„Die Praxis der Gegenwart Gottes“: Über die Leseempfehlung von Papst Leo

Papst Leo XIV.
Vatican Media

„Wenn Sie etwas über mich erfahren möchten“, sagte Papst Leo XIV. vor wenigen Tagen währen des Rückflugs aus dem Libanon, „lesen Sie ‚Die Praxis der Gegenwart Gottes‘ [The practice of the presence of God]. Darin wird eine Art des Gebets beschrieben, bei der man einfach sein Leben dem Herrn übergibt und sich vom Herrn führen lässt. Das ist seit vielen Jahren meine Spiritualität.“

Bruder Lorenz

Wer aber war Bruder Lorenz, der Autor dieses Buches?

Nicolas Herman, der später in den Orden der Unbeschuhten Karmeliten (OCD) eintrat und den Namen Bruder Lorenz von der Auferstehung bekam, wurde 1614 im Herzogtum Lothringen geboren. Lothringen gehörte zum französischsprachigen Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Über seine frühen Lebensjahre ist, außer dass er in der Gemeinde Hériménil bei Nancy aufwuchs, nur wenig bekannt.

Mit 18 Jahren erfasste er in einer geistlichen Schau die Größe und Gegenwart Gottes: Beim Betrachten eines entlaubten Baumes und der Vorstellung, dass dieser bald wieder in voller Blüte stehen, dann Blätter tragend auch viele Früchte hervorbringen würde, war ihm, so gestand er 40 Jahre später seinem Beichtvater, als fühlte er sich völlig von der Welt gelöst. Er spürte, wie ihm eine große Liebe zu Gott eingeflößt wurde.

Jene Erfahrung führte zwar nicht dazu, dass er sich zum geistlichen Leben berufen fühlte, aber er schrieb über dieses Ereignis rückblickend: „Gott hat mir eine besondere Gnade geschenkt, als er mich im Alter von 18 Jahren zu sich bekehrte.“

Nicolas Herman wurde mitten im 30-jährigen Krieg im Heer des lothringischen Herzogs Soldat, doch kehrte er 1635 nach einer schweren Verwundung in sein Elternhaus zurück. Er versuchte zunächst als Einsiedler zu leben, später verdingte er sich als Diener eines Adligen.

Er war 26 Jahre alt, als er 1640 bei den Unbeschuhten Karmeliten in Paris um Aufnahme als Laienbruder bat. Der Postulant hatte keine gute Meinung von sich selbst; er dachte sogar, dass man ihn wegschicken, oder ihm wegen seiner Tölpeleien und Fehler das Leben schwer machen würde. Wider Erwarten konnte er nach zwei Jahren als „Frère Laurent de la Résurrection“ seine Profess als Konversbruder ablegen. Der Laienbruder wollte fortan alle ihm aufgetragenen Tätigkeiten aus Liebe zu Gott verrichten und Gott stets zu Diensten sein.

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Bruder Lorenz arbeitete die längste Zeit als Klosterkoch. In dieser Tätigkeit, die er über 15 Jahre auszuüben hatte, zeigte sich seine innere Haltung in besonderer Weise: obwohl er diese Arbeit nicht sonderlich mochte, war er stets bereit zu tun, was man von ihm verlangte. So lebte er in bewundernswerter Weise vor, wie man bei allen Tätigkeiten, auch in der Hektik einer großen Klosterküche, in der er für bis zu 150 Menschen zu kochen hatte, in der Gegenwart Gottes bleiben kann. Bruder Lorenz betete vor, während und nach der Arbeit; vor allem aber verrichtete er alle Tätigkeiten aus Liebe zu Gott.

