Irreführend und nicht auf dem Stand der Wissenschaft: Ärzte und Bioethiker kritisieren Päpstliche Akademie für das Leben

Sankt Petrus
Flickr / Nick Thompson (CC BY-NC 2.0)

Vertreter der Australischen Katholischen Ärztevereinigung haben mit Unterstützung mehrerer katholischer Moraltheologen und Bioethiker ein von der Päpstlichen Akademie für das Leben veröffentlichtes Buch kritisiert.

Das Buch enthalte „irreführende und verwirrende” theologische und medizinische Informationen, die im Widerspruch zur etablierten Lehre der Kirche über Empfängnisverhütung und künstliche Befruchtung stünden.

Das Buch mit dem Titel „Etica Teologica Della Vita” (ETV) befasst sich mit der „Theologischen Ethik des Lebens: Heilige Schrift, Tradition und praktische Herausforderungen”. Die 528 Seiten umfassende italienische Publikation ist die Zusammenfassung eines Seminars, das von der Akademie im Jahr 2021 gefördert wurde.

Die Rezension, die am 23. April im Linacre Quarterly, der offiziellen Zeitschrift der Katholischen Ärztevereinigung, veröffentlicht wurde, beschreibt Widersprüche zwischen dem Buch und der etablierten Lehre der Kirche über Empfängnisverhütung und künstliche Befruchtung.

Zu den Autoren des Artikels gehören medizinische Experten, Theologen und Bioethiker: Prof. Dr. Elvis Šeman, Dr. Eamonn Mathieson, Dr. Umberto Villa, Dr. Deirdre Little, Dr. Randy De Los Reyes Juanta, Pater Dr. Paschal Corby OFM Conv, der Priester Dr. John Fleming und Prof. Dr. Brendan Purcell.

Mathieson sagte gegenüber CNA, dass sie von italienischsprachigen Experten der Scuola Camen in Mailand, einer Bildungseinrichtung für Fortpflanzungsmedizin, über die Bedenken informiert worden seien.

„Trotz des hohen Ansehens der Päpstlichen Akademie für das Leben konnten wir keine offizielle englische Übersetzung des italienischen Originaltextes von ETV finden. Nachdem wir eine präzise englische Übersetzung erhalten hatten, wurde klar, dass ETV verwirrende und irreführende theologische und medizinische Argumente enthält”, sagte Mathieson.

In einem schriftlichen Interview mit CNA betonten die Autoren die Notwendigkeit von Klarheit und Respekt für die Lehren der Kirche, insbesondere im Bereich der Bioethik.

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„Als Vertreter der Australischen Katholischen Ärztevereinigung fühlten wir uns moralisch und brüderlich verpflichtet, eine respektvolle, öffentlich zugängliche, evidenzbasierte und von Fachleuten überprüfte korrigierende Antwort auf die zweideutigen und problematischen Aussagen in ETV zu geben”.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Buch oder die Päpstliche Akademie für das Leben in die Kritik geraten. Ein offener Brief aus dem Jahr 2022 wies auf eine Reihe von Fehlern in dem Buch hin. Auch der derzeitige Präsident der Akademie, der von Papst Franzisus eingesetzte Erzbischof Vincenzo Paglia, sorgte für Skandale, löste unter anderem im Jahr 2023 mit Äußerungen zu Abtreibung und Euthanasie eine Kontroverse aus.

Irreführung durch mangelndes Verständnis der Wissenschaft

Eines der Hauptprobleme, das in der neuen Kritik hervorgehoben wird, ist die „Unklarheit und Verwirrung” in der Sprache von ETV, die Gläubige in die Irre führen könnte: „Wir waren in der Tat überrascht und beunruhigt über die Sprache und die Aussagen in ETV. Unsere Besorgnis war so groß, dass wir 18 Monate gebraucht haben, um diese Antwort zu schreiben und zu veröffentlichen”.

