Bari - Montag, 9. Juli 2018, 6:59 Uhr.
Das ganze Leid und Unrecht im zunehmend entchristlichten Nahen Osten, vom Terror der Islamisten bis hin zum Blutbad in Syrien hat der Papst in seiner Rede in Bari am vergangenen Samstag angesprochen. Franziskus erinnerte daran, dass es "bis heute keine Alternative zum Frieden" gibt, und Christen ein Recht darauf haben müssen, in ihrer angestammten Heimat zu leben.
Der Pontifex appellierte auch für eine friedliche Lösung im Heiligen Land anlässlich der gemeinsamen Verehrung der Reliquien des heiligen Nikolaus und des Friedensgebets mit Patriarchen orthodoxer Kirchen in der italienischen Hafenstadt Bari.
Das Ökumenische Treffen am symbolkräftigen Ort des von beiden Kirchen verehrten Heiligen - der ja im heute in der Türkei liegenden Myra wirkte - richtete sich mit mehren Botschaften an die Weltöffentlichkeit: Einmal für den Frieden im Namen Jesu Christi, dem "Fürst des Friedens", wie Franziskus seine Zuhörer erinnerte, und für den Dialog, der statt Profitgier und Waffengewalt zum wahren Frieden führe.
Aber auch selbstkritische Töne schlug das Oberhaupt der katholischen Kirche an, wählte diese sogar zum Ausgangspunkt seiner Rede: "Auch unser Kirche-Sein" werde, so Franziskus, "von der Logik der Welt, der Logik der Macht und des Gewinnstrebens, der Logik eines oberflächlichen Opportunismus" verkrümmt.
"Und dann ist da unsere Sünde, der Widerspruch zwischen Glaube und Leben, der das Zeugnis verdunkelt. Wir spüren, dass wir uns einmal mehr wieder zum Evangelium bekehren müssen, der Garantie echter Freiheit, und das muss unbedingt jetzt geschehen, in der Nacht des Nahen Ostens, der mit dem Tode ringt."
Der Papst warnte vor einem Wettrüsten und mahnte den Dialog an, aber auch die Rechte der in den meisten Ländern der Region diskriminierten, nicht selten blutig unterdrückten und verfolgten Christen an:
"Man schütze das Daseinsrecht aller, nicht nur das der Mehrheit. Auch im Nahen Osten möge der Weg zum Recht auf eine gemeinsame Staatsbürgerschaft, der Weg in eine neue Zukunft eröffnet werden. Auch Christen sind und sollen gleichberechtigte Bürger sein."
Mit Blick auf die Lage im Heiligen Land und Jerusalem sagte der Papst, die Stadt müsse eine "für alle Völker, eine einzigartige und heilige Stadt für Christen, Juden und Muslime auf der ganzen Welt" sein.
"Jerusalems Identität und Berufung muss über die verschiedenen Streitigkeiten und Spannungen hinaus bewahrt werden und es ist unerlässlich, dass sein Status quo eingehalten wird gemäß den Beschlüssen der internationalen Gemeinschaft, was von den christlichen Gemeinschaften des Heiligen Landes wiederholt gefordert wurde."
Nur eine Verhandlungslösung zwischen Israelis und Palästinensern werde zu einem stabilen und dauerhaften Frieden führen und die Koexistenz zweier Staaten für zwei Völker gewährleisten, sagte der Pontifex.
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Eindrücke und Highlights des Papstbesuches in Bari 🇻🇦🇮🇹🙏🏻 📽CNA/EWTN #papst #papstfranziskus #popefrancis pic.twitter.com/0E2XUloQ78
CNA dokumentiert den Wortlaut der Ansprache des Papstes im vollen Umfang, wie sie der Vatikan veröffentlicht hat.
"Ich bin sehr dankbar für die Gnade dieses Austauschs, den wir erleben durften. Wir haben uns gegenseitig geholfen, unsere Präsenz als Christen im Nahen Osten wiederzuentdecken. Sie wird umso prophetischer sein, je mehr sie Jesus, den Fürst des Friedens (vgl. Jes 9,5), bezeugt. Er greift nicht zum Schwert, sondern verlangt von seinen Jüngern, es wieder in die Scheide zu stecken (vgl. Joh 18,11). Auch unser Kirche-Sein wird von der Logik der Welt, der Logik der Macht und des Gewinnstrebens, der Logik eines oberflächlichen Opportunismus. Und dann ist da unsere Sünde, der Widerspruch zwischen Glaube und Leben, der das Zeugnis verdunkelt. Wir spüren, dass wir uns einmal mehr wieder zum Evangelium bekehren müssen, der Garantie echter Freiheit, und das muss unbedingt jetzt geschehen, in der Nacht des Nahen Ostens, der mit dem Tode ringt. Wie in der quälenden Nacht von Getsemani wird nicht die Flucht (vgl. Mt 26,56) oder das Schwert (vgl. Mt 26,52) den strahlenden Ostermorgen vorwegnehmen, sondern die Selbsthingabe in der Nachfolge des Herrn.