„Gott braucht nichts; Gott hat mich nur für sich geschaffen; ich werde alles für alles geben und so leben, als gäbe es nur Gott und mich; ich möchte nichts tun, was Gott missfällt, ich möchte, dass alles, was ich tue, Gott gefällt; darum werde ich alles, was ich zu tun habe, aus Liebe zu Gott machen.“

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Bruder Lorenz verrichtete alle ihm übertragenen Aufgaben bewusst aus Liebe zu Gott, was ihm nicht immer leicht gefallen ist. Er wollte sich nicht mehr mit seinem eigenen Leid beschäftigen, selbst wenn er es für alle Ewigkeit aushalten müsste. „Es kommt mir nicht mehr darauf an, was ich tue oder worunter ich leide, vorausgesetzt ich bleibe liebevoll Seinem Willen verbunden, und das ist meine einzige Aufgabe.“

Wegen eines Hüft- und Beinleidens ordneten seine Oberen im Jahr 1657 an, dass er fortan die Arbeit als Sandalenschuster erledigen sollte. Doch blieben ihm manche seiner früheren Aufgaben erhalten. So war er weiterhin für den Einkauf des Weins zuständig, was mit mühsamen Bootsreisen in die Auvergne und nach Burgund verbunden war.

Bruder Lorenz starb im Alter von 77 Jahren, am 12. Februar 1691, an einer Rippenfellentzündung.

Die Schriften von Bruder Lorenz und Papst Leo XIV.

Bereits ein Jahr nach dem Tod von Bruder Lorenz erschien in Paris 1692 ein erstes Buch „zum Nutzen frommer Seelen“. Das erste Buch, das über die Grenzen Frankreichs hinaus veröffentlicht wurde, erschien 1699 in den Niederlanden. Im Jahre 1710, wurde die Identität des Autors der ersten Bücher bekannt: Joseph de Beaufort; er war Generalvikar des Bischofs von Châlons-sur-Marne und hatte Bruder Lorenz 35 Jahre lang gekannt und ihn regelmäßig besucht.

Wenn Papst Leo XIV. Bruder Lorenz von der Auferstehung als Vorbild für sein Leben darstellt und die Lektüre der Schriften des Laienbruders ausdrücklich empfiehlt, schlägt er keine komplizierte Gebetsmethode vor, auch verlangt er keine besonderen Übungen. Vielmehr sagt er, dass man, wenn man dem Weg eines Karmelbruders des 17. Jahrhunderts folgt, lernt, im Alltag mit Gott verbunden zu sein:

Wir sind einzig für Gott geschaffen, […] es wäre daher nicht schlecht, wenn wir uns etwas weniger mit uns selbst beschäftigten und mehr mit Ihm. In Ihm werden wir besser verstehen, was uns fehlt, als wenn wir mit all unseren Überlegungen in uns selbst blieben. Und vielleicht ist es nur ein Rest Eigenliebe, die uns in Form einer Idee der eigenen Vorzüglichkeit an uns selbst haften lässt und uns hindert zu Gott zu gelangen.

Auf dem Weg zu Gott zählen Gedanken wenig, die Liebe ist alles. Und es ist nicht nötig, mit großartigen Aufgaben betraut zu sein. Ich wende ein kleines Omelette in der Pfanne aus Liebe zu Gott. Wenn das Omelette fertig ist, und ich nichts mehr zu tun habe, knie ich nieder und verehre meinen Gott, von dem ich die Gnade erhalten habe, das Omelette zu machen, und danach erhebe ich mich wieder, zufriedener als ein König.

Wenn ich nichts anderes tun kann, ist es genug für mich, aus Liebe zu Gott einen Strohhalm vom Boden aufzuheben. Man sucht Methoden, um Gott lieben zu lernen und macht wer-weiß-was-für Übungen. Man gibt sich mit verschiedensten Techniken viel Mühe. Doch ist es nicht viel schneller und direkter, einfach alles aus Liebe zu Gott zu tun? Ihm zu dienen in allen Arbeiten? Sich seiner Gegenwart in uns zu vergewissern durch die Verbindung unseres Herzens mit ihm? Dazu braucht man keine Finessen. Man muss sich nur einfachen Herzens ihm zuwenden.