Rom - Montag, 27. Februar 2017, 8:05 Uhr.
Es ist ein sehr vertrauter Besuch des Papstes bei der anglikanischen Gemeinde der Kirche All Saints in der Via del Babuino in Rom anlässlich deren 200-Jahr-Feier. Es ist keine große Menge, die den Papst erwartet, sondern der anglikanische Klerus und zwei "Zeremonienmeister". Einer der beiden ist eine Angestellte des Heiligen Stuhls, seit Jahrzehnten englische Journalistin bei Radio Vatikan.
In ihrer Begrüßung in englischer Sprache erinnern Bischof David und der Pfarrer der Kirche an die freundschaftlichen Beziehungen, welche die örtlich anglikanische Gemeinde stets mit dem Heiligen Stuhl unterhalten habe, aber auch daran, wie die Anglikaner zu Beginn des Schismas den Begriff "Bischof von Rom" auf verächtliche Weise gebraucht hätten.
Diese Zeiten haben sich radikal geändert, und die Beziehungen zwischen dem Papst und dem Erzbischof von Canterbury sind gekennzeichnet von tief empfundenem Ökumenismus, so dass die anglikanische Pfarrei von All Saints heute eine Partnerschaft mit der katholischen Pfarrei von Ognissanti in Rom pflegt. Und bei dem Besuch des Papstes wurde diese Partnerschaft offiziell gefeiert.
Der Papst hat eine Ikone von Christus, dem Erlöser, gesegnet und hat zusammen mit den anwesenden Bischöfen Kerzen vor der Ikone entzündet. Die Ikone des heiligsten Erlösers wurde von Ian Knowles angefertigt, einem englischen Künstler, der in Bethlehem lebt und sich von einer Miniatur von Matthew Paris, einem englischen Benediktinermönch des dreizehnten Jahrhunderts, inspirieren hatte lassen.
Der Ritus fand gemäß dem anglikanischen Schema statt, mit der Erneuerung der Taufgelübde, die von Papst Franziskus und Reverend Robert Innes, dem anglikanischen Bischof für Europa, in ihrer jeweiligen Sprache geleitet wurde. Nach der Lesung eines Abschnittes des heiligen Apostels Paulus hielt der Papst seine Predigt.
Darin erinnerte er an die neuen ökumenischen Beziehungen, die auf die gemeinsame Taufe gegründet sind.
"Wenn wir, die Gemeinschaft der getauften Christen, mit Unstimmigkeiten konfrontiert sind und uns vor das barmherzige Antlitz Christi stellen, um sie zu überwinden, dann machen wir es genau wie der heilige Paulus in einer der ersten christlichen Gemeinden. Wie versucht Paulus das, wo beginnt er? Er beginnt bei der Demut, bei der es sich nicht nur um eine schöne Tugend, sondern um eine Frage der Identität handelt" so der Papst.
Und er fährt fort: "Demütig werden bedeutet, sich selbst aus dem Mittelpunkt zu nehmen, anzuerkennen, dass wir Gott brauchen, dass wir Bettler vor seiner Barmherzigkeit sind: Das ist der Ausgangspunkt dafür, dass Gott wirken kann."
Franziskus kommentiert den paulinischen Text weiter und erklärt: "Wenn wir unsere Schwäche anerkennen und um Vergebung bitten, wird die heilende Barmherzigkeit Gottes in uns aufleuchten und auch nach außen sichtbar werden; die anderen werden auf gewisse Weise durch uns die liebenswürdige Schönheit des Antlitzes Christi erkennen."
Und er endet mit dem Verweis darauf, dass "erstmals ein Bischof Roms eure Gemeinde besucht. Das ist eine Gnade und auch eine Verantwortung: Die Verantwortung, unsere Beziehungen zum Lob Christi, im Dienst am Evangelium und zum Wohl dieser Stadt zu stärken. Ermutigen wir uns gegenseitig, immer treuere Jünger Jesu zu werden, immer freier von den jeweiligen Vorurteilen der Vergangenheit und immer bemühter, füreinander zu beten."
Es sind viele Afrikaner, viele Nicht-Engländer anwesend, um die interethnische anglikanische Gemeinde Roms zu repräsentieren.
Die Päpste haben oft zusammen mit den Anglikanern in Rom gebetet, vor allem in San Gregorio al Celio, und bei diesen Gelegenheiten waren gemeinsame Erklärungen unterzeichnet worden. Es sei auch an das feierliche Gebet Benedikts XVI. bei seinem Besuch in Westminster Abbey in London erinnert.
Der Ritus endet mit einem Hymnus der anglikanischen Tradition. Nach dem Gruß an den Klerus und an ein paar kranke und alte Gläubige und vor dem Austausch der Geschenke antwortet Papst Franziskus auf einige Fragen.
Eine italienische Jugendliche fragt: "Während unserer Liturgien betreten viele Menschen unsere Kirche und wundern sich, weil sie wirklich eine katholische Kirche zu sein scheint. Viele Katholiken haben von König Heinrich VIII. gehört, aber kennen die anglikanische Tradition und den ökumenischen Fortschritt des letzten halben Jahrhunderts nicht. Was möchten Sie zur Beziehung zwischen Katholiken und Anglikanern heute sagen?"