In seinem Interview mit CNA wies Mathieson auch auf das mangelnde Verständnis der „aktuellen Wissenschaft” und bestimmter medizinischer Bereiche in ETV hin. Er betonte, dass die Zusammenarbeit mit verschiedenen internationalen katholischen Ärzteverbänden einen breiteren Konsens darstelle.

„Es ist eine wunderbare Entwicklung, mit unseren internationalen Kollegen zusammenzuarbeiten, um die neueste medizinische Forschung in den Bereich der katholischen Soziallehre zu bringen. Wir hoffen, dass diese internationale Zusammenarbeit weiter gedeiht und der Päpstlichen Akademie für das Leben und der Kirche auch in Zukunft als Ressource in diesen und anderen Bereichen der Bioethik und Medizin dienen wird”, sagte er.

Die Kritik konzentriert sich auf drei Hauptanliegen. Erstens weisen die Ärzte auf „Unklarheit und Verwirrung” in ETV hin, die ihrer Meinung nach in Bezug auf wichtige kirchliche Lehren in die Irre führt.

Zweitens weisen sie auf ein mangelndes Verständnis des aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstandes und spezifischer Bereiche der Medizin hin. Mathieson betonte, dass die Argumente in ETV moderne und hochwirksame Methoden der natürlichen Familienplanung und Fortschritte in der restaurativen Reproduktionsmedizin zu ignorieren scheinen, die im Einklang mit der Ethik der Kirche stehen.

Drittens betonen die Kritiker die Widersprüche zwischen in ETV und der etablierten kirchlichen Lehre zu Empfängnisverhütung und assistierten Reproduktionstechnologien und argumentieren, dass die Empfehlungen in ETV zu einer Fehlinterpretation der kirchlichen Lehre in diesen wichtigen bioethischen Fragen führen könnten.

Mit Blick auf die möglichen Folgen dieser Kritik äußerte Mathieson die Hoffnung auf eine kontinuierliche Kommunikation: „Ich hoffe, dass dieser Artikel als Vehikel für eine kontinuierliche Kommunikation und einen Dialog mit der Päpstlichen Akademie für das Leben und anderen Instanzen innerhalb der Kirche dienen wird”.

Die Kritik geht auch auf die wichtige Rolle der Päpstlichen Akademie für das Leben bei der Beratung der Gläubigen in bioethischen Fragen ein.

Mathieson betont, wie wichtig es sei, an der Vision von Papst Johannes Paul II. festzuhalten, der die Akademie 1994 gegründet hat. „Die Päpstliche Akademie für das Leben muss dieser Vision treu bleiben, wenn sie ihre wichtige Aufgabe erfüllen will, die Menschen und die Kultur unserer Zeit zu bilden und zu informieren. Es ist keine statische Vision, sondern eine, die Studien und Initiativen in der Dynamik der Schaffung einer ‚Kultur des Lebens‘ willkommen heißt”, sagte er gegenüber CNA.

Die Autoren empfehlen der Päpstlichen Akademie für das Leben, die katholischen Ärzteverbände, vertreten durch die FIAMC (eine weltweite Vereinigung Katholischer Ärzte), zu konsultieren, um sie bei der Ausarbeitung zukünftiger Texte, die moralische Richtlinien für die katholische medizinische Praxis und ethische Fragen enthalten, zu unterstützen.

„Durch unsere Kommunikation mit den internationalen katholischen Ärzteverbänden, die der FIAMC angeschlossen sind, und durch unsere Teilnahme an internationalen Konferenzen und Kongressen wissen wir, dass es in der Tat einen Konsens in Fragen der Ehe und der Sexualität gibt, insbesondere in Bezug auf Empfängnisverhütung und ART [assistierte Reproduktionstechnologien]”, sagte Mathieson.

Allen Katholiken, die sich mit Fragen der Fruchtbarkeit und Fortpflanzung befassen, empfahl Mathieson, sich an gläubige katholische Mediziner zu wenden, die medizinische und bioethische Fragen klären könnten. Er empfahl auch verschiedene Organisationen wie das International Institute of Restorative Reproductive Medicine, die Methoden fördern, die mit der Lehre der Kirche übereinstimmen.

 

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