Vatikanstadt - Freitag, 6. November 2015, 12:51 Uhr.
In dieser Woche erscheinen in Italien zwei Bücher, die versuchen, die Fähigkeit des Vatikans und des Papstes auf dei Probe zu stellen, Skandalen standzuhalten.
Die größere Aufmerksamkeit von Seiten der Presse erhielt das Werk „Via Crucis”, dessen vollständiger Titel auf Deutsch lautet: „Alles muss ans Licht – Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes“ des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi, Autor des Beststellers “Sua Santità” – Seine Heiligkeit –, der im Jahr 2012 den ersten, unter dem Namen „Vatileaks“ bekannt gewordenen Skandal entfesselte. Dieser endete mit der Verurteilung des Kammerdieners Benedikts XVI., Paolo Gabriele, der Dokumente an Nuzzi weitergegeben hatte.
Das zweite Buch mit dem Titel „Avarizia” heißt auf Deutsch “Habgier: Unterlagen, die den Reichtum, Skandale und Geheimnisse der Kirche von Franziskus enthüllen”. Verfasst vom italienischen Journalisten Emiliano Fittipaldi, hat es die weniger prätentiöse Absicht, die Welt davon zu überzeugen – was für eine Überraschung! – dass der Vatikan Geld besitzt.
Wenn man „Alles muss ans Licht“ liest, kommt einem sofort die Bemerkung George Weigels über manche Autoren Italiens in den Sinn: „Die Grenze zwischen Fakt und Fiktion im italienischen Journalismus ist in Wirklichkeit keine Grenze, sondern eine Membran, durch die jede Art von Material in beide Richtungen durchsickert.“
Als Enthüllungsbuch verkauft, liest es sich wie ein Roman.
Nuzzis Buch beginnt wie folgt: „Es ist der Abend des 12. Septembers 1978. Papst Johannes Paul I. entdeckt nach nur 18 Tagen seines Pontifikats eine mächtige Freimaurerlobby mit 120 aktiven Mitgliedern in der Kurie... und teilt Kardinal Villot sein Vorhaben mit, dramatische Veränderungen in der Kurie einzuleiten, doch (...) am nächsten Tag, bei Sonnenaufgang, findet Sr. Vincenza Taffarel den leblosen Körper des Papstes in seinem Bett.“
Das Buch, das laut Nuzzi „Beweise einer riesigen und scheinbar unaufhaltsamen Veruntreuung liefert, welcher der Papst mit einzigartigem Mut und Entschlossenheit entgegentritt“, ist ein verworrener und bisweilen langweiliger Roman, der den „Mord“ an Papst Albino Luciani mit Freimaurern, Gay-Lobbies, der italienischen Mafia, internationalen Unternehmen und in vatikanischen Büros installierten Wanzen und Computerviren verflicht.
Indem er Dokumente gebraucht und missbraucht, die geheim sein sollen und ebenso aufgenommene Gespräche, präsentiert Nuzzi die – eigentlich wohlbekannte – Tatsache, dass Papst Franziskus entschlossen ist, die missbräuchliche Verwendung der Mittel, die Zahlung „nicht veranschlagten Arbeiten, die ohne Supervision und mit lächerlich aufgeblähten Rechnungen ausgeführt werden“, sowie die Verwendung von Spenden der Gläubigen beenden zu wollen.
Heilige und Helden
Das zweite Kapitel beginnt, im Zusammenhang mit dem „Heiligenmacher“, mit einem Lob auf Msgr. Lucio Ángel Vallejo Balda und Francesca Chaouqui, genau jene beiden Personen, die letzte Woche vom Vatikan wegen Weitergabe vertraulicher Dokumente an die Presse – teilweise an Nuzzi selbst – verhaftet worden waren. Vallejo Balda wird im gesamten Buch, vor allem aber im neunten Kapitel, als Held dargestellt.
Nuzzi zeigt erkennbar seinen Mangel an Kenntnis der vatikanischen Prozesse, wenn er beklagt, dass es 500.000 Euro kostet „einen Heiligen zu machen“. „Wir müssen die Kosten für alle Dankesgeschenke an die Prälaten berücksichtigen, die zu Festen und Zelebrationen anlässlich wichtiger Momenten des Prozesses eingeladen werden, um einige wenige Worte über die Taten und Wunder des zukünftigen Heiligen zu sagen.“
Nuzzi verkennt deutlich, wie viel die theologischen, ethischen, historischen und ärztlichen Untersuchungen kosten, die verlangt werden, um sicherzustellen, dass der Heilige die notwendigen „heroischen Tugenden“ besitzt und um später ein Wunder auf seine Fürsprache zu bestätigen.
Und er ignoriert – was weit bedeutsamer ist – dass kein Postulator eines Heiligen sich je über die Kosten des Prozesses beklagt hat, selbst nicht bei jenen, die sich über Jahrzehnte ziehen.
