Erzbischof Gänswein über Leo XIV.: „Verwirrung der letzten Jahre muss überwunden werden“

Erzbischof Georg Gänswein
EWTN Vatican

Erzbischof Georg Gänswein hat erklärt, die Kirche brauche im Pontifikat von Leo XIV. „jetzt lehrmäßige Klarheit“: „Die Verwirrung der letzten Jahre muss überwunden werden.“ Gänswein, der langjährige Privatsekretär von Papst Benedikt XVI. und gegenwärtige Apostolische Nuntius für Litauen, Estland und Lettland, äußerte sich am Montag in der Zeitung Corriere della Sera.

Eines der Werkzeuge für die Überwindung der Verwirrung des Franziskus-Pontifikats seien „die Strukturen, die es bereits gibt. Die Institutionen der Kirche sind weder Lepra noch eine Bedrohung für den Papst. Sie sind dazu da, den Päpsten zu helfen. Man kann nicht allein regieren und den eigenen Institutionen misstrauen.“

Mit dem Begriff „Lepra“ schien sich Gänswein ausdrücklich auf eine Äußerung von Papst Franziskus zu beziehen. Dieser hatte 2013 in einem Interview behauptet: „Die Führer der Kirche waren oft narzisstisch, von Höflingen umschmeichelt und zum Üblen angestachelt. Der Hof ist die Lepra des Papsttums.“ Er werde „alles tun“, um dies „zu ändern“, so Franziskus damals.

„Wenn wir Bergoglios schwarze Schuhe mit Ratzingers kristallklarer Lehrmeinung kombinieren, ohne Originalität um jeden Preis anzustreben, denke ich, dass Leo XIV. eine schöne Kombination bieten wird“, erklärte Gänswein. „Ja, er wird in der Lage sein, die Synthese der besten Dinge von beiden zu repräsentieren.“

„Als ich ihn auf den Balkon des Petersdoms treten sah, sagte ich mir: Optisch und akustisch weckt dieser Papst Hoffnung, Hoffnung, Hoffnung …“, betonte der Erzbischof in der italienischen Zeitung. „Schon die Wahl des Namens, in der Tradition des heiligen Leo des Großen und Leo III., der Karl den Großen im Jahr 800 krönte, ist sehr bezeichnend. Name und Kleidung machen deutlich, dass es keine Kontinuität geben wird, sondern eine völlig neue Phase.“

„Seine Erfahrung, seine Fähigkeit, viele Sprachen zu sprechen, die Tatsache, dass er Missionar war, aber auch zwei Jahre lang in der Kurie gearbeitet hat, machen ihn sowohl zu einem Seelsorger als auch zu einem regierenden Papst“, so Gänswein. „Er kommt nicht nur aus einem Bereich, sondern aus vielen Bereichen gleichzeitig. Und das wird es ihm ermöglichen, alle anzusprechen.“

„Ich glaube, dass Leo XIV. sicherlich in den Apostolischen Palast ziehen wird“, führte Gänswein aus. „Dieser Palast ist für die Residenz der Päpste bestimmt. Das ist seine historische Funktion.“ Er selbst könne „nur anmerken, dass ich mich freue, wenn der Papst abends im Apostolischen Palast das Licht anmacht und die Leute wissen, dass er da ist“.

Medienberichten zufolge wird der neue Papst tatsächlich wieder in die Papstwohnung im Apostolischen Palast einziehen. Der am 21. April 2025 verstorbene Papst Franziskus hatte während seines mehr als zwölf Jahre währenden Pontifikats nicht dort gelebt. Stattdessen zog er es vor, im Domus Sanctae Marthae, einem Hotel innerhalb des Vatikans, zu verbleiben, wo die Kardinäle zum Konklave untergebracht werden.

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Verhältnis von Gänswein und Franziskus

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Die Beziehungen zwischen Gänswein und Papst Franziskus waren besonders zuletzt sehr schwierig. Seit Anfang 2020 war Gänswein von seinem Posten als Präfekt des Päpstlichen Hauses „beurlaubt“, so die offizielle Sprachregelung des Heiligen Stuhls.

