Vatikanstadt - Freitag, 25. Dezember 2015, 8:05 Uhr.
An Weihnachten lernen wir, unsere Skepsis zu überwinden und die Freude des Glaubens zu leben. Dazu müssen wir "täglich aus dem Brunnen des Gebets schöpfen", betont der Papst: Wir müssen auf Jesus hören und selber still werden. CNA dokumentiert die gesamte Homilie, wie sie der Vatikan zur Verfügung gestellt hat.
Predigt des Papstes in der Christmette, Petersdom am 24. Dezember 2015
In dieser Nacht leuchtet ein "helles Licht" (Jes 9,1); über uns allen strahlt das Licht der Geburt Jesu auf. Wie wahr und aktuell sind die Worte des Propheten Jesaja, die wir gehört haben: "Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude" (9,2)! Unser Herz war wegen der Erwartung dieses Momentes schon voller Freude, jetzt aber wird dieses Gefühl noch verstärkt und fließt gleichsam über, denn die Verheißung hat sich erfüllt, endlich ist sie Wirklichkeit geworden. Jubel und Freude versichern uns, dass die im Geheimnis dieser Nacht enthaltene Botschaft wirklich von Gott kommt. Es gibt keinen Platz für Zweifel – überlassen wir ihn den Skeptikern, die allein den Verstand befragen und deshalb niemals die Wahrheit finden. Es gibt keinen Raum für die Gleichgültigkeit – sie herrscht im Herzen dessen, dem es nicht gelingt zu lieben, weil er Angst hat, etwas zu verlieren. Alle Traurigkeit wird vertrieben, denn das Jesuskind ist der wahre Tröster des Herzens.
Heute ist der Sohn Gottes geboren: Alles wird anders. Der Retter der Welt kommt, um Anteil zu haben an unserer Menschennatur, wir sind nicht mehr allein und verlassen. Die Jungfrau bietet uns ihren Sohn dar als Anfang eines neuen Lebens. Das wahre Licht kommt, um unser oft in den Schatten der Sünde eingeschlossenes Leben zu erhellen. Heute entdecken wir von neuem, wer wir sind! In dieser Nacht wird uns der Weg aufgezeigt, der zurückzulegen ist, um ans Ziel zu gelangen. Jetzt müssen jede Angst und jeder Schrecken enden, denn das Licht weist uns den Weg nach Bethlehem. Wir dürfen nicht in Trägheit verharren. Es ist uns nicht gestattet, unbeweglich zu bleiben. Wir müssen aufbrechen, um unseren Retter zu sehen, der in eine Krippe gelegt ist. Und dies ist der Grund für den Jubel und die Freude: Dieses Kind ist für uns geboren, "ist uns geschenkt", wie Jesaja ankündigt (vgl. 9,5). Einem Volk, das seit zweitausend Jahren überall in der Welt unterwegs ist, um jedem Menschen Anteil an dieser Freude zu geben, wird die Sendung übertragen, den „Friedensfürsten“ bekannt zu machen und sein wirksames Werkzeug inmitten der Nationen zu werden.
Wenn wir also von der Geburt Christi reden hören, wollen wir im Schweigen verharren und jenes Kind sprechen lassen; prägen wir seine Worte in unser Herz ein, ohne den Blick von seinem Antlitz abzuwenden. Wenn wir es in die Arme nehmen und uns von ihm umarmen lassen, wird es uns den Herzensfrieden geben, der niemals endet. Dieses Kind lehrt uns, was wirklich wesentlich ist in unserem Leben. Jesus wird in der Armut der Welt geboren, weil für ihn und seine Familie kein Platz in der Herberge ist. In einem Stall findet er Unterschlupf und Rückhalt und wird in eine Futterkrippe für Tiere gelegt. Und doch leuchtet aus diesem Nichts das Licht der Herrlichkeit Gottes auf. Von hier aus beginnt für die Menschen mit schlichtem Herzen der Weg der wahren Befreiung und der ewigen Erlösung. Von diesem Kind her, in dessen Antlitz die Züge der Güte, der Barmherzigkeit und der Liebe Gottes des Vaters eingeprägt sind, ergibt sich – wie der Apostel Paulus lehrt – für uns alle, die wir Jesu Jünger sind, die Ehrenpflicht, uns "von der Gottlosigkeit" und dem Reichtum der Welt "loszusagen und besonnen, gerecht und fromm […] zu leben" (Tit 2,12).
In einer Gesellschaft, die oft trunken ist von Konsum und Vergnügung, von Überfluss und Luxus, von Augenschein und Eigenliebe, ruft er uns zu einem nüchtern-besonnenen, d.h. einfachen, ausgewogenen und gradlinigen Verhalten auf, das fähig ist, das Wesentliche zu erfassen und zu leben. In einer Welt, die allzu oft hart gegenüber dem Sünder ist und lässig-weich gegenüber der Sünde, ist es notwendig, einen starken Gerechtigkeitssinn zu pflegen und nach dem Willen Gottes zu suchen und ihn zu verwirklichen. In einer Kultur der Gleichgültigkeit, die am Ende nicht selten erbarmungslos ist, soll dagegen unser Lebensstil erfüllt sein von Erbarmen, Einfühlungsvermögen, Mitleid und Barmherzigkeit – Haltungen, die jeden Tag aus dem Brunnen des Gebetes geschöpft werden müssen.
Mögen uns – wie den Hirten von Bethlehem – bei der Betrachtung des Gottessohnes im Jesuskind die Augen übergehen vor Staunen und Verwunderung! Und möge vor seiner Gegenwart aus unseren Herzen die Bitte aufsteigen: "Erweise uns, Herr, deine Huld und gewähre uns dein Heil!" (Ps 85,8).