Wien - Samstag, 4. November 2023, 11:00 Uhr.
Bischof Andrej, der zur ökumenischen Eröffnungsveranstaltung im Vorfeld des Synodentreffens Ende September als Gast angefragt worden war, ist mit ausschließlich positiven Eindrücken nach Wien zurückgekehrt, wie er CNA Deutsch berichtet hat.
Am 30. September hatte auf dem Petersplatz in Rom eine lange Gebetsvigil, geleitet von der Mönchsgemeinschaft von Taizé stattgefunden, die Bischof Andrej als sehr gut organisiert und spirituell essenziell empfand. „Das allgemeine christliche Gebet sei kein Mittel, sondern das Ziel“, unterstreicht der Bischof, der in den folgenden drei Tagen auch vom Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen und von der französischen Botschafterin beim Heiligen Stuhl empfangen worden war, mit Nachdruck. Neben ihm waren etwa zehn weitere orthodoxe Bischöfe anwesend, auch aus dem Bereich der orientalischen Kirchen. Er habe sich „herzlich willkommen“ gefühlt, sagt er. Allerdings habe er nicht als Delegierter teilgenommen, wie etwa Bischof Job von Pisidia, der Vertreter des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel beim Weltkirchenrat.
Während seiner Schulzeit gab es noch keinen orthodoxen Religionsunterricht an deutschen Schulen, und so besuchte Andrej zunächst den römisch-katholischen, dann den protestantischen Religionsunterricht. Er wuchs ganz selbstverständlich mit dem ökumenischen Gedanken auf. Die Einheit der Christenheit ist ihm ein ernstes Anliegen und ein Thema, mit dem er sich auch auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigt hat. Auf die Frage, ob nur das Papstamt ein Punkt der Trennung sei, kommt ein eindeutiges: „Ja!“ Bischof Andrej sieht dies als wesentlichen Punkt, als praktisch einziges Hindernis für eine Einheit der Orthodoxie mit der römisch-katholischen Kirche. Der Bischof von Rom habe sich plötzlich auch gegenüber dem christlichen Osten Rechte angemaßt, die ihm bis zur tragischen Kirchentrennung 1054 nicht eingeräumt worden waren. Könnte man die Idee des „primus inter pares“, also des Bischofs von Rom als eines Patriarchen unter anderen Patriarchen, aber mit einer gewissen Sonderstellung, umsetzen, dann sei die Einheit greifbar. Tatsächlich bestehe vonseiten der katholischen Kirche seit Papst Paul VI. eine große und klare Bereitschaft, sich mit den Ostkirchen über den petrinischen Dienst auseinanderzusetzen und diesen zu reflektieren.
Kalenderfragen würden für die Ökumene auch keine Rolle spielen – denn auch innerhalb der orthodoxen Kirchen werde nach zwei verschiedenen Kalendern gelebt: Die Russen, Serben und Polen richten sich liturgisch nach dem julianischen, alle anderen Orthodoxen nach dem gregorianischen Kalender. Auch bezüglich der unterschiedlichen Liturgien sieht Bischof Andrej nichts, was orthodoxe Christen und Katholiken trennen sollte. Das seien Fragen für Fachleute. Auch den anderen Taufritus – in der orthodoxen Kirche gilt nur die Ganzkörpertaufe – müsse man theologisch untersuchen. Während die Weltsynode von der Einheit aller getauften Christen ausgeht, tut die orthodoxe Kirche dies in ihrer Praxis gewöhnlich nicht: Wer zur Orthodoxie konvertieren möchte, muss sich nach der orthodoxen Liturgie durch das dreimalige vollständige Untertauchen taufen lassen.
Aber dann gibt es ja noch das bekannte „filioque“-Problem: Verkürzt gesagt, ist es nach orthodoxer Ansicht falsch zu glauben, dass der Heilige Geist sowohl vom Vater als auch vom Sohne („filioque“) ausginge und nicht allein vom Vater – es steht auch so nicht in dem griechischen Glaubensbekenntnis der Altväter, das auf den Konzilien von Nizäa und Konstantinopel formuliert wurde. Das „filioque“ ist für Bischof Andrej tatsächlich eine Neuerung, die sich zwar unter Protestanten und in der katholischen Kirche verbreitet habe, aber einseitig von der Kirche Roms in das jahrhundertealte orthodoxe Glaubensbekenntnis ohne Respekt den Ostkirchen gegenüber eingefügt wurde. Für alle theologisch-wissenschaftlichen Fragen aber gebe es Fachleute. Da sei zum Beispiel der gemeinsame orthodox-katholische Arbeitskreis Sankt Irenäus, der bereits herausragende Arbeit geleistet habe. Der Irenäus-Kreis besteht aus internationalen Theologen beider Kirchen (je 13), setzt sich vor allem mit ekklesiologischen Fragestellungen auseinander und wird von einem katholischen und einem orthodoxen Bischof geleitet.
In einem Podcast mit einem österreichischen Kirchenportal formuliert Bischof Andrej, insbesondere auch im Hinblick auf die vielen Mischehen zwischen Katholiken und serbisch-orthodoxen Christen, es müsse das Ziel sein, die jahrhundertealte Spaltung zu überwinden und über eine „versöhnte Verschiedenheit“ zur Einheit zurückzufinden. Dies sei nicht nur eine Frage der Glaubwürdigkeit der christlichen Kirchen. Man müsse sich auch die Frage stellen: Haben wir überhaupt das Recht, einander das Abendmahl zu verweigern? Auch die Unterschiede zwischen der altehrwürdigen römischen Heiligen Messe und der orthodoxen Göttlichen Liturgie seien so groß nicht, dass nicht beide Formen nebeneinander existieren könnten.
Andrej Ćilerdžić, Jahrgang 1961, wurde in Osnabrück als Sohn des serbischen Erzpriesters Dobrivoje und seiner deutschen Frau Marianne geboren. Er verbrachte einige Zeit auf dem Berg Athos und spricht deshalb neben serbisch, englisch, italienisch und französisch auch griechisch. Zum Weihbischof wurde er 2011 in Belgrad geweiht, zum Bischof für Österreich, Italien, Malta und die Schweiz mit Sitz in Wien im Jahre 2014 gewählt. Die Eparchie in Österreich umfasst rund 300.000 bis 350.000 Gläubige mit 25 Gemeinden und 30 Priestern. Bischof Andrej ist durch sein Elternhaus und seine Tätigkeit als Diözesanadministrator für Frankfurt und ganz Deutschland von 2017 bis 2018 immer noch stark mit seiner deutschen Heimat und der serbischen Kultur verbunden. Sein besonderes Interesse gilt der Ökumene und der Einheit der Kirchen. Zu diesem Thema hat er auch zeitweise an der Orthodoxen Fakultät der Münchner Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter geforscht. Aus seiner Feder stammen zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften wie Pro Oriente oder den Schriften des Ostkirchlichen Instituts Regensburg.