27. Dezember 2024
CNA Deutsch präsentiert die folgende Predigt zum bevorstehenden Fest der Heiligen Familie.
Am Sonntag nach Weihnachten feiern wir jedes Jahr das Fest der Heiligen Familie. Warum? Weil der Sohn Gottes in einer Familie geboren wird.
Jesus ist gekommen, um die Menschheit zu retten, die an sich gut ist, aber Befreiung braucht. Und sein Heilswerk beginnt ausgehend von der Familie, die die menschlichste aller Realitäten und daher die beste und der Befreiung am meisten bedürftige ist. Wir müssen jedoch gut verstehen, was Befreiung bedeutet, worin die Freiheit besteht, die Jesus bringen will.
Im heutigen Evangelium (Lk 2,41–52) werden uns die Eltern Jesu als fromme Menschen vorgestellt, die „jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem gingen“. Das Gesetz schrieb diese Pilgerfahrt für männliche Israeliten vor, die das 13. Lebensjahr vollendet hatten. Die Tatsache, dass auch Maria und Jesus, der noch keine 13 Jahre alt war, dorthin gingen, zeugt von einer Frömmigkeit, die über das geforderte Minimum hinausgeht.
Die Wallfahrt ist kein privater Akt: Sie ist ein gemeinschaftliches Ereignis, sie stellt den Weg eines Volkes hin zu seinem Herrn dar. Und die Familie Jesu ist Teil dieses Volkes: Lukas (V. 44) spricht von einer synodia, einer „Gemeinschaft auf dem Weg“.
Bis hierhin alles normal. Aber die Episode, die uns dann erzählt wird, ist bestürzend: Im Moment des Aufbruchs nach Hause „blieb der Knabe Jesus aber in Jerusalem, ohne dass seine Eltern es merkten“.
Für Maria und Josef war es offensichtlich normal, anzunehmen, dass sich der Junge irgendwo in der Karawane befand. Diese Tatsache erstaunt uns, wenn wir sorgfältig darüber nachdenken. Maria und Josef waren keine ängstlichen, oppressiven Eltern: Für sie war es normal, zu glauben, dass der Junge irgendwo in der großen Gruppe war. Vielleicht haben wir – wie Joseph Ratzinger anmerkt – ein etwas engstirniges Bild der Heiligen Familie. Tatsächlich waren darin Freiheit und Gehorsam gut miteinander in Einklang gebracht. Dem Zwölfjährigen blieb die Entscheidung überlassen, ob er sich mit Gleichaltrigen und Freunden zusammentut und während der Reise in ihrer Gesellschaft bleibt. Am Abend jedoch warteten seine Eltern auf ihn.
Tatsache ist, dass sich am Abend herausstellt, dass Jesus nicht da ist. Eine sorgenvolle Suche beginnt. Nach drei Tagen (eine verschleierte Anspielung auf die Auferstehung) finden sie den Jungen im Tempel, wie er mit den Gesetzeslehrern spricht: „Als seine Eltern ihn sahen, waren sie voll Staunen und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.“
Fragen auch wir uns: Warum hat Jesus seinen Eltern das angetan? War es vielleicht der Streich eines Zwölfjährigen, ein launenhafter Anspruch auf die eigene Autonomie? Keineswegs. Es ist die Ausübung und Offenbarung der wahren Freiheit: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“
Jesus hat eine wesentliche Pflicht, die ihm von Gott, seinem Vater, gegeben wird. Und so wird deutlich, dass das, was als Ungehorsam oder unangemessene Freiheit gegenüber seinen Eltern erscheint, tatsächlich Ausdruck seines kindlichen Gehorsams ist. Er ist im Tempel, nicht als Rebell gegen seine Eltern, sondern gerade als derjenige, der gehorcht in dem gleichen Gehorsam, der zum Kreuz und zur Auferstehung führen wird.
Jesus lebt in der wahren Freiheit, die die Liebe seines Vaters ist. Und er führt auch seine Eltern langsam dazu, zu reifen in dem, was sie in diesem Moment nicht verstehen konnten. „Er kehrte mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam.“
Die Unterordnung Jesu unter Maria und Josef erstrahlt an diesem Punkt, als Bedingung wahrer und völliger Freiheit, weil sie eingebettet ist in die völlige Unterordnung unter die Liebe des Gott-Vaters.
Wir haben am Anfang gesagt, dass Jesus die Menschheit befreit, angefangen bei der Familie. Jetzt können wir verstehen, dass Freiheit darin besteht, in den Dingen des Vaters zu bleiben. Jesus ist der Sohn Gottes und wir alle sind durch seinen Gehorsam als Kinder angenommen. Wir hören in der zweiten Lesung (1 Joh 3,1): „Seht, welche Liebe uns der Vater geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es.“
Möge der Herr uns schenken, in seinem kindlichen Gehorsam zu leben, damit unsere Menschheit, ausgehend von den Beziehungen in der Familie, befreit werden kann.
Aldo Vendemiati ist Priester und Professor an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Urbaniana. Sein Blog findet sich HIER. Die Predigt wurde mit freundlicher Genehmigung veröffentlicht.
Hinweis: Meinungsbeiträge wie dieser spiegeln die Ansichten der jeweiligen Gast-Autoren wider, nicht notwendigerweise jene der Redaktion von CNA Deutsch.