Der 2013 zum Bischof geweihte Gänswein schrieb in seinen Erinnerungen mit dem Titel „Nichts als die Wahrheit“, Papst Franziskus habe ihm Ende Januar 2020 nach einer Reihe von Problemen im Zuge einer Buchveröffentlichung über den Zölibat von Papst Benedikt und Kardinal Robert Sarah gesagt: „Sie bleiben von jetzt an zu Hause. Sie begleiten Benedikt, der Sie braucht, und schirmen ihn ab.“

Der Erzbischof erwiderte damals, er könne die Entscheidung nicht verstehen, nehme sie aber „im Gehorsam“ an. Darauf habe der Pontifex geantwortet: „Das haben Sie gut gesagt. Ich weiß das, denn nach meiner persönlichen Erfahrung ist es eine gute Sache, etwas ‚gehorsam zu akzeptieren‘.“

Als erste Beobachter feststellten, dass Gänswein nicht mehr als Präfekt des Päpstlichen Hauses an verschiedenen Veranstaltungen des Papstes teilnahm, fragte er diesen, ob er wieder normal arbeiten könne. In schriftlicher Form erklärte Franziskus: „Lieber Bruder, vielen Dank für Ihren Brief. Für den Moment glaube ich, dass es besser ist, den Status quo aufrechtzuerhalten. Ich danke Ihnen für alles, was Sie für Papst Benedikt tun: Es soll ihm an nichts fehlen. Ich bete für Sie, tun Sie dies bitte auch für mich. Der Herr möge Sie segnen und die Gottesmutter Sie behüten. Brüderlich, Franziskus.“

Da sich die Situation so nicht klärte, fragte auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. schriftlich bei Papst Franziskus an, ob er „mit einem väterlichen Gespräch“ für Klarheit bei Gänswein sorgen könne.

Der Privatsekretär schrieb in „Nichts als die Wahrheit“: „Ein paar Tage später bestellte mich der Papst zu einem Treffen nach Santa Marta, bei dem er mir bestätigte, dass sich nichts ändern würde. Keine weitere Reaktion zeitigte hingegen das neuerliche Gesuch des emeritierten Papstes am Ende seines Briefes vom 17. Februar: ‚Ich bitte Sie noch einmal demütig um ein Wort zu Erzbischof Gänswein.‘“

Etwa ein halbes Jahr später erklärte Gänswein in einem weiteren Gespräch, er habe seine Beurlaubung als Strafe aufgefasst, worauf Papst Franziskus betonte, so habe er es nicht gemeint. Dass die mediale Öffentlichkeit dies so interpretiere, sei kein Problem, sagte der Papst: „Es gibt viele, die gegen Sie und gegen mich schreiben, aber sie verdienen keine Beachtung.“ Danach habe Franziskus „einmal mehr von einigen seiner mühseligen Erfahrungen in Argentinien“ erzählt und gesagt, „es habe ihn jedes Mal reifen lassen, wenn man ihm Hindernisse in den Weg gelegt hätte“.

Papst Franziskus hatte Gänswein in dem kürzlich veröffentlichten Buchinterview El Sucesor vorgeworfen, das Buch „Nichts als die Wahrheit“ habe „die Unwahrheit“ enthalten. Außerdem sei der Zeitpunkt der Buchveröffentlichung – der nicht in der Verantwortung von Gänswein lag, sondern vom Verlag festgelegt wurde –, kurz nach dem Tod von Benedikt XVI., ein „Mangel an Anstand und an Menschlichkeit“ gewesen.

Am Montag sagte Gänswein nun: „In jenen Jahren habe ich gelitten, das ist wahr, aber ich habe das mit Franziskus schon vor der Ernennung zum Nuntius geklärt. Und ich danke ihm oder denjenigen, die hinter ihm stehen, die beschlossen haben, mich hierher in die baltischen Länder zu schicken, weil er mir erlaubt hat, meinen Dienst an der Kirche wieder aufzunehmen.“