Katholische Medien müssen helfen, "Gut und Böse zu unterscheiden", sagt Papst Franziskus

Papst Franziskus bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz am 10. September 2014
Giulio Napolitano / Shutterstock

Papst Franziskus hat in einer Botschaft an eine katholische Medien-Organisation aufgerufen, jungen Menschen dabei zu helfen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.

Dazu muss der Journalismus jedoch "klar und ohne Vorurteile" berichten, so der Papst in der am 30. Juni veröffentlichten Botschaft an die nordamerikanische Catholic Press Association.

"Wir brauchen Männer und Frauen mit Prinzipien, um die Kommunikation vor all dem zu schützen, was sie verzerren oder für andere Zwecken missbrauchen könnte", mahnt der Papst.

Es gehe darum, in der Einheit katholischer Vielfalt echte Kommunikation zu ermöglichen, so der Pontifex, der an seine Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel erinnerte (Wortlaut unten anbei).

Medien seien aufgerufen, "Menschen zusammenzuhalten, Entfernungen zu verkürzen, die notwendigen Informationen bereitzustellen und Geist und Herz für die Wahrheit zu öffnen".

Aufgrund der Coronavirus-Pandemie hält die Organisation ihre diesjährige Konferenz vom 30. Juni bis 2. Jui digital ab. Das Motto der Veranstaltung: "Together While Apart". Unter den Sprechern ist der Präfekt des Dikasteriums für Kommunikation des Vatikans, Paolo Ruffini sowie Bischof Paul Tighe, Sekretär des Päpstlichen Rates für Kultur und

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CNA Deutsch dokumentiert den Wortlaut der Botschaft von Papst Franziskus zum 5. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel in der offiziellen deutschen Übersetzung.

Liebe Brüder und Schwestern,

seit es das Internet gibt, hat sich die Kirche immer dafür eingesetzt, es in den Dienst der zwischenmenschlichen Begegnung und allumfassender Solidarität zu stellen. Mit dieser Botschaft möchte ich Sie nochmals einladen, über das Fundament und die Bedeutung unseres In-Beziehung-Seins nachzudenken und bei all den Herausforderungen des gegenwärtigen kommunikativen Kontextes den Wunsch des Menschen, der nicht in seiner Einsamkeit bleiben will, neu zu entdecken.

Die Metaphern „Netz“ und „Gemeinschaft“

Die Medienwelt ist heute so allgegenwärtig, dass sie sich nicht mehr von der Alltagswelt trennen lässt. Das Internet ist eine Ressource unserer Zeit. Es ist eine Quelle von Wissen und Beziehungen, die einst unvorstellbar waren. Viele Experten jedoch weisen angesichts der tiefgreifenden Veränderungen, die die Technologie für die Logik der Produktion, Verbreitung und Nutzung von Inhalten mit sich bringt, auch auf die Risiken hin, die die Suche nach und den Austausch von authentischen Informationen auf globaler Ebene bedrohen. Wenn das Internet auch eine außerordentliche Möglichkeit des Zugangs zu Wissen darstellt, so ist es zugleich ein Ort, der in besonderer Weise anfällig ist für Desinformation und eine bewusste und gezielte Deformierung von Fakten und zwischenmenschlichen Beziehungen, die oft diskreditierende Züge annehmen.

Es muss anerkannt werden, dass die sozialen Netzwerke, obwohl sie einerseits dazu dienen, uns mehr zu verbinden, uns zueinander zu bringen und einander zu helfen, andererseits aber auch eine manipulative Nutzung personenbezogener Daten ermöglichen, um politische oder wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, wobei der gebührende Respekt vor dem Menschen und seinen Rechten oft außen vor bleibt. Verschiedene Statistiken machen deutlich, dass jeder vierte Heranwachsende mit Cybermobbing zu tun hat.[1]

In der Komplexität dieses Szenarios mag es nützlich sein, nochmals über die dem Internet ursprünglich zugrundeliegende Metapher des Netzes nachzudenken, um sein positives Potenzial wieder neu zu entdecken. Die Gestalt des Netzes lädt uns ein, über die Vielzahl von Verbindungslinien und Knoten nachzudenken, die seine Stabilität ohne Zentrum und ohne hierarchische oder vertikale Organisationsstruktur sicherstellen. Das Netz funktioniert dank der gleichmäßigen Beteiligung aller Elemente.

Bezogen auf ihre anthropologische Dimension, erinnert die Metapher des Netzes an ein weiteres bedeutungsvolles Gebilde, nämlich das der Gemeinschaft. Die Stärke einer Gemeinschaft hängt davon ab, wie kohäsiv und solidarisch sie ist, und davon, wie sehr in ihr ein Gefühl des Vertrauens herrscht und wie sehr sie gemeinsame Ziele verfolgt. Die Gemeinschaft als Netz der Solidarität erfordert gegenseitiges Zuhören und einen Dialog, der auf einem verantwortungsvollen Umgang mit der Sprache basiert.

