14. November 2024
CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden 33. Sonntag im Jahreskreis.
Jeden Tag teilen uns die Nachrichtensendungen unsere Dosis an alltäglichem Schrecken aus: Bilder von Kriegen, Umweltkatastrophen, Zerstörung, Schmerz, Tod.
Das Wort Gottes fällt auf diese Erde, auf diesen Moment der Geschichte und auf unsere Versuchung zu sagen: Aber Gott, wo ist er? Werden diese Ängste und Nöte nicht alles zum Zusammenbruch bringen und ins Verderben führen? Erleben wir vielleicht den Triumph des Bösen und des Todes?
Auch die Zeiten, in denen das Buch des Propheten Daniel geschrieben wurde, aus dem wir in der ersten Lesung gehört haben, waren Zeiten des Leidens (Dan 12,1–3). Und der Herr verkündet dem Propheten die Befreiung: Der heilige Engel Gottes Michael, der über das Volk wacht, wird aufstehen, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Doch das Zeitalter der Befreiung beginnt mit einer Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit.
Wir können sagen, dass sich die Zeit des Heils mit Geburtswehen ankündigt. Die Not bereitet die Auferstehung der Toten vor, und nach der Auferstehung kommt das Gericht. Der Herr wird jedem gemäß seinen Werken geben: eine Auferstehung zum ewigen Leben den Gerechten, eine Auferstehung zur ewigen Schmach den Bösen. Die Verständigen (jene, die die Weisheit Gottes gesucht und gelebt haben) und die Lehrer (jene, die viele die Gerechtigkeit gelehrt haben) werden am Glanz Gottes selbst teilhaben.
Der Psalm 16 (15) lässt uns verstehen, warum diese Menschen am Glanz Gottes teilhaben: Es ist Gott, der den Weg des Lebens weist. Die Verständigen und Lehrer tun also das Werk Gottes. Daher wird ihr Leben nicht der Unterwelt preisgegeben und ihr Fleisch wird das Grab nicht schauen.
Das Neue Testament hat diesen Psalm auf die Auferstehung Christi angewandt: Christus ist „der Heilige“, der Weise, der Lehrer der Gerechtigkeit. Der Vater hat ihn nicht dem Tod überlassen, er hat ihn auferweckt. Aber auch für ihn kam die Herrlichkeit der Auferstehung durch die Qual des Kreuzes – die schmerzvolle Geburt, die die Welt erneuert hat.
Die zweite Lesung (Hebr 10,11–14.18) sagt uns deutlich, dass die Hingabe Christi, das Kreuzesopfer, ihm die endgültige Herrlichkeit eröffnet hat: Er hat sich zur Rechten Gottes gesetzt und uns in seine Heiligkeit hineingeführt. Aber all dies hat die Qual und den Kampf nicht beseitigt: Wir alle warten darauf, dass seine Feinde ihm unter die Füße gelegt werden. Das bedeutet, dass seine Feinde schon besiegt, aber noch nicht vollständig unterworfen sind.
Die große Botschaft des heutigen Evangeliums (Mk 13,24–32) ist, dass die Welt sich nicht einfach darauf beschränkt, sich um sich selber zu drehen – sie hat ein Ziel: die definitive Offenbarung Christi. „Dann wird man den Menschensohn in Wolken kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit.“
Aber das ist kein geradliniger Weg, kein Wachstum ohne Hindernisse, in dem Wahrheit, Gerechtigkeit und Schönheit unaufhaltsam hin zur Fülle schreiten würden – wie es der moderne „Mythos des Fortschritts“ will. Nein. Das Hindernis ist leider da und es besteht aus der Sünde der Welt.
So wie die Sünde Christus überwältigt und getötet hat, so scheinen Lüge, Ungerechtigkeit und Schrecken die Oberhand zu gewinnen. Christus hat den Tod besiegt, das endgültige Ziel wird die Herrlichkeit sein, aber zuerst müssen wir durch die „große Bedrängnis“ gehen (vgl. Offb 7,14). Jesus beschreibt diese Zeit als eine Katastrophe, in der alle Orientierungspunkte stürzen: „Die Sonne wird verfinstert werden und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.“
Ist das nicht das, was der gegenwärtige Mensch erlebt? Die Sonne der Vernunft, der Mond der Tradition, die Sterne der großen Denker, die Kräfte der Kultur – alles ist erschüttert! Es scheint das Ende von allem zu sein. Aber auch der Karfreitag schien das Ende Christi zu sein und stattdessen war es der Anfang seines Sieges.
Wenn wir also all das geschehen sehen, was passiert, wenn die Bezugspunkte fallen, wenn alles vorbei zu sein scheint, dann ist das in Wirklichkeit ein Zeichen dafür, dass der Herr nahe ist, er ist nahe vor der Tür! Diejenigen, die auf irdische Bezugspunkte vertrauen, sind desorientiert, denn die Gestalt dieser Welt vergeht. Wer aber auf Christus vertraut, wankt nicht: Er ist der Einzige, der nicht vergeht: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.“
Dann verstehen wir auch die Bedeutung der gegenwärtigen Leiden: Sie sind der Kampf Christi gegen das Böse, sie sind je eine Erinnerung, an der Seite Christi zu kämpfen, das Kreuz dieser Welt mit ihm zu tragen, uns für die Wahrheit abzumühen; sie sind Einladungen, die Weisheit zu erwerben, Lehrer der Gerechtigkeit zu werden, um mit Christus an der Auferstehung des ewigen Lebens teilzuhaben.
Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
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