Die gute Nachricht des aus Liebe gekreuzigten und auferstandenen Jesus, die aus den Ländern des Nahen Ostens zu uns gelangt ist, hat das Herz des Menschen durch die Jahrhunderte ergriffen, weil sie nicht mit den Mächten der Welt, sondern mit der Ohnmacht des Kreuzes verbunden ist. Das Evangelium verpflichtet uns zu einer täglichen Umkehr zu den Plänen Gottes, dazu, allein in ihm Sicherheit und Bestärkung zu finden und es allen und trotz allem zu verkünden. Der Glaube der einfachen Menschen, der im Nahen Osten sehr tief verwurzelt ist, ist ein Quell, aus dem wir schöpfen können, um unseren Durst zu stillen und uns zu reinigen. So geschieht es, wenn wir zu den Ursprüngen zurückkehren und uns als Pilger nach Jerusalem, ins Heilige Land oder zu den Heiligtümern in Ägypten, Jordanien, im Libanon, in Syrien, in der Türkei und zu den anderen heiligen Orten in dieser Region begeben.
Unter gegenseitiger Ermutigung haben wir einen brüderlichen Dialog geführt. Er war ein Zeichen dafür, dass Begegnung und Einheit immer gesucht werden müssen, ohne Angst vor den Unterschieden. So ist es auch mit dem Frieden: Er muss selbst auf dem dürren Boden der Gegensätze gepflegt werden, denn trotz allem gibt es heute keine Alternative zum Frieden. Nicht die durch Mauern und Machtdemonstrationen garantierten Waffenstillstände werden Frieden bringen, sondern echter Wille zum Zuhören und zum Dialog. Wir verpflichten uns dazu, diesen Weg zu gehen, dafür zu beten und zu arbeiten, und wir bitten darum, dass die Kunst der Begegnung sich gegenüber den Strategien der Konfrontation durchsetzt, dass auf die Zurschaustellung bedrohlicher Zeichen der Macht die Macht der Zeichen der Hoffnung folgt: Menschen guten Willens und verschiedenen Glaubens, die keine Angst davor haben, miteinander zu sprechen, fremde Gedanken zuzulassen und sich umeinander zu kümmern. Nur so, wenn dafür gesorgt ist, dass niemand ohne Brot und Arbeit, dass niemand ohne Würde und Hoffnung ist, werden sich die Schreie des Krieges in Lieder des Friedens verwandeln.
Dazu ist es unerlässlich, dass sich die Machthabenden endlich entschlossen in den Dienst des Friedens stellen und nicht ihren eigenen Interessen dienen. Es muss damit Schluss sein, dass die Gewinne einiger weniger auf Kosten so vieler erwirtschaftet werden. Schluss mit Landbesetzungen, die die Völker auseinanderreißen! Schluss damit, dass parteiische Wahrheiten über den Hoffnungen der Menschen stehen! Schluss damit, dass der Nahe Osten für Profite außerhalb des Nahen Ostens benutzt wird!