So, wie es sich momentan darstellt, ist jedem klar, dass Social Network Community nicht automatisch dasselbe bedeutet wie Gemeinschaft. Im besten Fall können solche Communities Zusammenhalt und Solidarität vorweisen, oft aber sind sie nur Ansammlungen von Individuen, die sich um Interessen oder Themen herum bilden und für die eine schwache Bindung der Einzelnen charakteristisch ist. Außerdem basiert die Identität in den sozialen Netzwerken zu oft auf Abgrenzung gegenüber anderen, gegenüber denen, die nicht zur Gruppe gehören. Man definiert sich über das, was trennt, und nicht über das, was eint. Damit schafft man eine Plattform für Verdächtigungen und die Äußerung aller Arten von Vorurteilen (ethnische, sexuelle, religiöse und andere). Dieser Trend ist ein Nährboden für Gruppierungen, die Heterogenität ausschließen und auch im digitalen Bereich einen ungezügelten Individualismus nähren, ja manchmal sogar regelrechte Lawinen des Hasses lostreten. Das, was ein Fenster zur Welt sein sollte, wird so zu einem Schaufenster, in dem man den eigenen Narzissmus zur Schau stellt.

Das Internet ist eine Gelegenheit, die Begegnung mit anderen zu fördern, es kann uns aber auch immer tiefer in die Selbstisolation führen und wie das Netz einer Spinne zur Falle werden. Besonders junge Menschen sind anfällig für die Illusion, dass die Sozialen Netzwerke ihnen in Sachen Beziehungen alles geben könnten, was sie brauchen. Das kann schließlich sogar zum gefährlichen Phänomen jugendlicher „Sozialeremiten“ führen, die Gefahr laufen, sich völlig von der Gesellschaft zu entfremden. Diese dramatische Dynamik offenbart einen schweren Riss im Beziehungsgefüge der Gesellschaft, einen Riss, den wir nicht ignorieren können.

Diese vielgestaltige und tückische Realität wirft verschiedene Fragen ethischer, sozialer, rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Natur auf und ist auch eine Anfrage an die Kirche. Während die Regierungen nach rechtlichen Regulierungsmaßnahmen suchen, um die ursprüngliche Vision eines freien, offenen und sicheren Netzes zu bewahren, haben wir alle die Möglichkeit und die Verantwortung, eine positive Nutzung des Internets zu fördern.

Es ist klar, dass die Multiplikation von Verbindungen nicht ausreicht, um ein gegenseitiges Verständnis zu fördern. Wie aber können wir, im Bewusstsein, dass wir auch im Internet eine Verantwortung füreinander haben, unsere wahre gemeinschaftliche Identität finden?

„Wir sind als Glieder miteinander verbunden“

Eine mögliche Antwort kann ausgehend von einer dritten Metapher skizziert werden, von der Metapher des Leibes und seiner Glieder, mit deren Hilfe der heilige Paulus das Verhältnis der Gegenseitigkeit zwischen den Menschen beschreibt, das in einem Organismus begründet liegt, der sie vereint. »Legt deshalb die Lüge ab und redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten; denn wir sind als Glieder miteinander verbunden« (Eph 4,25). Das Als-Glieder-miteinander-verbunden-sein ist die tiefe Motivation, mit der der Apostel uns auffordert, die Lüge abzulegen und die Wahrheit zu sagen: Die Verpflichtung zur Bewahrung der Wahrheit ergibt sich aus der Notwendigkeit, das gegenseitige Gemeinschaftsverhältnis nicht zu leugnen. Tatsächlich offenbart sich die Wahrheit in der Gemeinschaft. Die Lüge hingegen besteht in der egoistischen Weigerung, die eigene Zugehörigkeit zum Leib anzuerkennen und in der Weigerung, sich anderen hinzugeben, womit man jedoch auch den einzigen Weg der Selbstfindung verliert.

Die Metapher des Leibes und seiner Glieder lässt uns über unsere Identität nachdenken, die auf Gemeinschaft und Verschiedenheit basiert. Als Christen verstehen wir uns alle als Glieder des einen Leibes, dessen Haupt Christus ist. Das hilft uns, andere Menschen nicht als potenzielle Konkurrenten zu sehen, sondern auch unsere Feinde als Mitmenschen zu betrachten. Dann müssen wir uns nicht länger über einen Gegner definieren, denn aus der Perspektive der Inklusion, die wir von Christus lernen, können wir das Anderssein neu entdecken, nämlich als integralen Bestandteil und Bedingung für Beziehung und Nähe.

