Wie das Magnificat-Institut, eine Musikschule in Jerusalem, den Dialog fördert

Blick auf Jerusalem
Robert Alvarado / Pixabay

In den Klassenzimmern des Magnificat-Instituts in Jerusalem, der Musikschule der Kustodie des Heiligen Landes, „werden wir jeden Tag Zeugen eines kleinen, aber bedeutenden Wunders“, so der Franziskanerpater Alberto Joan Pari, der Leiter des Instituts, gegenüber CNA, der Partneragentur von CNA Deutsch.

Hier, im Herzen der Altstadt, treffen sich israelische und palästinensische Schüler und Lehrer, die christlichen als auch jüdischen und muslimischen Glaubens sind. Sie musizieren gemeinsam, während der längste Krieg seit der Gründung des Staates Israel bereits rund neun Monate andauert.

Da ist der arabisch-christliche Junge, der zum ersten Mal mit einem Juden, seinem Lehrer, zu tun hat. Oder der muslimische Lehrer, der zum ersten Mal mit einem jüdischen Schüler zu tun hat.

„In Jerusalem sind diese Dinge nicht spontan“, erklärt Pari. „Manchmal arbeiten sie als Erwachsene zusammen, aber die Art der Beziehung ist immer eine Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung. Hier hingegen ist es eine Lehrer-Schüler-Beziehung, die qualitativ ganz anders ist und eine emotionale Beteiligung voraussetzt, die in anderen Kontexten nicht vorhanden ist.“

Die Musikschule steht kurz vor ihrem 30-jährigen Bestehen. Sie wurde 1995 auf Initiative des Franziskanerpaters Armando Pierucci gegründet, der Organist in der Grabeskirche war und den Brüdern der Kustodie gregorianischen Gesang beibrachte.

„Einige Zeit nach seiner Ankunft“, erzählt Pari, „stellte er fest, dass es in der Altstadt von Jerusalem keine Musik gab: Niemand unterrichtete sie und niemand übte sie aus. Da kam ihm die Idee, sich selbst als Gesangs- und Musiklehrer zur Verfügung zu stellen. Er erhielt von seinen Vorgesetzten die Erlaubnis, ein altes Klavier zu benutzen, und begann mit der ersten Gruppe von Schülern.“

Seitdem ist die Schule – die einzige ihrer Art in der Altstadt von Jerusalem – jedes Jahr gewachsen. „Am Anfang war es schwierig, Lehrer zu finden, weil Musik nicht an Schulen gelehrt wurde und nur wenige sie professionell studierten. Die ersten Lehrer waren zwei christliche Frauen.“

Heute nimmt das Magnificat-Institut jedes Jahr mehr als 200 Schüler (ab 5 Jahren) auf und stützt sich auf die Mitarbeit von 25 Lehrern. Es gibt einen Chor und mehrere Orchestergruppen. Was sich nicht geändert hat, ist der Standort der Schule, die seit 30 Jahren in den Kellerräumen des Salvatorklosters untergebracht ist, die früher als Metzgerei dienten.

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Seit 2003 ist das Magnificat-Institut die ausländische Zweigstelle des Konservatoriums „Arrigo Pedrollo“ in Vicenza, Italien, und übernimmt die Programme für die vorbereitenden Unterrichtsstufen und die akademischen Abschlüsse der ersten und zweiten Stufe. Diese Vereinbarung, die 2013 bestätigt wurde, ermöglicht es den Studierenden, weltweit anerkannte akademische Abschlüsse zu erwerben.

„Das Magnificat-Institut ist einzigartig, selbst im Vergleich zu anderen Schulen der Kustodie, die Arabisch als Basissprache verwenden und nur christliche und muslimische Schüler haben“, sagt Pari. „Hier jedoch sind die meisten Lehrer jüdisch, und unter den Schülern sind die meisten arabische Christen und Muslime, aber es gibt auch einige Juden. Um uns zu verständigen, benutzen wir in der Regel Englisch.“

Wie jede Rose hat auch das Magnificat-Institut seine „Dornen“, und Pari versteckt sie nicht: „Es gab schon immer kleine Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen so unterschiedlichen Welten. Jedes Mal, wenn es in der Stadt oder auf dem Land etwas Unbehagen gibt, spiegelt sich das auch in der Haltung der Schüler und Lehrer wider. Wir können sie als kleine Erschütterungen bezeichnen. Aber was am 7. Oktober [2023] geschah, war ein echtes Erdbeben, das das Gleichgewicht erschütterte, das in fast 30 Jahren Schule geschaffen worden war.“