Der Krieg ist die Plage, die diese geliebte Region auf tragische Weise heimsucht. Die Hauptopfer sind arme Menschen. Denken wir an das gemarterte Syrien. Krieg wird von Macht und Armut gezeugt. Er wird durch den Verzicht auf die Logik der Vorherrschaft und durch die Beseitigung der Wurzeln der Armut überwunden. Viele Konflikte sind auch durch Formen des Fundamentalismus und Fanatismus geschürt worden, die unter der Tarnung religiöser Vorwände in Wirklichkeit den Namen Gottes, der Friede ist, lästerten und den Bruder verfolgten, mit dem man immer in Nachbarschaft gelebt hat. Doch Gewalt wird immer durch Waffen angeheizt. Man kann nicht seine Stimme erheben, um über den Frieden zu sprechen, während man heimlich ein ungezügeltes Wettrüsten veranstaltet. Das ist eine sehr ernste Verantwortung, die schwer auf dem Gewissen der Nationen, insbesondere der mächtigsten Länder, lastet. Man vergesse nicht das letzte Jahrhundert, man vergesse nicht die Lehren aus Hiroshima und Nagasaki, man verwandle die Länder des Orients, aus denen das Wort des Friedens hervorging, nicht in dunkle Wüsten der Stille. Schluss mit sturen Gegensätzen, Schluss mit der Profitgier, die niemandem ins Gesicht sieht, nur um sich Gas- und Brennstoffvorkommen zu ergattern, ohne Rücksicht auf das gemeinsame Haus und ohne Skrupel davor, dass der Energiemarkt das Gesetz des Zusammenlebens der Völker diktiert!
Um Wege des Friedens zu erschließen, möge man stattdessen den Blick auf diejenigen richten, die voller Sehnsucht danach sind, brüderlich mit anderen zusammenzuleben. Man schütze das Daseinsrecht aller, nicht nur das der Mehrheit. Auch im Nahen Osten möge der Weg zum Recht auf eine gemeinsame Staatsbürgerschaft, der Weg in eine neue Zukunft eröffnet werden. Auch Christen sind und sollen gleichberechtigte Bürger sein.
Sehr bedrückt, aber nie ohne Hoffnung, richten wir unseren Blick auf Jerusalem, eine Stadt für alle Völker, eine einzigartige und heilige Stadt für Christen, Juden und Muslime auf der ganzen Welt. Jerusalems Identität und Berufung muss über die verschiedenen Streitigkeiten und Spannungen hinaus bewahrt werden und es ist unerlässlich, dass sein Status quo eingehalten wird gemäß den Beschlüssen der internationalen Gemeinschaft, was von den christlichen Gemeinschaften des Heiligen Landes wiederholt gefordert wurde. Nur eine Verhandlungslösung zwischen Israelis und Palästinensern, die von der Gemeinschaft der Nationen nachdrücklich gewollt und gefördert wird, kann zu einem stabilen und dauerhaften Frieden führen und die Koexistenz zweier Staaten für zwei Völker gewährleisten.
Die Hoffnung hat das Gesicht von Kindern. Im Nahen Osten beweinen seit Jahren erschreckend viele Kinder gewaltsame Todesfälle in ihren Familien und sehen ihre Heimat bedroht, oft bleibt ihnen keine andere Perspektive als die Flucht. Das ist der Tod der Hoffnung. Die Augen zu vieler Kinder haben die meiste Zeit ihres Lebens damit verbracht, Trümmer statt Schulen zu sehen, das ohrenbetäubende Getöse von Bomben zu vernehmen anstatt des fröhlichen Lärmens beim Spiel. Möge die Menschheit – darum bitte ich euch – auf den Schrei der Kinder hören, deren Mund die Herrlichkeit Gottes verkündet (vgl. Ps 8,3). Wenn sie die Tränen der Kinder trocknet, wird die Welt ihre Würde wiedererlangen.
An die Kinder denkend, werden wir gleich zusammen mit einigen Tauben unseren Wunsch nach Frieden in die Lüfte aufsteigen lassen. Die Sehnsucht nach Frieden möge sich über alle dunklen Wolken hinaus erheben. Mögen unsere Herzen vereint bleiben, auf den Himmel gerichtet sein und wie in den Tagen der Flut darauf warten, dass der zarte Zweig der Hoffnung zurückkehrt (vgl. Gen 8,11). Der Nahe Osten möge nicht länger ein Bogen des Krieges sein, der sich über die Kontinente spannt, sondern eine Arche des Friedens, die Völker und Religionen willkommen heißt. Geliebter Naher Osten, möge sich über dir die Dunkelheit von Krieg, Macht, Gewalt, Fanatismus, unfairen Gewinnen, Ausbeutung, Armut, Ungleichheit und fehlender Anerkennung von Rechten lichten. »In dir sei Friede« (Ps 122,8), in dir sei Gerechtigkeit, über dir ruhe der Segen Gottes."
Der heilige Vater zu Besuch in #Bari! 🇻🇦🇮🇹 📸Daniel Ibanez #popefrancis #papstfranziskus #catholic pic.twitter.com/eN751LQrwY
— CNA Deutsch (@CNAdeutsch) July 7, 2018
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