Vatikanstadt - Freitag, 2. Oktober 2015, 8:19 Uhr.
Weniges ist so erkennbar katholisch wie er: Der Rosenkranz. Papst Franziskus verschenkt ihn oft und gern. Viele Katholiken beten ihn täglich, und das schon seit Jahrhunderten. Die Kirche hat dem Rosenkranz einen ganzen Monat gewidmet: Den Oktober. Warum das so ist, und was es mit dem Rosenkranz auf sich hat, haben wir Monsignore Florian Kolfhaus gefragt. Der Priester und promovierte Theologe ist Autor mehrerer Bücher zum Thema, darunter „Der Rosenkranz – Theologie auf Knien” (Dominus Verlag, Augsburg).
CNA: Monsignore Kolfhaus, warum – und seit wann – ist der Oktober der Rosenkranzmonat?
KOLFHAUS: Papst Pius V hat das Fest Unserer lieben Frau vom Sieg zur Erinnerung an den unerwarteten Triumph über die türkischen Flotten bei Lepanto 1571 eingeführt. Zuvor hatte er die Christenheit aufgerufen, sich an Maria zu wenden, um den aus menschlicher Sicht unabwendbaren Einfall der moslemischen Streitkräfte zu verhindern. Schon im Jahr 1573 ist dieser Gedenktag zum Rosenkranzfest umbenannt worden, das seit 1913 immer am 7. Oktober gefeiert wird. So ist der Monat Oktober in besondere Weise ein Aufruf, in den Nöten von Kirche und Welt vertrauensvoll den Rosenkranz zu beten. In besonderer Weise hat Papst Leo XIII mit seinen Rosenkranz-Enzykliken diese Andacht gefördert. Aber auch der heilige Papst Johannes Paul II hat mit dem Rosenkranzjahr diesem alten, doch stets modernen Gebet neuen Aufschwung gegeben, weil er davon überzeugt war – wie Schwester Lucia, die Seherin von Fatima, gesagt hat – dass es kein Problem gibt, dass sich nicht mit dem Rosenkranz lösen läßt. Diese Perlenschnur ist wie die Schleuder Davids, der fünf Steine mitnahm, um Goliath zu besiegen. Auch wir gewinnen mit diesem Gebet, in dem jeweils fünf große Geheimnisse betrachtet werden – das sind gleichsam unsere Steine in der Schleuder – die großen Herausforderungen unserer Zeit. Lassen Sie mich nur stichwortartig die Verfolgung der Christen im Mittleren Orient oder die Krise der Familie in der westlichen Welt nennen. Mit dem Rosenkranz bringen selbst Kinder, Kranke und alte Menschen, die vielleicht meinen, nichts mehr tun zu können, Giganten zu Fall. Jeder ist gerade im Oktober eingeladen durch sein Gebet der Welt in ihren Sorgen und Nöten wirksam zu helfen.
CNA: Sie beschreiben dieses Gebet als „Theologie auf den Knien". Wie ist das zu verstehen? Das klingt für viele Ohren ja erst einmal einfach unangenehm.
KOLFHAUS: Ich habe mich immer wieder gefragt, warum Maria in Lourdes und Fatima um das Gebet des Rosenkranzes bittet, und nicht andere Andachten empfiehlt, wie das Stundengebet oder die Lectio Divina, also das Betrachten der Heiligen Schrift, die doch wirklich hervorragende und bewährte Gebetsformen sind. Sie scheint den Rosenkranz zu bevorzugen, weil er für alle Menschen, gleich welcher Bildung und welchen Alters, eine Schule des Gebetes ist, die vom mündlichen Sprechen heiliger Worte zum inneren Schauen großer Glaubenswahrheiten führt. Beim Rosenkranzbeten hat so manches „altes Mütterlein" mehr von Theologie gelernt als nicht wenige akademische Lehrer, die wohl viel über das Geheimnis der Dreifaltigkeit und der Eucharistie wissen, aber davor nicht mehr staunend in die Knie gehen. Das ist in keinster Weise unangenehm und schwierig, sondern schön und befreiend. Theresa von Avila hat einmal gesagt, es kommt nicht so sehr darauf an viel zu wissen, sondern viel zu lieben. Vor Gott zählen nicht meine Schulnoten und meine beruflichen Erfolge, sondern allein meine Liebe und mein Vertrauen. Das Buch „Der Rosenkranz - Theologie auf Knien" will dazu einladen, die Liebe kennenzulernen und zu studieren. Wir neigen heute manchmal dazu, den Glauben zu „verkopfen" und vergessen, dass es eine „Herzensangelegenheit" ist. Theologie ist wichtig und unverzichtbar, aber wichtiger als über Gott zu reden, ist es, mit ihm selbst zu sprechen. Und das lernt man beim Rosenkranz, bei dem man sich an der Hand Mariens führen läßt, um zu Jesus zu finden. Wer sich ihr weiht und anvertraut, lernt ihren Sohn schneller und besser kennen als viele, die ihn allein in Büchern suchen.