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"Hermeneutik des Augenblicks"
Der Papst erklärt, dass man nicht ein Stück der Geschichte "herausreißen" und wie ein Einzelbild betrachten kann, das wäre nicht richtig. Ein historisches Ereignis muss mit der Hermeneutik jenes Augenblicks gelesen werden.
Der Papst erinnert an die gemeinsame Tradition einiger Heiliger und dass beide Traditionen nie die Heiligen abgelehnt hatten. Dann verweist er auf bestimmte Perioden, in denen Kirche und Politik vermischt waren, aber heute sei alles anders. Dann fällt das Mikrofon aus. Der Papst nimmt den Disukurs wieder auf und erinnert an die Bedeutsamkeit des Mönchstums als große ökumenische Kraft: "Gehen wir zusammen."
Eine australische Lehrerin fragt: Ihr Vorgänger, Papst Benedikt XVI., hat davor gewarnt, im ökumenischen Dialog die Priorität auf die Zusammenarbeit im sozialen Bereich zu legen, statt den anspruchsvolleren Weg des theologischen Einvernehmens zu gehen. Es scheint, dass sie das Gegenteil bevorzugen, d.h. "gehen und zusammen arbeiten", um das Ziel der Einheit der Christen zu erreichen. Stimmt das?
Der Papst antwortet, dass er nicht wisse, in welchem Kontext Papst Benedikt das gesagt habe, vielleicht in einem Kontext von Theologen und dass es ihn jetzt etwas in Verlegenheit bringe, das zu kommentieren... Aber sicher sind beide Dinge wichtig. Und er verweist auf den Ausspruch des Patriarchen Athanagoras zu Paul VI., die Theologen auf eine Insel zu bringen. ("Wir machen die Einheit unter uns und verfrachten alle Theologen auf eine Insel zum Denken"). Sicher ist das, was Papst Benedikt gesagt hat, wahr. Die theologische Debatte muss weitergehen. Aber das darf nicht im Laboratorium geschehen, sondern auf dem Weg. Und in der Zwischenzeit helfen wir uns in unseren Bedürfnissen, auch geistlich. Die theologischen Dinge bespricht man längs des Weges und damit verrate ich die mens von Papst Benedikt nicht; wenn "ich den Kontext kennen würde, würde ich vielleicht etwas anderes sagen."
Am Schluss fragt ein Afrikaner: Die Kirche All Saints begann mit einer Gruppe von britischen Gläubigen, aber ist mittlerweile eine internationale Gemeinschaft mit Menschen, die aus verschiedenen Ländern kommen. In einigen Regionen Afrikas, Asiens oder des Pazifiks, sind die ökumenischen Beziehungen zwischen den Kirchen besser und kreativer als in Europa. Was können wir vom Beispiel dieser Kirchen in der südlichen Welt lernen?
Der Papst antwortet, dass "die jungen Kirchen eine andere Vitalität besitzen und andere Ausdrucksweisen suchen". Eine Liturgie in Rom ist nicht das Gleiche wie eine Liturgie in Afrika, denn die Jungen haben mehr Kreativität. Und er fügt hinzu: "Ich und meine Mitarbeiter denken über eine Reise in den Südsudan nach. Warum? Weil die Bischöfe - der anglikanische, der presbyterianische und der katholische – gemeinsam zu mir gekommen sind, um mir zu sagen: "Bitte kommen Sie in den Südsudan, und wenn es auch nur für einen Tag ist, aber kommen Sie, kommen Sie mit Justin Welby" aslo dem Erzbischof von Canterbury. Von ihnen, von dieser jungen Kirche, kam diese Kreativität. Und wir überlegen, ob man das machen kann, ob die Situation dort zu schlimm ist... Aber wir müssen das machen, denn sie, alle drei, wollen den Frieden und arbeiten gemeinsam für den Frieden."
Der Papst verweist auch auf die Märtyrer Ugandas, die katholischen und anglikanischen, und auf die Schwierigkeit Pauls VI. angesichts einer Entscheidung zur Seligsprechung. Aber die jungen Kirchen haben mehr Mut, erklärt er. Und er erinnert an Episoden aus seinem Leben in Buenos Aires und an die anglikanischen und katholischen Missionen, die zusammengearbeitet hatten. Der Ökumenismus ist leichter in den jungen Kirchen, aber in den reifen Kirchen solider durch das theologische Studium. Am Ende gibt er einen Rat: Den europäischen Kirchen, anglikanischen wie katholischen, würde es gut tun, Seminaristen zum Studium in die jungen Kirchen zu schicken, in denen man die Ökumene leichter lebt, aber nicht oberflächlich, denn man verhandelt nicht über Glauben oder Identität.
Am Ende findet die Überreichung der Geschenke statt: Die anglikanische Pfarrei schenkt Mahlzeiten für die Obdachlosen und Bibeln, die im Namen des Papstes verteilt werden, sowie eine traditionelle Torte für den letzten Sonntag der Fastenzeit.
An der Türe finden die letzten Abschiedsgrüße zwischen den katholischen und anglikanischen Bischöfen, die teilgenommen hatten, statt und davor steht eine kleine Menge von Neugierigen, die auf das Herauskommen des Papstes wartet.
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Thema Interkommunion und Eucharistie: Das komplette Interview mit Prof. Mückl: https://t.co/Y8ik0p0hEO pic.twitter.com/WNpuV31yBg