Vatikanstadt - Dienstag, 22. September 2020, 9:00 Uhr.
"Auch ich hatte in meinen jungen Jahren das Privileg, von seiner Verfügbarkeit gegenüber den Beichtenden zu profitieren".
Das "Beichtkind" war Johannes Paul II. und der Beichtvater war Pater Pio. Es ist sicher kein Geheimnis, dass Johannes Paul II. eine besondere Bewunderung für Pater Pio hegte.
Auch ihre erste Begegnung war besonders. Aus ihr ging der junge polnische Priester – man schrieb das Jahr 1948 – mit den Gedanken heraus, dass dieser Mönch sicherlich eine Heiliger sei, aber auch etwas verrückt, denn er hatte ihm auf irgendeine Weise vorausgesagt, dass er Papst werden würde.
Zu den interessantesten autobiographischen Texten des Pontifex zählt ein Brief, der im Buch "Il Papa e il frate" (Der Papst und der Mönch) veröffentlicht wurde, und in dem Johannes Paul II. am 5. April 2002 (drei Jahre vor seinem Tod), die Begegnung mit dem jungen Kapuziner erzählt. Es handelt sich um ein handsigniertes Zeugnis, das an die Kapuziner von San Giovanni Rotondo adressiert und für ihr Archiv bestimmt war - und das nicht vor dem Tod des Papstes veröffentlicht werden sollte.
Der junge Karol Wojtyła berichtet darin, dass er bei Pater Pio gebeichtet hatte.
Er war "an einem Abend im April in San Giovanni Rotondo angekommen", wie er auch bei seinem Besuch 1974 erinnert, als er als Kardinal erneut kommt und sich ins Buch der berühmten Gäste des Konvents einträgt.
Die heilige Messe in der alten kleinen Kirche, die Stigmata, die von einer schwarzen Binde bedeckt sind - eine Präsenz, die im Herzen des jungen Priesters haften bleibt. Dann die Beichte bei diesem Beichtvater, der "eine einfache und klare Unterscheidungsgabe hatte und den Büßer mit großer Liebe behandelte". Johannes Paul II. schließt das Schreiben: "Ich betrachte diese erste Begegnung mit ihm in San Giovanni Rotondo, als er noch am Leben und stigmatisiert war, als die wichtigste. Und ich danke der göttlichen Vorsehung besonders für sie."
Was Johannes Paul II. über Pater Pio dachte, drückt sich auch in der Predigt zu seiner Heiligsprechung aus:
"Pater Pio war ein hochherziger Ausspender der göttlichen Gnade, indem er allen zur Verfügung stand durch die Aufnahmebereitschaft, die geistliche Führung und besonders durch die Spendung des Bußsakraments. Auch mir wurde das Privileg zuteil, in meinen Jugendjahren in den Genuß seiner Verfügbarkeit gegenüber den Beichtenden zu kommen. Der Dienst im Beichtstuhl, der für sein Apostolat kennzeichnend war, hat große Scharen von Gläubigen zum Kloster von San Giovanni Rotondo hingezogen. Auch wenn dieser einzigartige Beichtvater die Pilger scheinbar mit Härte behandelte, kehrten sie, der schweren Sünde bewußt und wirklich reumütig, fast immer zur versöhnlichen Umarmung der sakramentalen Vergebung zurück."
Dieses Geschenk wurde durch intensives Gebet erlangt: "Der tiefste Grund des apostolischen Wirkens von Pater Pio, die eigentliche Wurzel seiner großen geistlichen Fruchtbarkeit findet sich in der festen inneren Verbundenheit mit Gott, deren sprechendes Zeugnis die vielen im Gebet und im Beichtstuhl verbrachten Stunden waren. Er pflegte zu sagen: ´Ich bin ein einfacher Bruder, der betet´, überzeugt davon, daß ´das Gebet die beste Waffe ist, die wir haben, ein Schlüssel, der das Herz Gottes öffnet.´ Dieses grundlegende Merkmal seiner Spiritualität setzt sich fort in den von ihm gegründeten ´Gebetsgruppen´, die durch ihr unablässiges und vertrauensvolles Gebet in großartiger Weise zum Wohl der Kirche und der Gesellschaft beitragen.
Über den Dienst der Versöhnung hatte Johannes Paul II. auch ausführlich im Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 2002 gesprochen:
"Aus verschiedenen Gründen leidet es (das Bußsakrament) seit einigen Jahrzehnten unter einer gewissen Krise, auf die ich mehr als einmal hingewiesen habe. Es war mein Wille, daß sich sogar eine Bischofssynode damit befasse, und ich habe deren Anregungen in das Apostolische Schreiben Reconciliatio et paenitentia aufgenommen. Andererseits kann ich mit tiefer Freude die positiven Signale erwähnen, die besonders im Jubiläumsjahr gezeigt haben, daß dieses Sakrament, wenn es in geeigneter Weise dargestellt und gefeiert wird, auch von jungen Menschen generell wiederentdeckt werden kann. Begünstigt wird eine solche Wiederentdeckung sicherlich von demBedürfnis nach persönlicher Kommunikation, die sich heutzutage durch die Hektik der technisierten Gesellschaft zunehmend schwieriger gestaltet, aber gerade deshalb immer mehr als ein Lebensbedürfnis empfunden wird. Gewiss kann man diesem Bedürfnis auf verschiedene Weise entgegenkommen. Aber sollte man etwa verkennen, daß das Bußsakrament, ohne es freilich mit den verschiedenen Psychotherapien zu vermischen, gleichsam aus Überfluß auch auf dieses Bedürfnis eine maßgebende Antwort anbietet? Es tut dies, indem es den Pönitenten durch das freundschaftliche Antlitz eines Bruders in Beziehung zum erbarmenden Herzen Gottes bringt."
Fast zwanzig Jahre sind vergangen und heute wiederholt Papst Franziskus im Bezug auf das Bußsakrament nachdrücklich diese Notwendigkeit der Liebe und des Zuhörens, auch durch sein Beispiel als Beichtvater und als Beichtender.
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