Nach der ersten Kriegswoche, in der die Schule geschlossen war, schrieb Pari an seine Lehrer. „Ich forderte sie auf, eine Atmosphäre der Gelassenheit für die Kinder zu schaffen, die ihr Leben und ihre Zukunft noch nie so bedroht gesehen hatten wie in diesem Moment“, erinnert er sich. „Ich bat sie, nicht über den Krieg zu sprechen, sondern den Musikunterricht zu einem Moment der Normalität und Schönheit zu machen. Und so war es auch.“

Die Schule hat ihre Türen wieder für alle geöffnet und füllt sich allmählich neu mit Leben. In diesen Monaten ist sie auch zu einem sozialen Polster geworden, zu einem Zufluchtsort für die Kinder, die oft eine vergiftete Atmosphäre des Krieges erleben und zu Hause durch schwere wirtschaftliche Nöte belastet sind, die sich erheblich auf sie auswirken. Doch wer hier eintritt, lässt das schwere Gepäck des Krieges für ein paar Stunden draußen.

Freitagsorchester

Das so genannte „Freitagsorchester“ der Schule besteht aus arabischen Schülerinnen zwischen 18 und 20 Jahren. Der Dirigent ist ein israelischer Jude.

„Als die Schule wiedereröffnet wurde“, berichtet Pari, „äußerten die Schüler ihr Unbehagen, ihn zu treffen: In ihren Augen repräsentierte er den Feind, der ihr Volk in Gaza tötete. Der Dirigent begann die Stunde mit den Worten: ‚Ich weiß, dass ihr mich als israelischen Juden seht, aber ich sehe in euch nicht diejenigen, die das Massaker vom 7. Oktober begangen haben. In dieser Klasse versuchen wir, eine bessere Zukunft zu schaffen, in der wir zusammenleben und etwas Schönes tun können.‘ Seitdem hat der Unterricht nie mehr aufgehört.“

Pari ist auch Musiker, denn er hat einen Abschluss in Querflötenspiel. Er hat in einem Orchester musiziert und in Schulen unterrichtet.

„Die Musik hat in meinem Leben immer eine wichtige Rolle gespielt“, sagt er. „Als ich Ordensbruder wurde, dachte ich, ich müsste sie hinter mir lassen. Doch als ich hier ankam, entdeckte ich, dass die Musik auch hier eine zentrale Rolle spielt – im Heiligen Land ist der Gesang in allen Liturgien von grundlegender Bedeutung. Ich betrachte es als ein Geschenk, das mir der Herr gemacht hat. Ich dachte, ich müsste die Musik aufgeben, aber stattdessen ist sie auf eine andere Art und Weise immer noch das Herzstück meines Dienstes.“

Neben seiner Tätigkeit als Musiker und Leiter des Magnificat-Instituts ist Pari innerhalb der Kustodie des Heiligen Landes für den interreligiösen Dialog zuständig – ein sinnvoller Zufall: „Obwohl das Magnificat-Institut nicht mit diesem Ziel geboren wurde, hat es sich nach und nach zu einem Ort des interreligiösen Dialogs entwickelt. Es gibt keine spezifischen Programme oder Projekte, sondern dieser Dialog entsteht spontan durch Interaktion. In unseren Kursen geschehen kleine, aber bedeutende Wunder, die ohne Magnificat nicht möglich wären.“

Eine besondere Geschichte ist jene von Emma Spitkovsky und ihrem Schüler Mohammad Al-Shaikh. Spitkovsky, eine Klavierlehrerin ukrainisch-jüdischer Herkunft, entschied sich dafür, Lehrerin im Magnificat zu werden, da sie den Geist der Schule voll und ganz verinnerlicht hat. „Hier“, so Pari, „begegnete sie zum ersten Mal einem Muslim, einem palästinensischen Jungen, der ihr bester Schüler wurde. Um Musik zu machen, mussten beide ihre Vorurteile abbauen.“

Dann ist da auch Musa, ein junger Muslim aus Bethlehem, der Klarinette spielt. Sein Lehrer ist ein religiöser Jude aus Jerusalem. Musa erhielt nie die Erlaubnis, für den Unterricht im Magnificat-Institut nach Jerusalem zu reisen. „Wir fanden eine lutherische Kirche, die in einer Art Niemandsland liegt und zu der beide Zugang hatten“, erzählt Pari. „Hier trafen sich Musa und sein Lehrer fast zwei Jahre lang zum Unterricht.“

„All diese Geschichten gehen über ein Dialogprojekt hinaus, und wir hoffen, dass sie in dieser Gesellschaft Früchte tragen“, sagt Pari. „Vielleicht werden wir die reifen Früchte dieses Baumes nicht sehen, aber wir sind Zeugen, wie er wächst und blüht, und das ist schön.“

Übersetzt und redigiert aus dem Original von Catholic News Agency (CNA), der englischsprachigen Partneragentur von CNA Deutsch.

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