Luxuswohnungen?
Im dritten Kapitel beschreibt der Autor düstere Geldmachenschaften, um auf den „luxuriösen“ Lebensstil vieler Kardinäle anzuspielen: „Die Kurienkardinäle bewohnen fürstliche Appartements mit 400, 500, ja sogar 600 Quadratmetern“ behauptet Nuzzi.
Erhalten Sie Top-Nachrichten von CNA Deutsch direkt via WhatsApp und Telegram.
Schluss mit der Suche nach katholischen Nachrichten – Hier kommen sie zu Ihnen.
Es ist wahr, dass die Verwaltung der Immobilien des Vatikans, wie auch viele andere Bereiche, der Reform bedarf. Nuzzi aber lässt unberücksichtigt, dass – wenn auch einige Kardinäle aufgrund ihres luxuriösen Lebens für Skandale gesorgt haben – viele andere Kardinäle oder Funktionäre des Vatikans gezwungen sind, in riesigen Wohungen zu leben, die vor vielen Jahrhunderten gebaut worden waren und die sie kaum unterhalten können.
Nach Unterzeichung der Lateranverträge zwischen dem Vatikan und dem damaligen Königreich Italien beispielsweise, hat Mussolini das kolossale vatikanische Gebäude San Callisto in Trastevere errichten lassen, mit Wohnungen für die Kardinäle, die so groß sind, dass viele die Belüftung im Sommer und die Heizung im Winter finanziell nicht bestreiten können.
Nuzzi protestiert auch im Bezug auf das, was der Vatikan alles verdienen könnte, wenn er seine Immobilien zum Marktpreis vermieten würde, statt sie zu einem niedrigeren Preis Mitgliedern der Kurie zu überlassen.
Dieses Argument ist nicht stichhaltig. Die Funktionäre des Vatikans verdienen sehr wenig, haben eine schlechte Krankenversicherung und nur wenig Rente.
Die einzigen Vorteile, die der Vatikan seinen Funktionären bieten kann, sind geringere Mietkosten, sowie steuerfreies Benzin und steuerfreie Lebensmittel, Medikamente oder andere Produkte.
Wenn der Vatikan seine Besitztümer zu Marktpreisen vermieten würde, müsste er höhere Löhne zahlen, was am Ende weit teurer käme.
Beanstandungen und Tratsch
Nuzzis Buch beinhaltet einige echte Beanstandungen, wie beispielsweise, dass bis zur jüngsten Reform nur 20 Cent eines jeden Euros des „Peterspfennigs“ die Armen erreichte oder die schlechte Verwaltung großer Geldsummen in verschiedenen römischen Dikasterien – Folge der Korruption, der Vergeudung und unfähiger Buchhaltung; ebenso die großen Löcher in den Rentenkassen des Vatikans, die sich auf 800 Millionen Euro belaufen.
Dennoch liest sich der größte Teil des Buches wie eine unendliche Aneinanderreihung von Klatschgeschichten über wenig bekannte Monsignores, die ein verschwenderisches, wenn nicht gar korruptes Leben führen, und von denen viele bereits ausreichend Gegenstand der italienischen Presse waren.
Der Autor fügt noch endlose interne Aufzeichungen und eine „vertraulichen“ Brief an, um darzulegen, dass Korruption, Misswirtschaft und absolute Unfähigkeit überreich vorhanden wären... ohne anzuerkennen, dass die Finanzreform – wenn sie auch noch nicht abgeschlossen ist – einen der sichtbarsten Erfolge des Ponitifikats von Franziskus darstellt.
Im zehnten Kapitel stellt Nuzzi alle nur möglichen Anstrengungen an, um die Leistung von Kardinal George Pell in Australien zu diskreditieren, wobei er sogar Ereignisse der Vergangenheit verzerrt oder beschönigt. Der Autor wird sich aber der Tatsache beugen müssen, dass der Kardinal dem Reform-Wunsch des Papstes treu ist und bereits einige Siege errungen hat – wenn auch nicht all jene, die der Autor sich erwartet.
Abdankung des Papstes?
Im letzten Kapitel wirft der Autor die Frage auf, ob Papst Franziskus abdanken wird. Das Thema eines möglichen Rücktritts von Franziskus wird, außer in der Überschrift, im gesamten Kapitel nicht genannt.
Die Thematik wird jedoch angesprochen: „Wird der Papst die Schlacht gewinnen? Es ist schwierig, mit Sicherheit auf diese Frage zu antworten. Ich glaube, dass sein Vorhaben weder aufgeschoben noch vermieden werden kann, aber es ist schwer zu behaupten, dass er seine ehrgeizige Mission erfolgreich wird zu Ende führen können.“
Zu viel der Worte, um etwas schlußzufolgern, das die ganze Welt bereits weiß – auch ohne eine Unmenge langweiliger Geheimnisse und Aufzeichnungen lesen zu müssen.