CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden 27. Sonntag im Jahreskreis.

„Sie kamen zu Jesus und fragten: Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau aus der Ehe zu entlassen?“ (Mk 10,2). Diese Frage ist nicht mehr aktuell. Heute ist das Problem nicht, jemanden aus der Ehe zu entlassen, sondern eher die Ehe selbst.

Für die Verheirateten sieht das Gesetz der Menschen nicht nur die Scheidung vor, sondern es beschleunigt stets deren Zeiten und Modalitäten. Für Unverheiratete, nichteheliche Verbindungen und faktische Lebensgemeinschaften gibt es so viele rechtlich schützende Maßnahmen, dass die Ehe teils nicht nur unnütz, sondern sogar unvorteilhaft erscheint. Ehe, die aber dann als Recht beispielsweise von gleichgeschlechtlichen Personen eingefordert wird. Das lässt den Begriff letztlich bedeutungslos werden.

Wollen wir also wirklich über die Ehe und sogar über ihre Unauflöslichkeit sprechen – wie Jesus es tut? Ist es nicht besser, über etwas anderes zu reden? Papst Franziskus antwortet: „Als Christen dürfen wir nicht darauf verzichten, uns zugunsten der Ehe zu äußern, nur um dem heutigen Empfinden nicht zu widersprechen, um in Mode zu sein oder aus Minderwertigkeitsgefühlen angesichts des moralischen und menschlichen Niedergangs. Wir würden der Welt Werte vorenthalten, die wir beisteuern können und müssen. Es stimmt, dass es keinen Sinn hat, bei einer rhetorischen Anprangerung der aktuellen Übel stehen zu bleiben, als könnten wir dadurch etwas ändern. Ebenso wenig dient es, mit der Macht der Autorität Regeln durchsetzen zu wollen. Uns kommt ein verantwortungsvollerer und großherzigerer Einsatz zu, der darin besteht, die Gründe und die Motivationen aufzuzeigen, sich für die Ehe und die Familie zu entscheiden, so dass die Menschen eher bereit sind, auf die Gnade zu antworten, die Gott ihnen anbietet“ (Amoris Laetitia, Nr . 35).

Die Ehe ist also in erster Linie eine Gnade, die Gott den Menschen anbietet. Wir verstehen, dass die von den Pharisäern an Jesus gestellte Frage falsch ist, weil eine Voraussetzung fehlt: Es macht keinen Sinn zu fragen, ob es rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, die Ehe aufzuheben, wenn man nicht verstanden hat, was für eine Gnade die Ehe ist!

Es ist kein Zufall, dass Jesus sich in seiner Antwort an die Pharisäer auf die Schöpfung bezieht. Mit der poetischen Sprache, die dem Buch Genesis eigen ist (2,18–24), bezieht es sich auf die zärtliche Vorsehung Gottes gegenüber dem Menschen, der nach seinem Bild geschaffen ist: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht.“

Gott ist Liebe und der Mensch ist nach dem Bild der Liebe geschaffen. Liebe impliziert Beziehung, entsprechende Antwort, Gemeinschaft, Begegnung der Unterschiede, Zusammenarbeit in Komplementarität: Das bringt Leben hervor und erfordert Stabilität.

„Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und die zwei werden ein Fleisch sein.“ Die Worte Jesu, die so deutlich waren im Ablehnen der Trennung: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“, dürfen nicht durch unsere „Hartherzigkeit“ zunichte gemacht werden. Sie sind – so Papst Franziskus – „nicht vor allem als ein dem Menschen auferlegtes ‚Joch‘ zu verstehen, sondern als ein ‚Geschenk‘ für die in der Ehe vereinten Menschen“ (Amoris Laetitia, Nr. 62).

Geben wir dieser Hartherzigkeit, die uns daran hindert, das Geschenk anzunehmen, vorneweg einen Namen; denn es gibt einen Namen und er ist äußerst klar: Man nennt sie „Egoismus“. Die Suche nach dem eigenen Vorteil, der eigenen Befriedigung, dem eigenen Nutzen ist der Krebs, der das Fundament einer jeden menschlichen Beziehung untergräbt, angefangen bei der im wahrsten Sinne des Wortes grundlegenden Beziehung, welche die Ehe ist, aus der die Familie und dann die Gesellschaft hervorgeht.

Papst Franziskus sagt weiter: „Niemand kann meinen, die Familie als natürliche, auf die Ehe gegründete Gemeinschaft zu schwächen, sei etwas, das der Gesellschaft zugutekommt. Es geschieht das Gegenteil: Es beeinträchtigt die Reifung der Personen, die Pflege der gemeinschaftlichen Werte und die ethische Entwicklung der Städte und Dörfer. Es wird nicht mehr in aller Klarheit wahrgenommen, dass nur die ausschließliche und unauflösliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau eine vollkommene gesellschaftliche Funktion erfüllt, weil sie eine beständige Verpflichtung ist und die Fruchtbarkeit ermöglicht“ (Amoris Laetitia, Nr. 52).

Aber wir wissen, wie sehr der Egoismus in unseren Herzen verwurzelt ist, und Gott weiß es sicher noch besser als wir selbst! Aus diesem Grund ist es, dass „Gottes Entgegenkommen den Weg der Menschen immer begleitet, die verhärteten Herzen mit seiner Gnade heilt und verwandelt und sie über den Weg des Kreuzes auf ihren Ursprung hin ausrichtet“ (Amoris Laetita, Nr. 62).

Letztlich bedeutet die Gnade der Ehe annehmen, das Reich Gottes annehmen, das ins Leben der Eheleute kommt. Es kommt in der Logik der Menschwerdung und des Paschafestes. Es ist eine Liebe, die in Jesus Fleisch wird und in das Fleisch von Mann und Frau eingepflanzt wird und sie zu einem Fleisch macht. Und es ist eine Liebe, die sich im Kreuz vollständig offenbart, als die Fähigkeit, auf sich selbst zu verzichten, das eigene Leben für den anderen zu verlieren und es in der Auferstehung vollständig wiederzufinden.

Was sollen wir also tun? Kurz gesagt: Wir müssen das Reich Gottes annehmen, „wie ein Kind es annimmt“: ohne die vielen „Wenn“ und „Aber“, die unser hartes Herz ihm entgegenstellt, ohne unsere eigenen Verdienste und Interessen zu messen. Die Gnade ist ein Geschenk, das dir gegeben wird. Man muss sie vertrauensvoll vom Vater erflehen und mit Dankbarkeit von ihm annehmen.

Dies bedeutet sicherlich nicht, zu leugnen, dass die Worte Jesu über Ehe und Familie „ein Zeichen des Widerspruchs“ sind. Aber durch sie werden wir motiviert „zu einem mutigen Einsatz durch eine starke, tragfähige, dauerhafte Liebe“, und die Familien können „den besten Weg entdecken, um die Schwierigkeiten zu überwinden, denen sie begegnen“ (Amoris Laetitia, Nr. 200).

„Das Evangelium der Familie stellt die Antwort auf die tiefsten Erwartungen des Menschen dar: auf seine Würde und auf die vollkommene Verwirklichung in der Gegenseitigkeit, in der Gemeinschaft und in der Fruchtbarkeit“ (Amoris Laetitia, Nr. 201).

Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.

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