29. Oktober 2018
Als mein Mann und ich letztens in der Küche diskutiert haben, fingen unsere Töchter irgendwann an "Hört nun mit dem Streiten auf, Streiten auf, Streiten auf, hört nun mit dem Streiten auf, hört bitte auf. Reicht euch die Hände, der Streit ist zu Ende, hört nun mit dem Streiten auf…" zu singen (Melodie: Oh du lieber Augustin). Wir haben auf jeden Fall aufgehört zu diskutieren und mussten erst mal lachen, weil diese Situation doch auch ein bisschen komisch war. Dann erklärten uns die Kinder, dass ihre Erzieherinnen das im Kindergarten immer auf dem Außengelände singen, wenn Kinder sich streiten.
Klappt auf jeden Fall, denn der Gesang unterbricht die ärgerliche Stimmung und schafft eine neue, heitere Situation. Gleichzeitig hat diese Art der Streitschlichtung aber auch etwas Absurdes an sich und ich stelle mir vor, wie ständig irgendwo eine Erzieherin auf dem Außengelände dieses Lied anstimmt.
Ich merkte, dass es zwar unsere Diskussion unterbrochen hat, aber nicht geklärt hat und es wichtig gewesen wäre, unsere Themen zu Ende zu besprechen. Gesundes Streiten reinigt, baut Stress und Ärger ab und nach einem Donnerwetter verziehen sich die Wolken auch wieder und lassen die Sonne durch. Sprich, man kann nach einem guten Streit auch wieder offen und neu auf den anderen zugehen.
Voraussetzung ist natürlich, dass man die Wertschätzung für den anderen nicht verliert oder vergisst und trotz der Differenzen respektvoll miteinander umgeht.
Als Eltern haben wir zu Anfang reflektiert, ob man vor Kindern grundsätzlich streiten darf. Ich finde, ja! Wer eine gute Streitkultur unter Eheleuten pflegt, gibt diese auch an die Kinder weiter, die sich nicht nur unter Geschwistern, sondern auch in ihrem sozialen Umfeld ständig mit Konflikten auseinandersetzen müssen.
Grenzen des anderen auszuloten, dem Ärger Luft machen, liebevoll bleiben, das alles sind Gegensätze, die sich manchmal schwer vereinen lassen, aber so wichtig für ein gutes Miteinander sind.
Jesus hat sich ständig mit Leuten gestritten, auseinandergesetzt und regelrecht angelegt. Zwischenmenschliche Konflikte ziehen sich durch Jesus´ gesamtes Leben und sind Teil seines Charakters, wahrscheinlich sogar Ausdruck seiner Menschwerdung.
Wir als Christen sind prädestiniert, streitbar zu sein und streitbar zu bleiben, da wir jeden Menschen in seiner Ebenbildlichkeit Gottes sehen und somit auch im Konflikt gar nicht anders können, als ihn dennoch wertschätzend zu behandeln.
Und sollte dies doch mal nicht gelungen sein, ist der Weg der Vergebung und der Entschuldigung das Mittel der Wahl. "Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein…" heißt, allen Menschen unterlaufen Fehler, alle Menschen verletzen bewusst oder unbewusst andere und niemand kann sich frei davon machen, im Streit nicht fair zu sein.
Doch Einsicht ist der beste Weg zur Besserung, heißt es so schön und genau das zeichnet unseren Glauben aus. Wer wirklich bereut, dem wird durch Gott vergeben.
Diese Gedanken im Hinterkopf, ist das Lied zwar ganz nett, um vielleicht eine kleine Zankerei auf dem Außengelände im Kindergarten zu beenden. Wenn es um nichts geht, vielleicht alle Beteiligten ein bisschen müde sind, überreizt und gar nicht so recht wissen, wohin mit ihrer Energie. Wenn es aber um wirklichen Streit geht, um Freundschaften, um Vorwürfe, um Themen, die bewegen, dann ist es wichtig, den Streit bis zum Ende zu führen, den Konflikt auszutragen und das auch in geeigneter Weise vor den Kindern. Das macht sie zu konfliktfähigen Menschen, die wertschätzend mit anderen Streiten können.
Das Blog "Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter" mit Elisabeth Illig erscheint jeden Montag bei CNA Deutsch. Alle bisherigen Blogposts finden Sie hier im Überblick.
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