Jerusalem - Montag, 30. März 2020, 13:12 Uhr.
Wegen der Coronavirus-Pandemie mussten ausländische Pilger das Heilige Land verlassen. Vermutlich werden auch zu Ostern die Jerusalemer Straßen menschenleer sein. Die Stornierung aller Pilgerreisen wirkt sich gravierend auf die Tourismusindustrie aus, von der zahlreiche christliche Familien in Israel und in den palästinensischen Gebieten abhängig sind.
Im Heiligen Land zwang die Coronavirus-Pandemie Tausende von Pilgern zur Abreise. Zweifelsohne werden "zahlreiche Christen aufgrund der ausbleibenden Pilger leiden, weil viele von ihnen in der Tourismusbranche arbeiten", bedauert Bruder Ibrahim Faltas gegenüber dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk "Kirche in Not". Der Franziskaner arbeitet für die Kustodie des Heiligen Landes, die zahlreiche heilige Stätten betreut. Bruder Ibrahim ist unter anderem für die Beziehungen zur Palästinensischen Autonomiebehörde und zu Israel verantwortlich.
Existenzen durch einbrechende Einnahmen vor dem Aus
"Ohne Pilger gibt es für niemanden hier Arbeit", bedauert er. Dies gilt umso mehr, als bei den Christen im Heiligen Land alles miteinander verflochten ist: die Einnahmen aus dem Tourismus dienen dazu, die sozialen und pastoralen Aufgaben der christlichen Einrichtungen wie Pfarreien, Schulen, Hospize und Seniorenwohnheime zu finanzieren.
Alle von den Franziskanern im Heiligen Land geführten Gästehäuser sind ebenfalls geschlossen. Bruder Alberto Joan Pari, ein weiteres Mitglied der Kustodie, erklärt: "Durch die Schließung aller Hotels, Bars und Restaurants haben die meisten unserer Angestellten keine Arbeit und wir wissen nicht, wie wir über eine längere Zeit all diese Leute bezahlen sollen. Solche Situationen gab es bislang nur zur Zeit der Intifadas".
Die Souvenir- und Kunsthandwerksgeschäfte sowie die Transportunternehmen ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. "Die Menschen, die kleine Familienunternehmen aufgebaut haben, sind finanziell nicht stabil genug aufgestellt, um einem solchen Schock standhalten zu können", erklärt Bruder Alberto. Während der kriegerischen Konflikte, die das Heilige Land in der Vergangenheit erlebt hat, hätten einige Menschen immerhin in anderen Bereich als dem Tourismus Arbeit finden können. Doch die Pandemie betreffe nun alle Branchen und es sei unmöglich, das Risiko eines Ortswechsels einzugehen, um eine andere Arbeit anzunehmen.
Fehlende Karfreitagskollekte bremst Hilfeleistungen
"In den letzten Tagen haben wir bereits damit angefangen, die am stärksten betroffenen Familien zu unterstützen", sagt Bruder Ibrahim und gibt zu: "Auch für uns als lokale Kirche wird es schwer werden, den Menschen zu helfen". Auf die Frage von "Kirche in Not", wie diesen Menschen geholfen werden kann, antwortet Bruder Ibrahim: "Es hilft uns sehr, wenn Ihr uns im Gebet unterstützt und die Pilger anregt, wieder in das Heilige Land zu kommen, sobald es möglich ist." Auch Spenden und Mess-Stipendien seien willkommen. Bruder Alberto versichert, dass die Franziskaner im Heiligen Land ebenfalls an den heiligen Stätten für jene Menschen beten, die unter dem Virus leiden.
Der Ordensmann befürchtet, dass die Karfreitagskollekte, die jedes Jahr für die Christen im Heiligen Land gehalten wird, dieses Jahr ausfällt. In zahlreichen Ländern finden ohnehin keine öffentlichen Gottesdienste statt. Die Karfreitagskollekte sichert den Unterhalt der heiligen Stätten und die seelsorgerische Betreuung der Pilger. Gleichzeitig fördert die Kollekte die Hilfsmaßnahmen des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem im Nahen Osten, damit die Christen dort in ihrer Heimat bleiben können. "Falls die Karfreitagskollekte ausfällt, fehlen uns bis zu 80 Prozent unserer Einnahmen", warnt Bruder Alberto.
Geburts- und Grabeskirche geschlossen
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Seit dem 12. März hat das Wallfahrtsbüro der Franziskaner in Jerusalem Gottesdienste von Pilgergruppen storniert. Die Palästinensische Autonomiebehörde hat bereits Anfang März die Stadt Bethlehem unter Quarantäne gestellt. Die dortigen Schulen und Universitäten, Moscheen und Kirchen haben komplett geschlossen – auch die Geburtskirche. "In der Vergangenheit wurde sie ausschließlich im Falle eines Krieges oder einer Belagerung geschlossen", stellt Bruder Alberto fest.
In Jerusalem waren Mitte März noch ein paar wenige Lebensmittelgeschäfte offen. Doch die meisten Straßen sind leer. Weit und breit kein einziger Pilger. Mittlerweile ist auch die Grabeskirche, eine der heiligsten Stätten der Christenheit, geschlossen. "Wenn man bedenkt, dass es noch vor einem Monat keine einzige Unterkunft gab, wo die Pilger übernachten konnten! Die Besucherzahlen waren sehr hoch. Heute ist hier niemand mehr, die letzten amerikanischen Pilger sind vergangene Woche abgereist", bedauert Bruder Ibrahim.
Normalität erst wieder im Herbst?
Wird die Grabeskirche in Jerusalem anlässlich der Osterfeierlichkeiten wieder öffnen? Das ist alles andere als sicher. Obgleich das Programm für die Karwoche noch nicht veröffentlicht wurde, vermutet Bruder Alberto, "dass es vermutlich keine öffentlichen Gottesdienste geben wird".
Die Verantwortlichen im Heiligen Land hoffen, dass zumindest zur zweiten Pilgersaison des Jahres im Herbst die Normalität zurückkehrt. Eine seit Jahren in Jerusalem lebende Mitarbeiterin einer Pilgeragentur drückt es gegenüber "Kirche in Not" so aus: "Lasst uns in den Herrn vertrauen, alles liegt in seinen Händen, auch wenn wir gegenwärtig eine Zeit erleben, in der es schwieriger ist, es zu verstehen und zu akzeptieren."
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