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CNA: Was ist bitte die Weihe an die Gottesmutter?
KOLFHAUS: Die Weihe an Maria, die zum Beispiel der hl. Papst Johannes Paul II. gelebt und durch seinen Wahlspruch „Totus Tuus" - Ganz Dein, Maria - bekannt gemacht hat, bedeutet, dass ich, wie gesagt, Mariens Hand ergreife und nicht mehr meine eigenen Wege gehe, sondern mich von der Mutter führen lasse. Das ist eine Möglichkeit, den Aufruf Jesu zu verwirklichen, wie kleine Kinder zu werden, die wissen, dass sie nichts aus eigener Kraft vermögen, aber dennoch geliebt und gewollt sind und daher vertrauensvoll alles von den Eltern erwarten. Sich Maria zu weihen ist, wie viele Heilige sagen, der schnellste und sicherste Weg zu Jesus, denn ich schenke mich und alles, was ich habe, seiner Mutter, die ihn besser kennt und mehr liebt als alle seine Jünger. Wer es ausprobiert, durch Maria zu Jesus zu finden, wird genau diese Erfahrung machen – sie ist kein Umweg oder gar ein Hindernis, sondern, salopp gesagt, ein „Highway to Heaven".
CNA: Wie sind sie persönlich ausgerechnet zu diesem Thema gekommen? Beten Sie jeden Tag den Rosenkranz?
KOLFHAUS: Was ich eben gesagt habe, habe ich selbst erfahren und erlebe es immer wieder. Alles Große und Schöne in meinem Leben habe ich Maria zu verdanken, der ich mich schon als Jugendlicher geweiht habe. Es ist für mich nicht einfach ein Zufall, dass ich an einem Samstag im Oktober geboren bin und viele wichtige, einschneidende Erlebnisse an einem Marienfest stattgefunden haben, so zum Beispiel auch meine Priesterweihe. Und ja, ich bemühe mich, den Rosenkranz täglich zu beten. Manchmal bete ich auch einige Gesätzchen, wenn ich durch die Stadt laufe, auf den Bus warte oder im Supermarkt anstehen muß. Wenn man versucht, solche Leerzeiten im Alltag mit dem Rosenkranz zu füllen, den jeder Katholik immer in der Hosentasche haben sollte, dann ist es gar nicht so schwer, ihn zu beten; vielleicht sogar für die Menschen, die gerade an einem vorbeilaufen. Mir ist es wichtig, dass wir Christen nicht mit billiger Spiritualität abspeisen, sondern sie ermutigen zu beten – wenn möglich viel und lange – um die Schönheit und Kraft des Glaubens zu entdecken. Ein „frommer" Gedanke beim Aufwachen ist gut, aber er baut so wenig eine echte Liebesbeziehung auf wie das verschlafene „Guten Morgen" am Frühstückstisch. Unter Liebenden braucht es Gespräch und stilles Beisammensein, bei dem man nicht auf die Uhr schaut. So auch bei Gott. Und das lernt man durch den Rosenkranz, der ja zum Glück kein kurzes Gebet ist, sondern eine Anleitung, fast eine halbe Stunde lang bei Jesus und Maria zu sein. Mit meinem Buch will ich helfen, den Rosenkranz neu zu entdecken und ihn betrachtend – also nicht bloß „lippenbewegend" – beten zu lernen.