Diese Fähigkeit zum Verständnis und zur zwischenmenschlichen Kommunikation hat ihre Grundlage in der Liebesgemeinschaft der göttlichen Personen. Gott ist nicht Einsamkeit, sondern Gemeinschaft; er ist Liebe und damit Kommunikation, denn die Liebe kommuniziert immer, ja sie kommuniziert sich selbst, um dem anderen zu begegnen. Um mit uns zu kommunizieren und sich uns mitzuteilen, passt Gott sich unserer Sprache an und begründet in der Geschichte einen echten Dialog mit der Menschheit (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 2).

Weil wir als Ebenbilder Gottes geschaffen sind, der Gemeinschaft und Mitteilung seiner selbst ist, tragen wir immer ein gewisses Heimweh nach einem Leben in Gemeinschaft und nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft im Herzen. »Denn Nichts ist unserer Natur so eigentümlich wie dieses, dass wir gesellig miteinander leben und einander bedürfen«, sagt der heilige Basilius.[2]

Der aktuelle Kontext fordert uns alle auf, in Beziehungen zu investieren und auch im Internet und durch das Internet den zwischenmenschlichen Charakter unseres Menschseins zu bekräftigen. Noch mehr sind wir Christen aufgerufen, jene Gemeinschaft sichtbar werden zu lassen, die unsere Identität als Gläubige kennzeichnet. Der Glaube ist schließlich selbst Beziehung und Begegnung. Unter dem Einfluss der Liebe Gottes können wir das Geschenk, das der Andere ist, mitteilen, annehmen, verstehen und darauf reagieren.

Gerade die Gemeinschaft nach dem Bild der Dreifaltigkeit unterscheidet die Person vom Individuum. Aus dem Glauben an einen Gott, der dreifaltig ist, folgt, dass ich den anderen brauche, um ich selbst sein zu können. Ich bin nur dann wirklich Mensch, wirklich Person, wenn ich mit anderen in Beziehung trete. Der Begriff Person bezeichnet den Menschen als „Gesicht“, das dem anderen zugewandt ist und mit den anderen interagiert. Mit dem Übergang von der Individualität zur Personalität gewinnt unser Leben an Menschlichkeit. Der wahre Weg der Menschwerdung führt vom Individuum, das den anderen als Rivalen wahrnimmt, zur Person, der ihn als Weggefährten anerkennt.

Vom „Like“ zum „Amen“

Das Bild des Leibes und seiner Glieder erinnert uns daran, dass die Nutzung der sozialen Netzwerke eine Ergänzung zur leibhaftigen Begegnung ist, die sich durch den Körper, das Herz, die Augen, den Blick, und den Atem des anderen verwirklicht. Wenn das Netz zur Erweiterung oder in Erwartung einer solchen Begegnung genutzt wird, entspricht es seinem eigentlichen Wesen und bleibt eine Ressource für die Gemeinschaft. Wenn eine Familie das Internet nutzt, um besser verbunden zu sein, und sich dann an einen Tisch setzt und sich gegenseitig in die Augen schaut, dann ist es eine Ressource. Wenn eine kirchliche Gemeinschaft ihre Aktivitäten durch das Internet koordiniert und dann gemeinsam Eucharistie feiert, dann ist es eine Ressource. Wenn das Netz einem die schönen oder leidvollen Ereignisse und Erfahrungen anderer nahebringt, wenn es uns hilft gemeinsam zu beten und das Gute wiederzuentdecken in dem, was uns verbindet, dann ist es eine Ressource.

So können wir von der Diagnose zur Therapie übergehen, indem wir den Weg öffnen zum Dialog, zur Begegnung, zum Lächeln, zu liebevollen Gesten... Das ist das Netz, das wir wollen. Ein Netz, das nicht als Falle genutzt wird, sondern der Freiheit und dem Schutz einer Gemeinschaft freier Menschen dient. Die Kirche selbst ist ein von der eucharistischen Gemeinschaft geknüpftes Netz, wo die Einheit nicht auf „Likes“, sondern auf der Wahrheit, auf dem „ Amen “ beruht, mit dem jeder seine Zugehörigkeit zum Leib Christi zum Ausdruck bringt und die anderen annimmt.

Aus dem Vatikan, am 24. Januar 2019, dem Gedenktag des hl. Franz von Sales.

 

Franciscus


[1] Um dieses Phänomen einzudämmen wird eine Internationale Beobachtungsstelle für Cybermobbing mit Sitz im Vatikan eingerichtet.

[2] Vgl. Ausführliche Regeln (Regulae fusius tractatae), III, 1; vgl. Benedikt XVI., Botschaft zum 43. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel (2009).

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