Einrichtungen die finanziellen Mittel zu entziehen.
Der jüngste Schlag war die Sperrung der Bankkonten der Zentralamerikanischen Universität (UCA) am 9. August 2023, derselben Universität, die zwei Tage später von den Jesuiten enteignet wurde.
Der Versuch, die katholische Kirche auszuhungern, wurde im Mai dieses Jahres deutlich, als die Bankkonten mehrerer Pfarreien und Diözesen gesperrt wurden, darunter die von Matagalpa und Managua, die von Kardinal Leopoldo Brenes geleitet werden. Im folgenden Monat wurden weitere Pfarreien und Diözesen blockiert.
Das Regime beschuldigte die Kirche der Geldwäsche und "krimineller Machenschaften mit Geldern", die "illegal ins Land gekommen" seien.
Die Ermittlerin Martha Patricia Molina prangerte im Juli an, dass die Sperrung der Bankkonten dazu führe, dass "ältere Priester ihre Pensionen aus dem nationalen Versicherungsfonds für Priester nicht erhalten".
Soweit bekannt, hatte die sandinistische Regierung bereits im Juni 2012 wirtschaftliche Maßnahmen gegen die Kirche ergriffen. Nach Angaben der Zeitung El Confidencial behielten die Behörden in jenem Monat mehr als eine halbe Million Dollar ein, die das Hilfswerk Catholic Relief Services der Diözese Estelí gespendet hatte.
3. Vertriebene Orden und Religionsgemeinschaften
Im Juli 2022 erfuhr die internationale Presse, dass das sandinistische Regime die Missionarinnen der Nächstenliebe zum Verlassen Nicaraguas zwang, nachdem die Nationalversammlung 101 Nichtregierungsorganisationen, darunter Ordensgemeinschaften und andere katholische Einrichtungen, aufgelöst hatte.
Der Orden wurde von der heiligen Mutter Theresa gegründet.
In der Folge verließen weitere Kongregationen das Land, darunter die Ordensleute vom Kreuz des Heiligsten Herzens Jesu und die Trappistenschwestern von Nicaragua. Auch Klöster wurden beschlagnahmt und ausländische Ordensfrauen ausgewiesen.
Die Ordensgemeinschaften geben in der Regel keine Gründe für ihre Ausreise an. Menschenrechtsverteidiger wie die Forscherin Martha Patricia Molina weisen jedoch darauf hin, dass sie das Land auf Druck des Regimes verlassen.
"Zwischen 2022 und 2023 wurden 65 Nonnen des Landes verwiesen und sechs Nonnen verschiedener religiöser Kongregationen mit einem Einreiseverbot belegt, insgesamt 71", sagte Molina, Autorin des Berichts "Nicaragua, eine verfolgte Kirche?" am 29. Juli.
Offenbar sind mindestens 10 Religionsgemeinschaften betroffen. Neben den oben genannten sind auch die Dominikanerinnen von der Verkündigung und die Armen Schwestern Jesu Christi von Nicaragua Opfer der Maßnahmen. Weitere fünf Kongregationen wurden aus Sicherheitsgründen nicht erwähnt.
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4. Ein Hirte hinter Gittern
Der Bischof von Matagalpa, Rolando Álvarez, ist zum Symbol der verfolgten Kirche geworden. Vom 4. bis 19. August 2022 war er unter Hausarrest.
Am 10. Februar 2023 wurde er dann des "Hochverrats" für schuldig befunden und zu 26 Jahren und 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Am Tag zuvor hatte sich Bischof Alvarez geweigert, zusammen mit 222 anderen politischen Gefangenen, darunter vier Priester, ein Diakon und zwei Seminaristen, die in die USA ausgewiesen worden waren, das Land zu verlassen.
Die Verurteilung wurde von Papst Franziskus mit Besorgnis aufgenommen, der ihm zwei Tage später nach dem Angelusgebet einige Worte widmete.
Soweit bekannt, befindet sich Rolando Álvarez im Gefängnis von La Modelo. Verhandlungsversuche zwischen dem Regime und der Kirche in Nicaragua scheiterten bislang.
Am 19. August 2023, ein Jahr nach der gewaltsamen Verhaftung des Bischofs, forderte das US-Außenministerium seine sofortige Freilassung.
Dem Bericht von Martha Patricia Molina zufolge gab es seit Beginn der Krise im Jahr 2018 insgesamt 193 Übergriffe auf kirchliche Mitarbeiter, darunter Ordensfrauen wie Kleriker. Dazu gehören ständige Überwachung, Drohungen, Mordversuche, Schläge, Strafverfahren und Ausweisungen.
In dem Bericht, der im März dieses Jahres aktualisiert wurde, heißt es, dass ein Bischof (Bischof Silvio Báez), 13 Priester und zwei Diakone ins Exil gezwungen wurden. Außerdem wurden der Apostolische Nuntius und zwei Priester ausgewiesen sowie fünf Priester, ein Diakon und zwei Seminaristen.
Hinzu kommen die Priester Tomás Sergio Zamora Calderón und William Mora, denen das Regime nach ihrer Teilnahme am Weltjugendtag in Lissabon (Portugal) die Rückkehr nach Nicaragua untersagte, wie CNA Deutsch berichtete.
5. Katholiken werden überwacht und bespitzelt
Vor diesem Hintergrund stellt sich die nächste Frage: Können die Gläubigen in Nicaragua weiterhin frei Gottesdienst feiern?
Gegenüber ACI Prensa erklärte die Forscherin Martha Patricia Molina am 22. August, dass "die Kirchengemeinden rund um die Uhr von Infiltratoren überwacht werden, die in der Regel dem Rat der Bürgermacht angehören, einer Gruppe von Personen, die dafür zuständig ist, Oppositionelle zu überwachen und auf eine Liste zu setzen", die dann an die Polizei weitergeleitet wird.
In diesem Zusammenhang wies er darauf hin, dass Katholiken an Messen teilnehmen und Sakramente wie Taufen und Hochzeiten feiern können, "aber sie stehen immer unter Beobachtung".
"Denn die Predigten der Priester werden immer aufgezeichnet und nach El Carmen geschickt, wo das diktatorische Ehepaar Ortega-Murillo wohnt" und wo die Reden der Priester analysiert werden.
Prozessionen werden ebenfalls zunehmend verboten.
6) "Tiefe Wunde": Die Stellungnahmen der nicaraguanischen Bischöfe
Die Nicaraguanische Bischofskonferenz (CEN) hat wiederholt Kommuniqués anlässlich von Wahlen oder anderen Ereignissen von öffentlichem Interesse veröffentlicht.
Wenn ihre Position dem Regime jedoch nicht gefiel, reagierte die Politk mit Vorwürfen und verbalen Attacken.
Trotz dieser Situation wiederholte die Kirche im November 2021 ihr Angebot, zwischen der Opposition und dem Regime zu vermitteln, um einen Ausweg aus der politischen Krise zu finden, was von Daniel Ortega abgelehnt wurde.
Zur Situation von Bischof Álvarez veröffentlichte der Episkopat am 20. August 2022, einen Tag nach seiner gewaltsamen Entfernung aus der Diözese Matagalpa, eine Erklärung. Die Bischöfe drückten ihr "tiefes Bedauern" über "diese Wunde" aus, die der Kirche in Nicaragua zugefügt worden sei.
Übersetzt und redigiert aus dem Original der CNA Deutsch-Schwesteragentur ACI Prensa.